Rede: Miriam Staudte: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung

Anrede,

sicherlich haben sich einige von Ihnen gewundert, warum das Thema "Spielplätze" heute wieder auf der Tagesordnung ist, nachdem doch im letzten Plenum die Mehrheit das niedersächsische Spielplatzgesetz abgeschafft hat. In der Debatte im Dezember sind verschiedene Punkte leider nicht deutlich geworden.

Niedersachsen hat sich durch die ersatzlose Abschaffung des seit 35 Jahren bestehenden Spielplatzgesetzes von Platz eins auf den letzten Platz unter den Bundesländern katapultiert.

Alle anderen Bundesländer haben entsprechende Paragrafen zu hausnahen Spielplätzen in ihren jeweiligen Landesbauordnungen, nur wir stehen nun völlig ohne Mindeststandards da. Der Titel "Niedersachsen-Kinderland" ist damit eine Farce geworden.

Im Dezember sind die Redner der Regierungsfraktionen ja nicht müde geworden zu betonen, dass die Kommunen im Wettstreit um das Prädikat "kinderfreundlich", sich schon selbst um die Belange der Kinder kümmern werden. Völlig außer Acht gelassen wurde die Tatsache, dass nicht nur die Pflicht für die Kommunen entfiel, sondern auch die für private Bauherren wie Wohnungsbaugesellschaften, die bisher beim Bau von größeren Wohnanlagen verpflichtet waren, einen hausnahen Kleinkindspielplatz einzurichten. Im Übrigen hat hier der Zwischenbericht zum Modellkommunengesetz schwarz auf weiß gezeigt, dass bei den privaten Bauherren von Eigenverantwortung nun wirklich nichts zu spüren ist:

12 Kleinkindspielplätze wären in den 5 Modellkommunen bisher vorgeschrieben gewesen, alle 12 sind nicht gebaut worden. Wenn sie das mal auf Niedersachsen hochrechnen werden in den nächsten Jahren 100 Spielplätze weniger gebaut werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf die unselige Diskussion um Kinderlärm erinnern: Glauben Sie ernsthaft, dass Vermieter sich künftig ohne Not zum Bau von Kinderspielplätzen entschließen, wenn sie damit befürchten müssen, Nachbarschaftsstreitigkeiten zu provozieren? Oder ist die Dezimierung der Zahl der Spielplätze eine Maßnahme des Innenministers gegen Alkoholmissbrauch, diese pichelnden Jugendlichen sitzen ja bekanntlich immer auf Spielplätzen? Dann müssen wir aber auch endlich die Bushäuschen zunageln; Herr Minister Schünemann, das wäre konsequent!

Der Weg, den sie hier -vielleicht unbedacht- eingeschlagen haben, ist nicht der Weg, der ins Kinderland Niedersachsen führt. Dieser Weg führt allerhöchstens ins "Stubenhocker-Land Niedersachsen".

In unserem Gesetzentwurf haben wir die sinnvollsten Formulierungen dieser verschiedenen Landesbauordnungen kombiniert.

So ist die Spielplatzpflicht ab der 3. Wohnung wiedereingeführt - das ist moderat: bisher galt sie ab der 2. Wohnung. Ab 50 Wohnungen müssen allerdings auch Spielgelegenheiten für ältere Kinder geschaffen werden- das ist notwendig, da ja der Computer eher die älteren und nicht die  Kleinkinder lockt.

Wir wollen auch keine wirklichkeitsfremden Regularien schaffen, deswegen werden Ein-Raum-Singlewohnungen unter 40 qm nicht mitgezählt, da nicht damit zu rechnen ist, dass dort Kinder wohnen. Auch Wohnanlagen, die als Seniorenwohnanlagen konzipiert sind, sind nicht von dieser Regelung betroffen. Befindet sich bereits ein Kinderspielplatz in unmittelbarer Nachbarschaft oder ist geplant, entfällt diese Pflicht selbstverständlich auch. Aber treffen all diese Ausnahmetatbestände nicht zu, dann muss eine Spielfläche vorgehalten werden.

