Rede Ralf Briese: Die niedersächsische Justiz nicht länger vernachlässigen!

Anrede,

Gelegenheit mal eine Generaldebatte zur niedersächsischen Rechtspolitik zu führen. In der allgemeinen Haushaltsdebatte geht sie unter – generell spielt  ja die Rechtspolitik eine viel zu unwichtige Rolle – das hat sie nicht verdient. 

Ich glaube man kann mit gutem Gewissen behaupten, – quasi gemeinsam mir allen Recht und billig Denkenden – dass Sie in weiten Teilen mit ihren rechtspolitischen Projekten gescheitert sind. Die lauthals angekündigte Justizreform ist vom Tisch. Das merkt man übrigens allein schon daran, – sehr geehrte Frau Ministerin – dass die Justizreform in der Pressemitteilung, die Sie kürzlich nach dem Treffen mit Ihren konservativen Kollegen herausgegeben haben, unter ferner liefen auftaucht. Man muss lange suchen, um die Justizreform noch zu finden. Dieses Projekt war eine einzige Sparorgie zu Lasten von Rechtssuchenden, Richtern und nicht zuletzt dem Recht.

Das wirklich Ärgerliche in der niedersächsischen Justizpolitik im Lande Niedersachsen seit dem Jahr 2003 ist, dass es keine offensive und engagierte Verteidigerin im klassischen Sinne dieses Wortes mehr gibt. Sondern, dass Sie die niedersächsische Justiz im Regen stehen lassen und sich an ihr abarbeiten.

Sie kämpfen nicht für ihr Ressort – Frau Heister-Neumann – Sie verteidigen es nicht vor den Begehrlichkeiten des Finanzministers, sondern Sie sind willige Vollzugsgehilfin des Finanzministers. Daher passt es auch, wenn sie sich in Gefängnisuniformen ablichten lassen.

Jede Ressortministerin verteidigt ihr Ministerium und streitet mit dem Finanzminister über die Mittel, aber Sie haben den Justizhaushalt von Anfang an als Steinbruch angesehen und wollten der Justiz wichtige

Kompetenzen wegnehmen. Für die Bürger wäre es dadurch nicht billiger geworden wenn man Handelsregister verlagert oder Gerichtsvollzieher privatisiert; im Gegenteil. Aber das verschweigen Sie gerne den Menschen und nennen als einzigen Grund die Haushaltsentlastung.

Und was ich mindestens genauso ärgerlich und politisch schwach finde, ist Ihre Rolle als Hüterin des Rechtes und der Verfassung.

In jedem politisch austarierten Kabinett sind Innenminister und Justizministerin quasi Gegenspieler. Der Innenminister soll für Sicherheit sorgen; die Justizministerin soll das Recht, die Verfassung und die Bürgerrechte schützen. Es gab und gibt harte Kämpfe in der Bundesrepublik zwischen den Sicherheitsfanatikern im Innenbereich und den Verteidigern der Rechte. Egal ob Leutheuser-Schnarrenberger gegen Kanther, oder Schily gegen Zypries und auch Heidi Merk hat sich immer gegen einen Glogowski gewehrt. Aber was machen Sie eigentlich? Sie nicken jeden noch so fragwürdigen Eingriff in die Privatsphäre und die Grundrechte einfach ab.   

Das verfassungswidrige Polizeigesetz haben sie in den Beratungen unterstützt, sie haben selbst ein verfassungswidriges Sicherheitsgesetz auf den Weg gebracht, keinen Mucks hat man von Ihnen gehört in der Frage um das Mediengesetz oder des Rundfunkstaatsvertrag.

Und auch heute mucken Sie nicht ein einziges Mal auf, wenn Innenminister Schünemann mal wieder in die Freiheitsrechte der Menschen eingreifen will. Aber es wäre Ihre Aufgabe hier das Recht zu schützen! Machen sie doch ein einziges Mal eine kritische Anmerkung zu diesen hysterischen Sicherheitsfantasien! Aber nein – Sie finden wahrscheinlich Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchungen oder präventive Lauschattacken auch gut und richtig, weil Sie Ihre Angst auch auf dem Altar der Freiheit opfern.

Und sie haben auch kein Problem damit, dass die niedersächsische Polizei Hunderte von neuen Stellen bekommt und damit die Fallzahlen an den Gerichten deutlich steigen, aber die Amts- und Staatsanwälte in Arbeit ertrinken. Sie hängen am Rockzipfel des Innenministers.

Und das muss man Ihnen und Ihrer ganzen Kriminalpolitik vorwerfen:

Dümmliche und unwissenschaftliche Forderungen nach Warnschussarresten, aber keine vernünftige personelle Ausstattung an den Gerichten. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir ständig am Eingriffsinstrumentarium rumwerkeln, es aus Überlastung aber gar nicht umsetzen können.

Die niedersächsische Justizpolitik ist auf den Hund gekommen unter ihrer Ägide.

Die Gerichte stöhnen und müssen immer mehr Hilfskammern einrichten; gefährliche Straftäter müssen aus der U-Haft entlassen werden; es gibt Rügen vom BverfG. Was hätten Sie hier umgekehrt für ein populistisches Gewese veranstaltet, wenn das unter umgekehrten Machtverhältnissen der Fall gewesen wäre.  

Die Nummer der SPD, den tragischen Vorfall in Melle mit Überlastung in Verbindung zu bringen, finde ich übrigens genauso unredlich. Gerade dieses billige Ausschlachten von Versagen macht die Kriminalpolitik immer irrrationaler. Dabei ist hier kühler Verstand und rationales Abwägen gefragt. 

Niedersachsen hat eine bessere Rechtspolitik verdient.

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