Rede Miriam Staudte: Wahlalter 14 - Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Wahlrechts in Niedersachsen

Anrede,

ich glaube es gibt keinen Satz, der die Beweggründe für unseren Gesetzentwurf besser auf den Punkt bringt als die Worte unseres Altkanzler Willy Brandt, der das Motto ausgab: "Wir wollen mehr Demokratie wagen!"

Wir wollen heute mehr Demokratie wagen, indem wir das aktiveWahlalter bei Kommunal- und Landtagswahlen auf 14 Jahre absenken.

Wahlalter 14: das klingt in vielen Ohren fremd und ungewohnt und man mag diese Forderung reflexartig als Unsinn abtun, aber nehmen wir uns die Zeit, in einer ernsthaften Debatte dem Thema gerecht zu werden.

Warum dieser Gesetzentwurf heute? Wir wollen nicht durch eine besonders spektakuläre Forderung auf die Titelseiten. Wir wollen beim Thema Wahlalter ein Denkverbot aufheben.

Wir Grüne wollen Jugendliche entsprechend ihrer tatsächlichen Entwicklung partizipieren lassen. Wir wollen die Distanz, die junge Menschen zur Politik haben, verringern.

Wählen ist ein hohes Grundrecht, das nicht eingeschränkt wird, das an keine Bedingungen geknüpft ist, denn Demokratie lebt von einem Grundvertrauen den Bürgern gegenüber und das ist auch richtig so. Man darf in Demokratien wählen, unabhängig von der individuellen Befähigung. Die hat niemand zu beurteilen.

Wahlalter 14 gibt das Recht zur Wahl, es ist keine Wahlpflicht. Niemand wird zur Wahl gezwungen, aber wer sein Recht in Anspruch nehmen will, der soll es auch dürfen.

Mit 14 wird man strafmündig, mit 14 erlangt man die volle Religionsmündigkeit, mit 14 kann man Mitglied in Parteien werden und dort sogar dort Ämter übernehmen.

Aber "Kreuzchen machen" soll überfordern?!

Und überhaupt: Es gibt nur aus parteipolitischer Sicht ein Richtig und Falsch beim Urnengang.

Heute darf man bei niedersächsischen Landtagswahlen ab 18 wählen, bei Kommunalwahlen ab 16 Jahren. Die CDU war schon 1995 gegen diese Absenkung auf 16 Jahre, nun haben wir sie. Und?  Ist die Welt untergegangen? Nein, die Welt ist nicht untergegangen! Die Kommunalparlamente funktionieren wie eh und je. Es gab auch keinen Volksentscheid, um diese Regelung wieder zu kippen- wie Sie dies orakelt haben. Ihre Argumente  von damals haben sich nicht bewahrheitet! Und das sollten Sie inzwischen bemerkt haben, Herr Althusmann.

Wir wollen diejenigen, die von heutigen  Entscheidungen am langfristigsten betroffen sind, besser beteiligen. Nachhaltigkeit ist eines der Schlagworte der internationalen Politik geworden. Generationen, die im ureigensten Sinne an Nachhaltigkeit interessiert sind, werden für mehr Weitblick in der Politik sorgen. Und ein Baustein einer besseren Partizipation ist die Absenkung des Wahlalters.

Unsere Gesellschaft muss der wachsenden Kultur des Nichtwählens entgegenwirken.

Wir haben mit einer Wahlbeteiligung von 57 Prozent bei der letzten Landtagswahl einen traurigen Rekord erreicht.

Wahlalter 14 bedeutet zum Beispiel im Gegensatz zum Wahlalter 16, dass die erste Wahl immer in die Schulzeit fällt. Lehrerinnen und Lehrer haben die Möglichkeit dies als Anlass zu nehmen um Wahlinhalte in den Unterricht zu integrieren. Nur mit dem Wahlalter 14 wird ein echter Praxisbezug erreicht. Die Juniorwahl, die parallel zur letzten Landtagswahl an vielen Schulen durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass Jugendliche ihre Wahlentscheidung sehr ernst nehmen. Schon heute arbeiten Schüler im Unterricht Wahlprogramme durch. Das bedeutet doch, die Lehrerinnen und Lehrer haben den Eindruck, ihre Schülerinnen und Schüler wären in der Lage die Wahlprogramme zu verstehen:

Warum also sollen sie dann nicht auch wählen dürfen?

Das ist doch nicht rational begründbar!

Schülergruppen besuchen am häufigsten den Landtag.

Und Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, wissen doch genau, dass die jugendlichen Besuchergruppen genau dieselben Fragen stellen wie die Erwachsenen-Gruppen. Es gibt da keinen qualitativen Unterschied. Höchstens im Bildungsbereich, da stellen die Schüler nämlich die qualifiziertesten Fragen.

In diesem wichtigsten Zuständigkeitsbereich des Landes sind sie die "Experten in eigener Sache".

Schülervertreter waren die ersten, die auf die Problematik des Turbo-Abis hingewiesen haben. 2500 Schülerinnen und Schüler haben in Lüneburg an der Demo gegen die Schulzeitverkürzung teilgenommen.
Ist das nicht Beweis genug für ein ernsthaftes Interesse an Landespolitik?

Der renommierte Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann, der die letzte Shell-Studie zur Situation der Jugend in Deutschland geleitet hat, bestätigt, dass schon etwa ab 12 Jahren "eine grundsätzliche soziale und moralische Urteilsfähigkeit gegeben ist, so dass von diesem Alter an, das Treffen politischer Urteile – auch die Teilnahme an Wahlen- möglich ist." Er sagt heute in der Süddeutschen Zeitung zu unserem Gesetzentwurf:  "Endlich traut sich mal jemand."

Beurteilen Sie dieses Thema nicht aus dem Bauch heraus.

Setzen Sie sich ernsthaft mit unserer Forderung auseinander.

Wahlalter 18 ist eine überkommene Tradition. Und die muss - über kurz oder lang- vom Tisch!

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