Das ist im Interesse der Kinder, das ist im Interesse der Eltern und im Interesse der Kommunen- die ja so gern kinderfreundlich sein wollen. Im Übrigen erhalten die niedersächsischen Kommunen mit unserem Entwurf die Möglichkeit eigene Spielplatzsatzungen zu verabschieden, so dass Anforderungen für die Größe und Ausstattung der Spielplätze vor Ort weiterentwickelt werden können. Bisher gibt es nämlich nur die Möglichkeit Stellplatzsatzungen, Vorgartensatzungen, Satzungen für Werbeanlagen etc. zu erlassen.

Warum liegen uns Grünen die Spielplätze so am Herzen?

Der eine oder andere von ihnen mag ja denken: Als ich klein war, gab´s auch noch keine Spielplätze in unsrer Nachbarschaft, und wir sind auch groß geworden: Damals herrschte aber auch noch nicht die heutigen Verkehrsituation. Sie konnten Brennball auf der Straße spielen und keine Spielstraßen-Verordnung, kein Spielplatzgesetz musste erlassen werden. Aber diese Zeiten sind vorbei, ich denke das werden Sie doch gemerkt haben, meine Damen und Herren. Unsere Kinder brauchen heute mehr denn je Schutzräume. In den Städten herrscht ein scharfer Nutzungskonflikt um öffentlichen Raum, jeder qm zählt, in Hannover kostet der qm Bauland bis zu 500€. Dann wird noch Parkraum benötigt, Hundebesitzer brauchen Grünanlagen zum Gassi gehen, wo bleiben da die nahezu lobbylosen Kinder?

Das Kinderhilfswerk aus Berlin weist Niedersachen sogar darauf hin, dass das Vorgehen des Landtags ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention sein könnte. Dort heißt es in Artikel 31:

"Die Vertragsstaaten ”¦fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten ”¦für aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung".

Anrede,

aktuelle Studien belegen: 12 Prozent der Kinder spielen im Laufe eines Tages gar nicht an der frischen Luft, dem stehen 40 Prozent Kinder gegenüber, die mindestens eine Stunde am Tag an elektronischen Geräten verbringen.

Kinder sind im Medienzeitalter angekommen, sie sind feinmotorisch geschickter, aber sie sind körperlich weniger fit. Prof. Bös, Leiter des Instituts für Sportwissenschaften an der Uni Karlsruhe, hat dazu geforscht. Sein Fazit: Der Leistungstand von Kindern hat in 30 Jahren  um 14 Prozent abgenommen, und dieser Trend setzt sich fort: Im Übrigen sind bewegungserfahrene Kinder weniger unfallgefährdet – auch ein wichtiger Aspekt.

Wir müssen diesem Bewegungsmangel entgegentreten: Die Kultusministerin streitet das nicht ab:
Zitat Heister-Neumann Nordwest-Zeitung vom 11.11.08

"Für unser Sozialsystem ist es ein Sprengsatz, wenn immer mehr Kinder unter Bewegungsmangel, Adipositas und den Folgeerkrankungen leiden".
500.000€ steckt die Landesregierung bis 2010 in das aufgelegte Programm "Lernen braucht Bewegung".
Es wurden unter Herrn Busemann in aufwendigen Aktionen Fitnesslandkarten erstellt!

Doch wie passt das mit der ersatzlosen Streichung des Spielplatzgesetzes zusammen, Frau Ministerin? Sprechen die Ministerien eigentlich gar nicht miteinander?

Ich fordere Sie auf:

Geben Sie sich einen Ruck, unterstützen Sie die Forderung nach einem Spielplatz-Paragrafen in der Niedersächsischen Bauordnung.

Damit Niedersachsen kein Stubenhockerland wird.

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