Rede Miriam Staudte zur Regierungserklärung zum Standortauswahlgesetz und Endlagersuche

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, meine Damen und Herren Abgeordnete!

Sie sind sicher gespannt: Was sagt die Abgeordnete für den Wahlkreis Lüchow-Dannenberg zu dieser Novelle des Standortauswahlgesetzes?

Auch wenn das für den Spannungsbogen jetzt schlecht ist:

Ich kann es vorweg nehmen: Ich habe SEHR viel Kritik an diesem Gesetz und das werde ich ihnen auch noch erläutern. Ich habe SEHR viel Kritik am Gesetz, ich habe allerdings KEINE, aber auch gar KEINE Kritik an der Arbeit dieses Umweltministers, der in aufreibender Arbeit, zwei Jahre lang in der Endlagerkommission und in ihren Arbeitsgruppen, in Wochenend-Foren und Tagungen getan und gemacht hat, damit dieses Gesetz einen Deut besser wird. Und das mit Persönlichem Engagement und großer Glaubwürdigkeit.

Und da sollten Sie sich schämen, Herr Bäumer, dass sie, der sie einer Partei angehören, die uns den ganzen Müll eingebrockt hat, hier nichts als Polemik abliefern.

(Reaktion auf Rede Bäumers davor)

Alles, was am Standortauswahlgesetz gut ist, haben wir Stefan Wenzel und seinen wenigen Mitstreitern zu verdanken, alles was schlecht ist, hat eine Phalanx von anderen Bundesländer- unabhängig von politischen Farbkonstellationen- in dieses Gesetz hineingedrückt.

Zur Gesamtbilanz:

Ja, alles vor dem Standortauswahlgesetz war eine Sackgasse, die nur einen Endpunkte kannte: Gorleben.

Jetzt gibt es quasi eine Sackgasse mit der Ausfahrt Gorleben und das Versprechen, dass diese Straße nun noch eine weitere Ausfahrt bekommen soll. Ob diese Ausfahrt genauso gut asphaltiert werden wird wie die Ausfahrt Gorleben ist fraglich, Vielleicht wird es eher ein Schotterweg.  Also ob die Erkundungstiefe die Gleiche ist, wurde im Gesetz nicht geregelt.

Warum sage ich EINE Ausfahrt? Weil keine Mindestanzahl an untertägig zu erkundenden Standorten vorgeschrieben ist. Es wird zwar von „mindestens zwei Standorten“ gesprochen, die verglichen werden sollen, aber machen wir uns doch nichts vor: wenn irgendwo Bohrtürme aufgestellt werden sollen, um einen Schacht für untertägige Erkundung zu errichten, dann wird der Bundestag, der die einzelnen Teilbeschlüsse ja künftig fällen soll, aber ganz schnell sagen „weniger ist mehr“. Die Tatsache, dass der Bund künftig für Endlagerung finanziell verantwortlich sein soll, macht die Sache auch nicht unbedingt besser.

Je mehr Standorte erkundet werden, umso teurer für den Staat. MdB Michael Fuchs von der CDU hat ja auch schon davon gesprochen, dass „Bohrlochtourismus“ aus finanziellen Gründen zu unterbleiben habe, dann könne man mit der Übernahme der Atomrückstellungen sogar noch Geld verdienen.

Faktisch bleibt also Gorleben ein Referenzstandort, da ist es auch egal, wenn in Paragraph 36 deklaratorisch das Gegenteil geschrieben steht.

Das Standardargument – Herr Bäumer und Herr Hocker haben das ja auch gerade angesprochen- zu der Frage

„Suche mit oder ohne Gorleben?“ ist ja:

Wenn ihr so sicher seid, dass Gorleben geologisch nicht geeignet ist, warum vertraut ihr dann nicht darauf, dass der Standort im Laufe des Verfahrens ausscheiden wird?

Das kann ich ganz leicht erklären: Die jetzigen Kriterien, die ja in der Kommission durchaus unter Mitwirkung von Wissenschaftlern erarbeitet wurden, diese Kriterien sind trotzdem nicht rein wissenschaftlich, sie fußen auf einem politischen Kompromiss.

Der Kompromiss lautete: Wir starten die Suche neu, aber Gorleben muss in die Endlagersuche einbezogen sein.

Folglich mussten auch die Kriterien gewährleisten, dass Gorleben nicht sofort rausfliegt.

Ein Beispiel: Als die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) 1995 eine vergleichende Studie zu Salzstöcken und Endlagertauglichkeit machte,

hat sie bewusst keine Salzstöcke verglichen,

die einen so genannten „Einbruchsee“ haben,

wo also die Erdoberfläche aufgrund von unterirdischen Prozessen und Ablaugungen eingebrochen ist und ein See entstanden ist.

Eine kluge Überlegung, denn wer will schon einen Salzstock mit unterirdischen Prozessen, Auslaugungen und Wegsamkeiten für Radioaktivität bis hinauf an die Biosphäre?

