Rede Stefan Wenzel: Aktuelle Stunde: Wenn wenige viel haben haben viele wenig - Schwarz-Gelb spaltet die Gesellschaft

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Nacke, mit einem so groben Holzklotz kommen Sie an die Probleme nicht heran. Sie verkennen auch Ursache und Wirkung.
Sie haben zwar recht, wenn Sie sagen, dass wir im Moment eine sehr niedrige Arbeitslosenquote haben, die niedrigste seit 1989, dass die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen deutlich gesunken ist und dass sich auch bei den Langzeitarbeitslosen die Zahlen reduziert haben. Aber gucken Sie sich einmal an, wie das zustande gekommen ist! Wenn Sie Volks-wirte fragen oder Wirtschaftszeitungen lesen, werden Sie erkennen, dass man sich ziemlich einig darin ist, dass es die Reformen der Regierung von Rot-Grün im Bund gewesen sind, die hier den entscheidenden Beitrag geleistet haben, und eben nicht Ihre Frau Merkel.
(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Davon wollen Sie doch nichts mehr wissen, Herr Wenzel!)
Dabei sind natürlich auch Fehler gemacht worden, Herr Sohn. Ich wäre doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich behaupten würde, dass man bei einem so großen Projekt keine Fehler macht. Ich denke nur an die steuerliche Freistellung von Unternehmensverkäufen oder an den Spitzensteuersatz. Diese Fehler muss man korrigieren.
Wir haben auch gelesen, dass diese positiven Zahlen keine Auswirkungen auf das Armutsrisiko, die Niedriglohnquote oder den Vermögensaufbau, über den wir heute sprechen, gehabt haben. Deshalb muss man die Situation jetzt analysieren und vor dem Hintergrund der Finanzkrise prüfen, was man tun muss. Und dann muss man eben auch an große Vermögen herangehen - und nicht an den Mittelstand, Herr Grascha.
(Zuruf von der CDU: Wo fängt das denn an?)
Am Ende werden davon nur sehr, sehr wenige betroffen sein.
Man muss auch an die Steueroasen he-rangehen und kann nicht, wie es Herr Möllring vorhat, Steuerhinterziehung über die Schweiz legalisieren und sogar noch fördern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Man braucht auch eine Transaktionssteuer. Warum muss ich Mehrwertsteuer zahlen, wenn ich Butter oder Brot im Laden kaufe, aber dann, wenn ich Geflügel oder Schweinehälften oder Rinderhälften an der Börse kaufe, nicht? - Das ist schlicht und einfach falsch. Deswegen brauchen wir eine Transaktionssteuer.
Meine Damen und Herren, in dem Armuts- und Reichtumsbericht - den Sie, Herr Toepffer, ja mindestens bis Seite 250 gelesen haben, wie ich Ihren Ausführungen entnehmen konnte - findet sich das Zitat von Frau von der Leyen: „Wenn sich Armutsrisiken sogar über Generationen verfestigen, besteht Handlungsbedarf.“ Das kann ich uneingeschränkt unterschreiben. Diese Feststellung ist absolut richtig.
Ich nenne ein weiteres Zitat: „Solche Ungleichheiten werden dann zum Akzeptanzproblem, wenn sie nicht vorrangig auf individueller Verantwortung und persönlichen Fähigkeiten basieren.“ Das heißt, wenn man nur deshalb reich ist, weil schon Papa und Mama reich waren, ist das in einer Demokratie ein Problem. Das darf nicht über Generationen hinweg weiter vorangetrieben werden.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Meine Damen und Herren, Armut und Reichtum sind eine soziale Herausforderung. Demokratie und Reichtum sind am Ende auch ein Problem für unsere demokratische Grundordnung. Wirtschaft und Reichtum sind ein Problem, wenn wir es nicht schaffen, die Zahlungsbilanzen in Europa wieder näher zusammenzubekommen. Wenn wir das nicht schaffen, ist das auch ein Problem für den Zusammen-halt in Europa. Auch dieser Zusammen-hang wird in diesem Entwurf, der uns vor-liegt, richtig beschrieben.
Wenn es hier heißt, der deutliche Rückgang des berechneten Reinvermögens rührt ganz überwiegend daher, dass die Ausgaben in den letzten Jahren nicht durch die Einnahmen gedeckt worden sind, dann hängt das einerseits mit der Deutschen Einheit und andererseits und vor allen Dingen mit der Finanzkrise und der Reaktion darauf zusammen. Das wird an dem Sprung von 2008 deutlich, der überwiegend auf die Übernahme von toxischen Forderungen aus systemrelevanten klassischen Finanzinstituten infolge der Finanzkrise zurückzuführen ist. Meine Damen und Herren, auch das wird richtig beschrieben.
Nun ist es an der Zeit, die Konsequenzen zu ziehen und auch darüber nachzudenken, ob man die wirklich Vermögenden zum Schuldenabbau heranzieht; denn diese haben noch zu Zeiten der Finanzkrise, seit 2007, ihr Vermögen um 1,4 Billionen Euro gesteigert, während die kleinen Einkommen im gleichen Zeitraum eher verloren haben.
Meine Damen und Herren, das muss eine Volkspartei wie die CDU interessieren. Da können Sie dreimal sagen, dass das, was Frau von der Leyen vorgelegt hat, nur ein Entwurf ist. Ich gehe davon aus, dass sie schon ein paar sachverständige Leute in ihrem Ministerium hat und dass von daher das, was sie hier aufgeschrieben hat, nicht völlig falsch sein kann.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

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