Rede Ralf Briese:Entwurf eines Niedersächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes

 

Anrede,

meine erste Frage in dieser Debatte lautet: hat sich das eigentlich alles gelohnt? Wir müssen noch einmal an den Ausgangspunkt dieses Gesetzes zurückkehren: zur Föderalismusreform I.

Gegen den gesamten Fachverstand von Justiz, Wissenschaft und Praktikern wurde ein gutes bundeseinheitliches Vollzugsgesetz an die Länder verkauft. Niemand, wirklich niemand aus der Vollzugspraxis hat das damals für gut befunden. Alle haben gewarnt und gemahnt, dass die Rechtseinheit der Bundesrepublik bei den Haftbedingungen nicht auseinander brechen darf. Aber es hat nichts geholfen – der Vollzug wurde gegen einhellige Meinung föderalisiert. 

Die ganze Absurdität dieses Projektes wurde dann sehr schnell deutlich, weil sich nicht weniger als 10 Bundesländer zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Gesetz auf den Weg zu bringen. Wirklich – das ist überzeugende Politik – wir weichen das Grundgesetz auf, um es auf Landesebene behelfsmäßig wieder zu verkleben.

Also – hat sich das Projekt Justizvollzugsgesetz an die Länder gelohnt? Haben wir hier heute ein Gesetz auf dem Tisch, das den Geist von Innovation und Aufbruch atmet? Haben wir substanzielle Neuerungen, die es wert waren dieses Großprojekt in Angriff zu nehmen?

Ich sage: Nein. Das Strafvollzugsgesetz ist in der Summe nicht besser geworden, sondern schlechter, härter, unverständlicher. Hier und da gibt es auch Positives zu vermelden – aber die Gesamtbilanz ist eindeutig negativ. Viel schwarze Pädagogik, wenig mutiger und moderner Aufbruch.

Fangen wir mit der Regelungstechnik an: die Verbindung aller Vollzugsarten in einem Gesetz – Erwachsenenhaft, Jugendhaft, U-Haft und Sicherungsverwahrung – hat in der breiten und wirklich gut besetzen Anhörung im Rechtsausschuss niemand – ich sage es noch einmal niemand - für sinnvoll und sachgerecht gehalten.

Herausgekommen ist ein schwieriges, komplexes und oftmals unverständliches Gesetz.

Meine Damen und Herren,

zum Inhalt dieses Gesetzes: Ich bin ja als abwägender und differenzierender Politiker in diesem Hause bekannt – und daher merke ich auch heute an: es hat sich einiges im Laufe der Beratungen verbessert. Das ist wieder mal unserem exellenten GBD zu verdanken – der zwar die Gesetze meist auch nicht verständlicher macht– aber immerhin verfassungskonform und rechtssicher. 

Der umstrittene Chancenvollzug ist deutlich entschärft. Hier herrscht nun das ganz normale pädagogische Grundprinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Gefangene, die mitarbeiten bekommen Vergünstigungen – und Gefangene, die sich renitent verweigern, bekommen diese nicht. So weit – so normal.

  • Eine klare Verschlechterung – eine wirklich repressive Kehre haben Sie aber bei der Zellenbelegung vollzogen. Sie wollen unbedingt die erleichterte Mehrfachzellenbelegung durchsetzen. Für einen resozialisierungsfreundlichen Vollzug ist das ein wirklicher Rückschritt!

Nach den Siegburger Vorfällen sollte eigentlich allen klar sein, wie gefährlich - ja mörderisch - sich die Mehrfachzellenbelegung auswirken kann. Ein Mensch wurde dort von Mitinsassen zu Tode gefoltert.

Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit für diese Vorschrift: die Überbelegung in  Niedersachsen ist weit gehend abgebaut – wir haben zwei neue moderne Anstalten. Aber offenkundig haben Sie wenig Vertrauen in Ihre eigene Präventions- und Kriminalpolitik, es muss befürchtet werden, dass die Knäste bald wieder überquellen.

Das Recht auf eine Einzelzelle war ein Fortschritt im Vollzug – hier und heute wird der Rückschritt vollzogen.

Hartherzigkeit auch bei den Paketen. Mutter, Frau oder Kindern dürfen keine Lebensmittelpakete mehr an ihre Angehörigen schicken – da merkt man den hohen Stellenwert der Familie bei den Konservativen.

Die Lockerungspraxis wird verschärft – auch hier merkt man den neuen falschen Geist des Gesetzes. Nicht die Rationalität und Humanität eines Gustav Radbruch, sondern Angst und Härte sind das Prinzip. 

Meine Damen und Herren,

es gibt auch kleine Lichtblicke in diesem Gesetz: die durchgehende Betreuung - von der Haft  über die Entlassungsvorbereitung bis hin zur Nachbetreuung - ist vernünftig. An dieser ganz entscheidenden Schnittstelle wird sich zeigen, ob sich die Haft in Niedersachsen verbessert. Vollzug, Bewährungshilfe, freie Straffälligenhilfe müssen zukünftig intensiver zusammenarbeiten, um  Rückfälle zu vermeiden.

Wenn das gelingt, wären wir tatsächlich einen bedeutenden Schritt weiter.

Meine Damen und Herren,

ein Wort noch zum Jugendvollzug: es wäre wahrlich sinnvoll gewesen, das in einem eigenständigen Gesetz zu regeln. Die Jugendlichen haben ein eigenes, verständliches Gesetz verdient! Es ist falsch, die Jugendhaft mal eben so nebenbei mit abzuhandeln. Und es ist ein Glück, dass das BverG Ihnen klare Vorgaben gemacht hat – sonst sähe es hier noch finsterer aus. Wir haben Ihnen einen guten Vorschlag vorgelegt. Er wäre für die Jugendlichen und für die Vollzugspraxis besser.

Meine Damen und Herren,

Frau Heister-Neumann und die Mehrheitsfraktionen werden sich an diesem Gesetz messen lassen müssen. Steigen die Vollzugszahlen und die Rückfälle von Straftätern in Niedersachsen, werden Sie sich dafür zu verantworten haben!

Unsere Zustimmung können Sie zu diesem Gesetz nicht erwarten
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