Rede Ralf Briese: Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung besonders gefährlicher Personen

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Anrede,
heute wird von den Koalitionsfraktionen ein Gesetz eingebracht, das
rechtsstaatlich und rechtspolitisch fragwürdig, im Vollzug kontraproduktiv und von der Mehrheit der Fachverbände abgeleht wird.
Selbst die Interessensverbände der Opfer lehnen Ihr Gesetz ab.
Der Weiße Ring –ein wichtiger und professioneller Opferschutzverband und nicht eben zurückhaltend, wenn es um Gesetzesverschärfung geht - hat das Gesetz als überzogenen Opferschutz bezeichnet und abgelehnt.
Die Anwaltsvereine lehnen es aus vielerlei juristischen Gründen ab u.a. wegen Artikel 5 der EMRK, Artikel 103 GG (Verbot der Doppelbestrafung) und dem Rückwirkungsverbot und der Verhältnismäßigkeit .
Die Richterverbände halten das Gesetz für wenig zielführend und nicht verfassungsgemäß
Anrede,
wir diskutieren ein Gesetz im rechtsstaatlichen Grenzbereich das bereits im Vorfeld massive Kritik erfährt. Wir sollten nicht vergessen, dass es sich bei der Sicherheitsverwahrung um die einschneidenste und umstrittenste Maßregel im Strafrecht handelt – die nur als ultima Ratio angeordnet wird.
Aber das Sexualstrafrecht eignet sich nach Ansicht der CDU für Angstkampagnen und symbolische Gesetzgebung: Obwohl sich die Sexualstraftaten seit den 70er Jahren stetig reduziert haben –und obwohl die Sicherungsverwahrung in den letzen 5 Jahren bereits zweimal verschärft wurde, werden die Konservativen nicht müde, weitere Verschärfungen zu fordern, wohl wissend dass ständige Gesetzesverschärfungen keineswegs immer mehr Sicherheit bringen. Dafür gibt es eindeutige empirische Belege.
Es wird immer wieder argumentiert, dass ein Gesetz wenn es auch nur ein Menschenleben rettet, seinen Zweck erfüllt habe.
Das ist eine ganz perfide und unredliche Argumentation. Ein Gesetz damit zu legitimieren, dass es möglicherweise ein Menschenleben retten, aber dafür verfassungsrechtliche Grundsätze in Frage stellt, ist eine mehr als zweifelhafte Angelegenheit. Damit lässt sich beinahe jede Gesetzesverschärfung begründen – das ist dann der fließende Übergang vom Rechtsstaat zum Unrechtsstaat.
Anrede,
Das Gesetz über die Unterbringung besonders gefährlicher Personen ist Symbolik, sagt der Weisse Ring.
Das Land wird damit nicht sicherer, aber Niedersachsen blamiert sich wahrscheinlich vor dem Bundesverfassgericht.
Ich will die wichtigsten Argumente gegen das Gesetz nennen:
Erstens: Prognosen über zukünftiges Verhalten von Menschen sind eine ganz ambivalente und zweifelhafte Angelegenheit, denn der Mensch ist keine Maschine.
Wer will verantworten, dass jemand zu Unrecht aufgrund einer falschen und Verdachtsprognose den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringt? Und zwar nachdem er seine eigentliche Strafe abgesessen hat.
Zweifelhaft bleibt zweitens auch, ob das Land die Kompetenz für ein solches Gesetz hat. Vieles spricht dafür, dass das Bundesverfassungsgericht es gleich aus mehreren Gründen zurückweist, weil es zum Beispiel ein Verbot der Doppelbestrafung und ein Rückwirkungsverbot gibt.
Drittens gibt es in Niedersachsen für das Gesetz keinen Bedarf!
Es gibt in den Justizvollzugsanstalten keinen Fall für den wir ein entsprechendes Gesetz brauchen.
Die angeblichen großen Entbürokratisierer und Gesetzesentrümpeler machen ein vollkommen überflüssiges und zudem rechtspolitisch fragwürdiges Gesetz.
Mister Mac Allister will denjenigen ein Bier ausgeben, die ihm überflüssige Verordnungen nennen. Ich gebe Ihnen jetzt einen solchen Tip: lassen Sie dieses Gesetz fallen. Diesen Rat gebe ich Ihnen sogar kostenlos!
Viertens ist zweifelhaft, ob das Gesetz die intendierte Wirkung erzielt und mehr Sicherheit bringt. Es zielt auf resozialisierungsresistente Kapitalverbrecher ab. Gerade von Sexualstraftätern weiss man jedoch, dass sie im Vollzug oft lammfromm und angepasst sind. Gerade die Angepassten werden von dem Gesetz nicht erfasst . Stattdessen werden Täter ohne Perspektive auf Entlassung demoralisiert und frustriert und dadurch vielleicht gerade erst gefährlich.
Mit ihrem Gesetz werden Sie unter Umständen die genau falschen weiter einbuchten – vielleicht sogar lebenslänglich allein aufgrund einer fragwürdigen Prognose. Ich hoffe, dass Ihnen das klar ist. Sie wollen Menschen vielleicht für immer auf Verdacht wegsperren.
Ich möchte noch was zum Staatsverständnis des bürgerlich-konservativen Lagers sagen:
Die Regierungsparteien werden nicht müde landauf landab zu predigen – wir brauchen weniger Staat und mehr Eigenverantwortung. Der Staat kann nicht jedes individuelle Risiko abfedern. In der dynamischen und globalisierten Welt muss jeder mehr Verantwortung übernehmen.
Ich stimme dem sogar zumindest bedingt zu – obwohl ich weiss, dass so etwas vielen Angst macht. Angst, es vielleicht nicht zu schaffen – nicht gut genug zu sein – nicht mehr mitzukommen und durch den Rost zu fallen – es gibt genug Studien , die das belegen. Gefühle von Überforderung und Depressionen steigen rapide in unserer Gesellschaft.
Aber den Rückzug des Staates fordern Sie allein im Bereich des Sozialen.
Ganz konträr dazu steht die Forderung nach dem mächtigen, repressiven und omipräsenten Staat, der jedes Verbrechen präventiv verhindert. Mehr Polizei – mehr Verfassungsschutz – mehr verdachtsunabhängige Kontrollen – und jetzt sogar ein absolut fragwürdiges Gesetz, bei dem die Law and Order Partei CDU mal wieder ihre Probleme mit dem Grundgesetz und den Grundrechten offenbart. Ein allumfassender Sicherheitsstaat bringt aber keine risikofreudigen Bürger bzw. Wirtschaftssubjekte hervor – er wirkt lähmend, er erstickt die Freiheit und er zerstört das Vertrauen der Bürger in rechtsstaatliche Garantien.

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