Rede Ralf Briese: Entwurf eines Gesetzes über den Schutz vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen

Anrede,

der Deutsche Bundestag hat fast 10 Jahre über den Sinn, Zweck und die Ausformulierung eines Gendiagnostikgesetzes diskutiert – daran lässt sich erkennen, wir kompliziert dieses Thema ist. Die Genomforschung hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht: Immer mehr Gene können funktional zugeordnet werden und immer mehr Krankheiten genetisch erklärt werden.

Dieses Wissen kann einerseits sehr hilfreich sein und bedingt andererseits auch hohes Missbrauchs- und Diskriminierungspotential. Menschen können damit auf ihre Erbanlagen reduziert werden. Das wäre eine neue moderne Form von Rassismus und Eugenik und das will definitiv niemand. Und zum Glück steht da auch die Verfassung vor.  

Das Gendiagnostikgesetz behandelt ethisch anspruchsvolle Fragen, wie, wer und wann, zu welchen Zwecken genetisches Material untersuchen darf – was mit den Untersuchungen geschehen muss und wie die genetischen Informationen verwertet werden dürfen.  Das neue genetische Wissen weckt auf jeden Fall Interesse und Begehrlichkeiten. Manche Leute zeigen ein gesteigertes Interesse an Abstammungsfragen, sei es ein Unterhaltspflichtiger, sei es eine Passbehörde. Manche Forschungseinrichtungen wollen gerne intensiver an bekannten Genomen forschen. Und mancher Arbeitgeber und manche Versicherung möchte gerne wissen, wen er da mit welchen Krankheitsrisiken einstellt oder versichert. Ich komme damit auf den Kern unseres Gesetzentwurfes: Insbesondere genetische Krankheitsdispositionen sind von großem Interesse und wecken große Begehrlichkeiten.

Die Gendiagnostikdebatte hat an politischer Schubkraft gewonnen, als eine Bewerberin für eine Beamtenstelle eines Bundeslandes sich weigerte einen Gentest durchzuführen! Das Bundesland Hessen wollte die Frau, deren Vater an der Krankheit Chorea Huntington leidet, nicht ohne genetische Untersuchung einstellen. Die Frau klagte vor dem Verwaltungsgericht und argumentierte u. a., dass auch Krebs und Herzinfarkte erheblich erblichen Dispositionen unterliegen und daher dann konsequent alle Bewerber für eine Beamtenstelle genetisch voruntersucht werden müssten. Die Frau hat den Rechtsstreit gewonnen. Das Gericht hat den Diskriminierungsschutz höher eingestuft, als das Recht des Arbeitsgebers auf Gesundheitsdaten.  

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht, dass zukünftig Bewerberinnen und Bewerber für eine öffentliche Stelle in Niedersachsen genetisch gescannt werden und wir damit moderne genetische Auslese betreiben. Natürlich hat der Arbeitgeber das Recht, die körperliche Geeignetheit eines Bewerbers zu untersuchen – das machen wir bei Polizisten genauso wie bei Lehrern. Aber der Arbeitgeber oder Dienstherr darf nicht aufgrund von genetischen Wahrscheinlichkeiten Bewerber aussieben und damit Berufs- und Lebenschancen nehmen. Jemand, der einmal aufgrund einer genetischen Disposition abgelehnt wurde, kann eigentlich einpacken und direkt zum Sozialamt gehen.

Das Bundesgesetz regelt zwar das Verbot und in wenigen Ausnahmen die Zulässigkeit von Gentests für den Arbeitgeber – und zwar vor allen Dingen zu Zwecken des Arbeitsschutzes – aber es gilt nicht für Landesbedienstete oder Kommunalbeamte. Die Länder haben die Zuständigkeit für ihre Landesbeamten und Richter und die unterstellten Kommunen und allgemeinen Körperschaften  – und daher wollen wir, dass die entsprechenden Absätze des Gendiagnostikgesetzes durch unser Gesetz in Landesrecht überführt werden.

Da im Bundestag allgemeine Zustimmung zu dem Gesetz bestand – und es unterschiedliche Bewertungen eher bzgl. Gentests und Versicherungswirtschaft, oder Gentests bei Zuzug von Verwandten aus dem Ausland gab – es aber im Bereich des Arbeitsschutzes fast Konsens gab, hoffe ich auf breite Zustimmung zu unserem Gesetz.

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