Dieser Punkt wurde auch auf einem der vielen Bürgerforen die die Endlagerkommission veranstaltet hat, vorgetragen,

ein Bürger hatte eine Präsentation vorbereitet und keiner im Workshop hatte ihm widersprochen. Aufgenommen wurde der Punkt dennoch nicht, denn dann wäre der Salzstock Gorleben mit dem Rudower See, einem Einbruchsee ja gleich ausgeschieden. Und so lässt sich das fortsetzen.

Ein durchgängiges Deckgebirge ist keine notwendige Mindestanforderung geworden, sondern ein nicht verpflichtendes Abwägungskriterium. 

Ich halte es auch für falsch, dass das Vergleichsverfahren nicht vorsieht, dass Salz-, Ton- und Granitstandorte zunächst untereinander vergleichen werden. Also Salz mit Salz , Ton mit Ton, und dann der beste Salz- mit dem besten Ton- und dem besten Granitstandort verglichen wird, sondern dass wir von Anfang an Quervergleiche haben. Äpfel mit Birnen vergleichen- das macht die Nachvollziehbarkeit für Entscheidungen nicht gerade einfacher. Auch dieser Punkt wurde vorgetragen, fand Zustimmung im Workshop, aber in der Kommission gab es kein Interesse ihn umzusetzen.

Wegen diesen Dynamiken – der Anpassung der Kriterien an den Standort- spricht Greenpeace auch von einem durch Gorleben kontaminierten Verfahren.

Das Stichwort „Nachvollziehbarkeit“ führt unweigerlich zu der Frage „Rechtsschutz“. Zunächst war nur an einer Stelle im Gesetz die Überprüfung der Entscheidungen durch ein Gericht vorgesehen. Nun haben wir zwar bei der ersten, weichenstellenden Entscheidung, bei der Frage, welche Regionen für die obertägige Erkundung ausgewählt werden, keine rechtliche Überprüfbarkeit. Wohl aber bei den anderen Bundestagsentscheidungen, einmal bei der Frage, welche Standorte untertägig erkundet werden und bei der endgültigen Standortbenennung. Auch ein Verdienst Niedersachsens.

Dass diese Klagen aufschiebende Wirkung für die Bundestagsbeschlüsse haben sollen, ist übrigens ein Erfolg von Greenpeace, die in der Bundestagsanhörung viele Punkte durch Rechtsanwalt Wollenteit vorgetragen haben. 

Die Klagerechte von Einwohnern auf Grundbesitzer auszudehnen, ist auf eine Eingabe der Bäuerlichen Notgemeinschaft aus DAN zurückzuführen, mit der Julia Verlinden, unsere Bundestagsabgeordnete und ich viel zusammengearbeitet haben. Alles konstruktive Impulse von außerhalb der Kommission. Die meisten Umweltverbände haben sich also der Kommission verweigert, aber nicht der inhaltlichen Debatte.

Es gibt etliches, was die Endlagerkommission nicht übernommen hat, Stefan Wenzel kann ein Lied davon singen. Auch der Punkt Exportverbot ist nicht ganz geklärt.

Bedauerlich ist aber auch, dass nicht alle Punkte, auf die die Endlagerkommission sich verständigt hat, übernommen worden sind. So ist das Nationale Begleitgremium nicht mit Kontrollrechten ausgestattet.

Es soll eher glätten, als frühzeitig auf Mängel hinzuweisen.

Ich hoffe, dass das Gremium unter Klaus Töpfer und Miranda Schreurs das notwendige Selbstbewusstsein entwickelt, trotzdem Einfluss nehmen zu können.

Was natürlich frustrierend ist, dass wir immer noch einen Absatz haben, auf Grundlage dessen in das künftige Endlager für hochradioaktiven Atommüll auch schwach- und mittelradioaktiver Atommüll eingebracht werden kann.  

Stattdessen brauchen wir auch für den schwach- und mittelradioaktiven Atommüll ein vergleichendes Endlagersuchverfahren. Schacht Konrad ist ja auch nicht wirklich geeignet.

Und im Hinblick auf die langen Zeiträume, die unweigerlich entstehen, auch wenn nun Schritt für Schritt alles abgearbeitet werden würde, muss man feststellen ein Beschluss steht aus, nämlich die Sicherheit der Zwischenlager konzeptionell weiterzuentwickeln.

Wir haben keinen Zeitdruck bei der Endlagerung. Wenn der Atommüll Zeit hat von seinen 400 Grad Außentemperatur abzukühlen, dann ist das ein Sicherheitsgewinn.

Wir haben Zeitdruck bei der Frage der Zwischenlager.

Wie bekommen wir die sicherer, bevor die ersten Genehmigungen für die Zwischenlager und für die Castoren auslaufen?

Schnell verbuddeln, wäre Vogel-Strauß-Politik.

Insofern wird uns das Thema Atommüll noch länger begleiten, als uns allen lieb ist.

Wir und künftige Generationen müssen diese Prozesse aufmerksam begleiten.

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