Rede Stefan Wenzel: Aktuelle Stunde der CDU - Arbeit der SPD im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss – keine Beweise, keine Fakten, kein Stil?

Anrede,

am 30.05.2002 forderte der agrarpolitische Sprecher der FDP im Bundestag Ulrich Heinrich den Rücktritt der grünen Verbraucherschutzministerin Renate Künast, weil sie im Zusammenhang mit verseuchtem Tierfuttermittel  – wie Herr Heinrich es formulierte – seiner Meinung nach dem vorsorgenden Verbraucherschutz nicht gerecht geworden sei.

Am 09.07.2008 forderte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Horst Friedrich den Rücktritt von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wegen der Probleme bei der Förderung von Diesel-Rußfiltern und der Rücknahme der Biospritverordnung. Originalton Friedrich "Normalerweise gehört es zum politischen Anstand, dass ein Minister für diese Pleiten-, Pech- und Pannen-Orgie die Verantwortung übernimmt." Und weiter "Wenn ich überlege, weswegen Minister in Deutschland schon zurückgetreten sind, frage ich mich: Was muss eigentlich noch passieren?"

Am 16. November 2009 forderte der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bremer Senat Uwe Woltemath den Rücktritt des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer, SPD. Die Liberalen warfen Mäurer Ahnungslosigkeit und Führungsschwäche vor. Ihm und seiner Behörde seien bereits mehrere schwerwiegende Pannen unterlaufen.

Ich fasse zusammen: Die Gründe für diese FDP-Rücktrittsforderungen lauteten Ahnungslosigkeit, Führungsschwäche, Pleiten, Pech und Pannen und Versagen bei Vorsorge und Schutz der Bevölkerung.

Herr Minister Sander, können Sie uns mal erklären, warum Sie immer noch Minister sind?

Ahnungslosigkeit, Führungsschwäche, Pleiten, Pech und Pannen – das sind ja fast noch die harmlosesten Vorwürfe, die Sie sich als verantwortlicher Minister für die Atomaufsicht im Zusammenhang mit dem Asse-Skandal gefallen lassen müssen.

In der Asse gab es kriminelle Machenschaften, Rechtsbruch, Unfälle, Betrug, Vertuschung und Lügen.

Es gab und gibt radioaktiv verseuchte Laugen, geplatzte Atomfässer, Arsen, Plutonium, Pflanzenschutzmittel, Tierkadaver und Bundeswehrabfälle.

Das Atommülllager droht einzustützen.

Es gibt den Verdacht auf Krebserkrankungen bei Asse-Beschäftigten und die Sanierung dieses atomaren Drecklochs wird die Steuerzahler Milliardensummen kosten.

Und dann setzen Sie sich hier im Landtag hin, packen Ihr Schinkenbrot aus und erzählen dem Untersuchungsausschuss:

Mein Name ist Sander – ich weiß von nichts.

Seit 6 Jahren sind Sie der Chef der Atomaufsicht in Niedersachsen.

Aber Sie wollen von alledem nichts gewusst haben?

Ja, das Ministerium wusste Bescheid – aber der Minister nicht!

Mir sagt ja keiner was! Schuld haben immer die anderen!

Was für eine jämmerliche Ausrede.

Sie sind der erste Minister, der stolz darauf ist, dass er keine Ahnung hat.

Wissen Sie was: Ahnungslosigkeit und Führungsschwäche plus Feigheit – das ist eine gefährliche Mischung für einen Minister.

Das ist eine politische Moral, die zum Himmel stinkt.

Herr Minister Sander, Sie können den Journalisten soviel lustige Geschichten erzählen wie sie wollen - fest steht:

  • Sie haben seit sechs Jahren die Aufsicht. Und Sie haben diese Aufsicht nicht wahrgenommen
  • Spätestens im Jahr 2006 hatten vier Personen ihrer Atomaufsicht im Umweltministerium und die Verantwortlichen im Landesamt für Bergbau Kenntnis vom Abpumpen radioaktiv kontaminierter Laugen
  • das ihnen unterstellte Landesbergamt hat im März 2008 den rechtswidrigen Sonderbetriebsplan Nr. 18 erlassen.
  • sie haben eine Teilflutung der Asse zugelassen bevor überhaupt der Entwurf des Antrags auf Genehmigung vorlag
  • im Sommer 2007 waren sie durch Klagen und Strafanzeigen gewarnt, trotzdem haben Sie sich geweigert, ein atomrechtliches Verfahren zur Sicherung des Atomlagers Asse II durchzuführen
  • Sie haben nach dem Bekanntwerden des Skandals im Sommer 2008 mehrfach die Öffentlichkeit falsch informiert und mussten sich teilweise korrigieren
  • Ihr Ministerium hat über einen längeren Zeitraum öffentlich abgestritten, dass in der Asse auch Rückstände aus Kernbrennstoffen und Brennelementen eingelagert sind
  • obwohl Ihrem Ministerium Analysen von 2003 und 2004 zum chemisch-toxischen Inventar in der Asse vorlagen, gab es darüber keine Angaben im ersten Statusbericht ]
  • Ihr Ministerium behauptete in Bezug auf die Überschreitung von Grenzwerten bei Cäsium 137 erst im Juni 2008 Kenntnis erhalten zu haben; erste Zeugenaussagen im Ausschuss weisen darauf hin, dass Sie bereits Herbst 2007 Kenntnis davon hatten.

Anrede,

Herr Minister, gegenüber der Presse haben Sie am 4. Dezember erklärt (ich zitiere die HAZ), dass Sie zu Detailfragen im Asse-Skandal keine Antwort geben können und werden, weil sie als Minister "vor allem die politische Verantwortung für die Bearbeitung des Themas" haben.

Da frage ich Sie: Was ist das - die politische Verantwortung? Gehört es für einen Minister nicht dazu, für die Fehler, Versäumnisse und Verstöße im eigenen Haus gerade zu stehen?

Da zitiere ich doch gern noch einmal ihren Parteikollegen Friedrich (siehe oben): "Wenn ich überlege, weswegen Minister in Deutschland schon zurückgetreten sind, frage ich mich: Was muss eigentlich noch passieren?"

Aber weil die Entlassung eines Ministers die Schwächen einer Regierung eingesteht, glaubt der Herr Ministerpräsident, sich nicht erlauben zu können, sie zu entlassen. Ihr Ministeramt ist mittlerweile ein Zeichen für die Schwäche dieses Ministerpräsidenten. Seit Sie im Amt sind stolpern Sie von einem Fettnapf in den anderen.

Was Sie, Herr Sander, sich am 4. Dezember bei Ihrem ersten Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss erlaubt haben, war schon ein starkes Stück. Mit treuem Augenaufschlag haben Sie davon erzählt haben, dass Sie schon als Fünfjähriger bei Ihren Verwandtenbesuchen in der Gegend rund um die Asse als Atomkraftgegner aufgetreten sind.

So ein schmieriges Rührstück ist mir schon lang nicht mehr untergekommen.

Herr Sander, Sie waren und Sie werden vermutlich auch nie ein Atomkraftgegner.

Sie sind ein unbelehrbarer Atomlobbyist.

Sie sind der T-Shirt-Träger "Atomkraft Kerngesund".

Sie sind durch einen unglücklichen Zufall der Landespolitik Umweltminister geworden und das wird als verhängnisvoller Irrtum in die Geschichte eingehen.

Es gilt das gesprochene Wort

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