Rede Stefan Wenzel: Aktuelle Stunde - Letzte Ausfahrt Schloss Bellevue

Anrede,

den Medien konnten wir in den letzten Tagen entnehmen, dass Sie nur dann als Ministerpräsident zurücktreten wollen, wenn Sie die Wahl zum Bundespräsidenten gewinnen.

Herr McAllister wurde am Freitag letzter Woche von der CDU zum künftigen Ministerpräsidenten ausgerufen.

Drei Tage später reibt man sich die Augen. In der Rheinischen Post wird McAllister zum "Anwärter" zurückgestuft. Die Website des Ministerpräsidenten ist an diesem Montag recht einsilbig geworden. Die Formulierung (Zitat) "für den Fall einer erfolgreichen Wahl" wird jetzt zur Bedingung für die Karriereplanung des Anwärters.

Mir ist bei der ganzen Debatte nicht klar geworden, Herr Ministerpräsident Wulff, warum Sie nicht gleich die Beamtenlaufbahn eingeschlagen haben.

Anrede,

Man kann das Ganze amüsant finden, man kann es auch süffisant belächeln. Diese Ängstlichkeit, diese Unentschlossenheit, diese mangelnde Siegeszuversicht, die aus Ihren Worten und Taten spricht, Herr Wulff.

Man kann es aber auch deutlich härter kommentieren.

Der neue Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten hält es für (Zitat) "verfassungsrechtlich ausreichend" wenn Herr Wulff erst nach der möglichen Wahl zum Bundespräsidenten zurücktritt. Ausdrücklich will sich der Kandidat kein Beispiel an Altbundespräsident von Weizsäcker nehmen, der sein Amt als Bürgermeister von Berlin deutlich vor dem Zusammentritt der Bundesversammlung zur Verfügung stellte.

Anrede,

Herr Ministerpräsident Wulff, an ein künftiges Staatsoberhaupt stellen wir mehr als ausreichende Anforderungen im Umgang mit der Verfassung.

Das Feld ist übersichtlich. Es gibt keinen Grund die Verfassung zu strapazieren. Sie müssen sich nur entscheiden.

Treten Sie zurück.

Anrede,

damit wäre auch Klarheit für die landespolitischen Herausforderungen geschaffen. Sie hatten bereits für den Januar 2010 Orientierung für Niedersachsens Haushalt und Finanzen angekündigt. Aber der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Nun wollen Sie wieder keine Klarheit schaffen. Im Gegenteil: Die Entscheidung über den Haushaltsplanentwurf haben Sie auf den Spätsommer verschoben.

Wann wurde in dieser Legislatur eigentlich mal regiert?

Anrede,

vor Konsequenzen in der Bildungspolitik haben Sie sich bis heute gedrückt.

In der Atompolitik stehen Sie mit der Aufkündigung des Atomkonsenses für gesellschaftliche Spaltung in einer zentralen Zukunftsfrage.

Ihr Umweltminister ist ein Risiko ersten Ranges.

Anrede,

die Konservativen und die Gelben hier im Land sind längst zum Entwicklungshindernis in schwerer Zeit geworden.

Da taktiert eine Bundeskanzlerin monatelang in der Griechenlandfrage, lässt die Zweifel am Euro wachsen, merkt erst in letzter Sekunde wo der Hammer hängt und macht die NRW-Wahl zur teuersten Landtagswahl aller Zeiten.

Da empfiehlt ein Außenminister den Griechen die deutschen Sekundärtugenden als Weg aus der Krise, dass man vor Fremdschämen im Boden versinken möchte.

Da tritt ein ehemalige Finanzmanager, der Bundespräsident Koehler, mitten in der Eurokrise beleidigt zurück, obwohl er eigentlich jemand sein müsste, der die Mechanismen der Märkte erklären könnte.

Da kommt dann Herr Wulff und fühlt sich berufen, die Welt zu retten.

Da fragt man sich, vor wem eigentlich?

Und wer muss eigentlich gerettet werden?

Das Land oder die Partei?

Herrscht nicht längst Götterdämmerung, wenn die Wildsau mit der Gurkentruppe versucht den Haushalt zu sanieren.

Anrede,

In ZEIT Online erschien Samstag die Überschrift: "Wulffs Kür führt vom Chaos zum Stillstand". Ich will hier gar nicht mehr aufzählen, Sie haben das doch alle gelesen.

Was auffällt: Je weiter es weg geht von Niedersachsen, desto weniger versteht man in der Republik, warum ausgerechnet Sie Bundespräsident werden sollten.

Ich spare mir ausdrücklich die besonders gehässigen Beschreibungen.

Aber macht Sie das nicht stutzig? 

Auch den gemäßigten Beobachtern will partout nichts einfallen, was Sie zu diesem Amt qualifizieren könnte.

Ihnen selbst ist ja bislang auch noch keine qualifizierte Begründung dafür eingefallen, außer dass Sie irgendwas zusammenführen wollen.

"Zu den großen gesellschaftlichen Fragen hatte Wulff bisher so wenig zu sagen, wie die Berliner Koalition selbst", schreibt die ZEIT.

Das ist leider bitter – aber wahr.

Sie haben hier immer gern John F. Kennedy zitiert und von Ihrer Begeisterung für Nelson Mandela geschwärmt.

Träumen ist erlaubt.

Aber nichts für ungut, Herr Wulff. Das waren wirklich große Staatsmänner.

Ich glaube nicht, dass es denen eingefallen wäre, sich eigens Professoren zu mieten, der ihnen den Weg ins große Amt vordenken sollen.

Bleibt die Frage, mit welchen herausragenden politischen Qualitäten eine Präsidentschaft des bisherigen niedersächsischen Regierungschefs zu begründen wäre. Die einzige Antwort, die mir dafür spontan einfällt ist, die Tatsache, dass Herr Wulff nicht zum Rücktritt neigt.

Herr Wulff, Sie haben dem Landtag und der Bevölkerung in Niedersachsen eine Menge zu erklären! Und das hat heute und hier zu erfolgen.

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