Rede Ralf Briese: Unterbringung besonders gefährlicher Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit (NUBG)

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Anrede,
die Argumente für und wider dieses Gesetz sind weitgehend ausgetauscht wir haben die SV mehrfach hier im Plenum behandelt, weil Strafverschärfung ein Lieblingsthema der CDU ist.
Ist Strafverschärfung eigentlich ein christlicher Grundwert? Im neuen Testament lese ich jedenfalls nichts davon. Obwohl der Bundestag in den letzten Jahren die Sicherheitsverwahrung mehrfach nachgebessert hat, reicht es Ihnen nicht. Sie brauchen ein äußerst fragwürdiges Landesgesetz.
Diejenigen, die sich für Opferschutz und Opferbelange einsetzen, lehnen Ihr Gesetz ab. Sie betreiben also Gesetzespaternalismus. Soviel Fürsorge würde man sich auch in anderen Bereichen wünschen. Die viel beschworene Sicherheitslücke besteht jedenfalls nicht in Niedersachsen - das merkt man ja schon daran, dass es Ihnen kaum gelungen ist die konkrete Notwendigkeit an Beispielen zu belegen. Statt immer wieder die Emotionen zu schüren und Angst zu verbreiten, sollten Sie zu den Grundsätzen einer rationalen und kühl abwägenden Kriminalpolitik zurückkehren. Die Vorstellung einer risikofreien Gesellschaft und die Entsorgung von Menschen mit Gefährlichkeitsprognose sind absurd, unredlich und in letzter Konsequenz zutiefst inhuman.
Absolute Sicherheit kann es in einer freien und offenen Gesellschaft niemals geben – man findet sie höchstens im totalitären Staat.
In der Sozialpolitik fordern sie mehr Risiken – mehr Eigenvorsorge – weniger Staat.
Im Gegensatz dazu steht die Forderung nach dem mächtigen, repressiven und omnipräsenten Staat, der jedes Verbrechen präventiv verhindert. Mehr Polizei – mehr Verfassungsschutz – mehr verdachtsunabhängige Kontrollen – und jetzt sogar ein absolut fragwürdiges Gesetz, bei dem die Law and Order Partei CDU mal wieder ihre Probleme mit dem Grundgesetz und den Grundrechten offenbart. In Niedersachsen findet kein Abbau staatlicher Aufgaben statt sondern eine Verschiebung: Abbau im Sozial- und im Hochschulbereich sowie massives Aufrüsten bei der inneren Sicherheit.
Ich werde die schwerwiegenden juristischen Einwände gegen das Gesetz wie Rückwirkungsverbot – Verbot der Doppelbestrafung, konkurrierende Gesetzgebung und europäische Menschenrechtskonvention nicht noch einmal im Einzelnen darlegen - gegen diese Einwände sind Sie ja resistent.
Der Streit wird ja demnächst vom BVerfG entschieden – die Verhandlung war in den letzten Tagen. Es sind dort neben den juristischen Argumenten noch einmal schwerwiegende verfahrensrechtliche Argumente geltend gemacht worden: Die führenden Sachverständigen in diesem Thema gehen davon aus, dass bis zu 66 % der Sicherheitsverwahrten aufgrund von falschen Prognosen einsitzen. Ein Gutachter ging sogar von einer noch viel schlechteren Quote aus: bei 10 Einsitzenden, wären bis zu 9 zu unrecht eingesperrt. Ein Psychiatrieprofessor mahnte an, dass schlechte Gutachten – und das sind leider die meisten – kaum eine bessere Trefferquote haben als de Zufall - es kann also vom Zufall abhängen, ob sie lebenslänglich bekommen oder nicht
Es geht bei der nachträglichen Sicherheitsverwahrung noch um etwas anderes: es geht um die Zukunft des Schuldprinzips und damit um das Strafrecht überhaupt.
Wenn Ihren Wegsperr-Gesetzen keine Grenzen gesetzt werden, dann wird Strafrecht von einem uferlosen Recht der inneren Sicherheit abgelöst werden, das nicht mehr Täter, sondern nur noch Risikofaktoren kennt. Ein von Misstrauen gekennzeichnetes Menschenbild steckt hinter dieser Ideologie. Der Mensch mutiert zum Sicherheitsrisiko. Bezeichnenderweise ist die Sicherungsverwahrung ist eine Erfindung von 1933 – man nannte sie auch Vorbeugehaft – man könnte sie auch mit Präventionshaft übersetzen.
Anrede
mit dem Begriff der Prävention wird mittlerweile viel Schindluder getrieben: er wird von innenpolitischen Hardlinern umdefiniert. Die eigentliche Bedeutung ist, einer negativen Entwicklung vorzubeugen - allerdings ohne dabei die Rechte unbeteiligter oder unschuldiger Menschen einzuschränken. Davon kann allerdings keine Rede mehr sein.
Die präventive Telefonüberwachung ohne konkreten Verdacht soll kommen und wird viele unschuldige Menschen aushorchen. Bei der Sicherungsverwahrung handelt es sich um präventives Einsperren, und damit werden möglicherweise auch die Falschen eingesperrt.
Manche Nationen führen bereits Präventivkriege und haben damit dem internationalen Recht großen Schaden zugefügt. Der präventive Sicherheitsstaat ist eine abschreckende Vision: Einsperren auf Verdacht – Abhören auf Verdacht – Durchrastern auf Verdacht. Der präventive Überwachungsstaat hat jedoch rein gar nichts mit den angeblichen Kernaufgaben eines Staates zu tun. Ich finde davon jedenfalls nichts in der Niedersächsischen Verfassung: da steht in Artikel 1 "Niedersachsen ist ein freiheitlicher, republikanischer, demokratischer, sozialer und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtender Rechtsstaat". Von innerer Sicherheit und Präventionsstaat steht da nichts. Konservative haben nicht das Interpretationsmonopol was die angeblichen Kernaufgaben des Landes angeht.
Mancher Fraktionschef sollte daher lieber mal einen Blick in die Verfassung werfen, statt ständig Horoskope in der Bildzeitung zu lesen.

es gilt das gesprochene Wort

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