Rede Ralf Briese: Integration – Prävention – Repression: Jugendkriminalität wirksam verhindern

Herr Präsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

dieser Antrag enthält einige wenige richtige Feststellungen und Forderungen, die wir unterstützen können. Er enthält viele überflüssige Banalitäten und leider enthält er einen hohen Anteil von fachlich vollkommen falschen rechts- und innenpolitischen Punkten.

Ich hatte wirklich gedacht, dass Sie aus dem Debakel von Roland Koch in Hessen ein wenig gelernt haben. Koch hat mit seinen billigen wie falschen Forderungen nach Verschärfung des Jugendstrafrechts Schiffbruch erlitten und er hat der Integrationsdebatte in Deutschland großen Schaden zugefügt.

Die drei konservativen Kernforderungen in der Debatte Jugendstrafrecht werden wirklich von allen Fachverbänden und Sachverständigen unisono abgelehnt. Ich verstehe nicht, warum Sie diesen Unsinn immer wieder neu auftischen.

Wir brauchen keinen Warnschussarrest! Das Instrumentarium des Jugendstrafrechtes ist schon heute sehr ausdifferenziert und durchdacht. Es besteht eine Vielzahl an Sanktionsmöglichkeiten und diese können sogar miteinander kombiniert werden. Fragen Sie bitte noch einmal Jugendrichterverbände, Vollzugspraktiker und Strafrechtler: Die weisen Ihre Forderung mit vielen Gründen zurück. Genauso wie der Deutsche Anwaltsverein – und sie sind doch Anwalt Herr Busemann! Der deutsche Juristentag und die einschlägige DVJJ sowieso.

Wenn Sie im Bereich Jugendstrafrecht wirklich etwas verbessern wollen, dann erfüllen Sie diese drei Forderungen:

  1. Statten Sie die Gerichte mit ausreichend Staatsanwälten und Jugendrichtern aus. Das ist das Wesentliche, damit die Strafe schnell und kompetent vollzogen werden kann. Ich verstehe nicht, was diese ständige Forderung nach Anwendung des Erwachsenenstrafrechts für die 18-21jährigen soll. Der Jugendrichter hat hier die Entscheidung. Er kann Kraft seiner Kompetenz und seines Eindruckes entscheiden, welches Recht er anwendet. Sie zeigen mit Ihrer Forderung ein ausgeprägtes Misstrauen den Jugendrichtern gegenüber, die sie ja sogar selbst ausgewählt haben. Im Übrigen zeigt diese Forderung nur eines: Sie haben bis heute das Jugendstrafrecht nicht verstanden. Viele Untersuchungen zeigen: Es ist weder weicher und schon gar nicht unwirksamer, als das Erwachsenenstrafrecht.
  2. Bauen Sie flächendeckend die ambulanten Maßnahmen aus und zwar mit Qualitätsstandards. Wir haben in Niedersachsen gute und wirksame Programme und Projekte gegen Jugendkriminalität, aber diese stagnieren seit 5 Jahren oder werden sogar eingestellt. Im Bereich des sehr wirksamen Täter-Opfer-Ausgleichs hat Frau Heister-Neumann so gut wie nichts gemacht in den letzten 5 Jahren. Dieser Bereich muss endlich deutlich ausgebaut werden.
  3. Und wir brauchen in Niedersachsen ein eigenes – vom Erwachsenenvollzug vollkommen getrenntes –  Jugendvollzugsgesetz. Es ist und bleibt falsch Jugend- und Erwachsenenvollzug in einem Gesetz zu verkleistern. Ein modernes, aufgeklärtes Jugendvollzugsgesetz wäre ein Gewinn für das Land.

Meine Damen und Herren: Sie stellen die Forderung nach Schülergerichten auf. Hierüber müssen wir intensiv diskutieren. Bis jetzt hat meines Wissens nur Bayern dieses Instrument. In den vergangenen fünf Jahren war die LR gegenüber Schülergerichten eher reserviert. Und die rechtspolitische Evaluationsforschung kommt hier zu sehr ambivalenten Ergebnissen. Ich finde, wir sollten über dieses Instrument offen reden. Entscheidend ist, dass es wirkt und funktioniert.

Zu den Forderungen nach Ausbau des Integrationsplanes:

In diesem Bereich gibt es Licht und leider auch viel Schatten bei der Landesregierung. Ein echter Erkenntnisfortschritt ist es, dass die Notwendigkeit nach einer aktiven und konzeptionellen Integrationspolitik endlich anerkannt wird.

Die beste und wirksamste Integrationspolitik ist und bleibt eine integrative Bildungspolitik. Es ist und bleibt falsch Schülerinnen und Schüler auszusortieren. Dieser Streit wurde und wird weiterhin hier viel geführt werden. Der große Vorteil einer gemeinsamen Schule bleibt neben den pädagogischen Erfolgen die integrative Wirkung eines solchen Modells.

Neben einer anderen Bildungspolitik brauchen wir die strategische Öffnung des Öffentlichen Dienstes für Menschen mit Migrationshintergrund. Und da darf es nicht nur appellativ bleiben, sondern es muss ein langfristig angelegtes Konzept geben, damit wir viel mehr türkisch sprechende Polizisten, zwei oder dreisprachige Lehrerinnen und auch mal eine Kopftuch tragende Richterin haben. All das fehlt noch im Integrationsland Niedersachsen.

Eigentlich überflüssig zu sagen – leider aber dringend geboten: Die Flüchtlingspolitik muss menschlicher werden in diesem Land. Kinder, die hier geboren sind, gehören nicht abgeschoben!

Und wenn wir eine echte und gelingende Integrationspolitik wollen – wenn wir Kulturkonflikte vermeiden wollen – dann müssen wir auch das Staatsbürgerschaftsrecht noch einmal reformieren. Jeder, der etwas Empathie und Mitgefühl hat, kann die kulturelle Zerrissenheit von Migranten verstehen.  

Nicht verstehen kann ich die Verweigerung von Konservativen nach doppelter Staatsbürgerschaft.

Und abschließend, meine Damen und Herren,  

es ist selbstverständlich, dass eingewanderte Menschen – egal ob freiwillig oder auf der Flucht – unsere Grund- und Rechtsordnung einhalten müssen. Das ist eine absolute Selbstverständlichkeit. Jeder Mensch hat sich an das geltende Recht zu halten. Mich irritiert daher immer wieder, dass vor allen Dingen die Innenminister von Bund und Ländern gerne und oft diese eigentlich absolut selbstverständliche Forderung aufstellen.

Und gleichzeitig in wirklich skandalöser Weise immer wieder die Verfassung missachten und überschreiten und dann vom Bundesverfassungsgericht eins auf die Löffel bekommen. Wirklich – es ist doch unglaublich wie oft Schäuble, Schünemann und andere in den letzten Jahren das Grundgesetz missachtet haben (bspw. Rasterfahndung, großer Lauschangriff, niedersächsisches NSOG, Onlinedurchsuchung in NRW FDP Innenminister!).

Vielleicht sollten wir doch noch mal über den Warnschussarrest nachdenken: Aber nicht für jugendliche Ladendiebe, sondern für Verfassungsbruch durch amtierende Innenminister.   

Zurück zum Pressearchiv