Rede Stefan Wenzel: Castortransport stoppen – weil nicht richtig sein kann, was „politisch absolut falsch“ ist

Landtagssitzung am 09.11.2011

Stefan Wenzel, MdL

Anrede,

mir scheint: so viel politische Klarheit und so viel politische Einigkeit gab es in Sachen Gorleben noch nie. Eine breite politische Allianz steht in Niedersachsen und weit darüber hinaus gegen das geplante Atommülllager in Gorleben.
Die Bürgerinitiativen, die Bauern im Wendland, die Umweltverbände, die Kirchengemeinden und ihre Bischöfe, die Vertretungen der Arbeitnehmer, die Polizisten und ihre Gewerkschaften, die Bäcker, die Schüler, die Busfahrer
– alle –
auch die Politiker in vielen Städten und Gemeinden unseres Landes, die Opposition im Bundestag und hier im Landtag
– und –
wenn wir den vielen Äußerungen von Vertretern der Parteien aus dem niedersächsischen Regierungslager Vertrauen schenken dürfen –

auch CDU und FDP sind dagegen.
Herr Thümler ist dagegen,
Frau Flachsbarth ist dagegen
ja, sogar Herr Sander ist dagegen.

Wenn, ja wenn, wir den Äußerungen von Vertretern von CDU und FDP trauen können.
Können wir das?
Wie gesagt: eine so breite Allianz hat es in dieser Sache wohl seit 35 Jahren nicht gegeben.

Und trotzdem werden wir Zeugen einer geradezu irrationalen Entwicklung:
keiner ist dafür – aber alle im Regierungslager machen mit.
Keiner will Gorleben – aber keiner von Ihnen hebt die Hand gegen den nächsten Castortransport! Gibt es geheime Mächte, die gegen den Willen aller Akteure Fakten schaffen wollen?
Spielen alle Beteiligten mit offenen Karten?
So viele Fragen.
Und auch diese:
Warum betreibt der Niedersächsische Umweltminister eine ganz offensichtliche Manipulation der Messwerte für das Castorlager?
Und:
Warum organisiert der Bundesumweltminister Norbert Röttgen ein Gespräch zum angeblich auch von ihm gewollten Neubeginn bei der Endlagersuche so dilettantisch, dass von 16 eingeladenen Ministerpräsidenten nur zwei dabei sein wollen?

Anrede,

der EKD Vorsitzende Schneider sprach vor wenigen Tagen bei seinem Besuch im Wendland von einem Ewigkeitsproblem. Ein Problem von bislang unbekannter Dimension. Ein Problem, das den ernsthaften und nachhaltigen Willen aller Beteiligten einfordert.

Anrede, Herr Ministerpräsident,

in dieser Frage bedarf es nicht nur glaubwürdiger Akteure, sondern es bedarf auch vertrauensbildender Maßnahmen.
Die einzig vertrauensbildende Maßnahme, die diesen Namen verdienen würde, wäre die Absage des Castortransports.
Auf diese vertrauensbildende Maßnahme  - auf dieses Zeichen Ihrer Glaubwürdigkeit wartet das Land, Herr Ministerpräsident.
Wird das Warten vergeblich sein?

Wie jung, wie dynamisch, wie voller Tatendrang wollten Sie Ihr Amt antreten.
Wie defensiv, wie matt, wie resigniert zeigen Sie sich schon jetzt in dieser für dieses Land so entscheidenden Frage!

Gibt es denn gar keinen Ehrgeiz mehr? Auch nicht den, einer großen Tageszeitung das Gegenteil zu beweisen, wenn diese schreibt (Zitat):
"Den Mut, sich in der ewigen Streitfrage Gorleben richtig quer zu legen, haben Regierungsvertreter von CDU und FDP indes nicht. Bürgerinitiativen wie auch die Opposition liegen nicht falsch, wenn sie der Landesregierung diese Mutlosigkeit vorwerfen."

Wollen Sie als Angsthase in die Geschichte eingehen, Herr McAllister?
Wir wissen alle: Die notwendige Entscheidung für ein Atommüllendlager muss breit verankert werden, muss weit länger tragen als eine Legislatur, braucht Vertrauen und braucht volle Transparenz.

35 Jahre nachdem Gorleben in einer Nacht und Nebel Aktion ausgeguckt wurde, müssen wir den Neubeginn mit einem erneuten großen internationalen Endlagerhearing begründen.

Wenn Sie eine Grundlage für einen Neubeginn bei der Endlagersuche schaffen wollen, wenn Ihnen, Herr Ministerpraesident, ernsthaft an einem Neubeginn gelegen ist, müssen Sie diesen Castor stoppen und Ihr Landesbergamt beauftragen, den Rahmenbetriebsplan für den Weiterbau in Gorleben in Frage zu stellen.

Gestern Abend gab es hier im Landtag eine Vortragsveranstaltung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Das Thema des Referats lautete: "Was macht einen Planeten bewohnbar?".
Ich glaube diese Frage hat sehr viel mit dem Thema unserer Aktuellen Stunde gemein.

Unsere Töchter Herr McAllister werden uns einst fragen, wie wir uns entschieden haben und warum. Dann sollten wir eine gute Antwort haben.

Machen Sie den Weg frei für einen Neubeginn - nicht zuletzt auch im Interesse der jungen Polizeibeamten, die nicht für einen politischen Konflikt verheizt werden dürfen.

Herr McAllister, jetzt ist die Stunde der Politik – nicht der Polizei!

Stoppen Sie den Castor! Geben Sie Gorleben auf!

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