Rede Miriam Staudte: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zum Insektensterben

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

„Der stumme Frühling“ ist in den 60er Jahren ein wegweisendes Buch für die Umweltbewegung geworden. Die nachfolgenden gesellschaftlichen Debatten führten zum Verbot von DDT- einem Insektengift, das sich in der Nahrungskette anreichert.

DDT wurde verboten, doch die Problematik ist geblieben. Der stumme Frühling ohne Insektengebrumm und ohne das Gezwitscher der Vögel, die sich von Insekten ernähren, droht uns immer noch.

Und: Die Situation ist brenzliger denn je. Es geht nicht nur um zurückgehende Artenvielfalt: Einer repräsentativen Studie aus Nordrhein-Westfalen zufolge ist die Biomasse bei Insekten zwischen 1995 und 2014 um 80 Prozent zurückgegangen! Bei dieser Studie wurden 88 Standorten untersucht.1995 wurden noch 1,6kg Insekten mit Untersuchungsfallen gesammelt, 2014 nur noch 300g. Andere Studien, aus Deutschland und Europa kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.

Sie erinnern sich doch auch noch daran, dass sich früher bei Autofahrten die Frontscheibe einen schwarzen Rand von toten Insekten hatte. Die Studien sind ein dramatischer Befund. Insekten sind nicht nur die Grundlage der Nahrungskette für viele Vögel, Amphiben und Säugetiere und damit Grundlage für Artenvielfalt schlechthin. Zersetzende Insektenarten gewährleisten den Humusaufbau und sind damit unerlässlich für Bodenfruchtbarkeit und Nahrungsmittelproduktion.

Insekten bestäuben 9 von 10 Wildblumen, das heißt diese können sich ohne Insekten auch nicht vermehren. Insekten sind auch die Bestäuber von 80% unserer Nutzpflanzen. Im Zusammenhang mit dem Bienensterben wurde diese Problematik schon intensiv diskutiert. Erst stirbt die Biene, dann der Mensch wie Albert Einstein sagte. Ungefähr ¾ unserer Nahrungsmittel würden ohne diese „Dienstleistung“ entfallen.

Wer den Film „More than Honey“ gesehen hat, weiß, dass in China Menschen mit Pinselchen die Apfelbäume bestäuben, weil einfach alles an Insekten todgespritzt ist. Soweit darf es hier nicht kommen, und ich bin mir sicher soweit wird es hier nicht kommen. Aber wir müssen gegensteuern. Und dazu brauchen wir auch zuverlässige Daten durch ein aussagekräftiges Insektenmonitoring.

Es geht nicht nur um die Honigbiene, hier ist das Ausmaß des Sterbens der Völker recht gut durch die Imker dokumentiert, es geht auch um die Wildbienen, 300 Arten von Wildbienen stehen auf der Roten Liste. Es geht um Tag- und Nachtfalter, es geht um Hummeln. Ich lebe mitten auf dem Land und ich bin mir nicht sicher, ob ich letztes Jahr eine Hummel gesehen habe. Kein Wunder in Niedersachsen sind von 23 Hummelarten nur noch 5 vorhanden.

Untersuchungen zeigen den klaren Zusammenhang zwischen der Abnahme der Insekten und Besatzeinbrüchen bei Vögeln wie z.B. Rebhühnern aufgrund fehlender Nahrung für die Küken. Denn bei vielen Vogelarten können sich die Küken noch nicht von Körnern ernähren, sie brauchen hauptsächlich Insektennahrung.

Worin liegen nun die Ursachen für das Insektensterben? Sicherlich:

Hauptursachen liegen in der intensiven, auf Effektivität ausgerichteten Landwirtschaft, ohne Lebensräume und ausreichend Nahrung für Insekten. Der Pestizid-Einsatz tut sein Übriges. Aber auch weitere Faktoren verschärfen das Insektensterben. Aufgeräumte Gärten sind mehr denn eh in Mode. Statt Hecken aus heimischen Büschen fasst man die Grundstücke jetzt mit Gabionen, diesen mit Steinen gefüllten Gitterkäfigen ein. Der Rest wird versiegelt oder mit Rollrasen ausgelegt.

Dann haben wir noch das Problem mit der Lichtverschmutzung, also nächtlicher Beleuchtung, die Insekten anlockt. Sie alle kennen das Bild von Fluginsekten, die das Licht umkreisen, bis sie tot unter der Lampe liegen. Deshalb gilt: Unnötige Beleuchtung vermeiden. Auch hier sind übrigens LED-Laternen weniger problematisch.

Aber nun zur Intensivlandwirtschaft:

Der Wegfall der Stilllegungflächen und ein marktpolitisch verursachter hoher Flächennutzungsdruck sorgten in den vergangenen Jahren dafür, dass alles unter den Pflug genommen wurde, was nur geht. Zu kurze Blühzeiträume aufgrund einer mangelnden Fruchtartenvielfalt. Je nach Witterung gibt es im Frühjahr drei bis vier Wochen lang ein starkes Angebot an Blütentracht. Ab Juni verschlechtert sich die Trachtsituation jedoch stark und bis zum Ende der Flugzeit reicht das Nahrungsangebot für viele Bienen und Insekten daher nicht aus.

Das Land Niedersachsen unternimmt über den Ausbau der Blühstreifenförderung einiges, um das Nahrungsangebot für die Wild- und Honigbienen zu verbessern. Das Blühstreifenangebot hat sich von 9.500ha auf über 15.000ha in 2016 erhöht, seit die Förderung von 540€ auf 975€ angehoben wurde. Agrarminister Meyer ist zurecht mit dem Goldenen Stachel der Imker ausgezeichnet worden.  

Doch wir brauchen auch noch mehr mehrjährige Blühstreifen und mehr Strukturelemente wie Hecken und andere Lebensräume. Die Überdüngung ist nicht nur ein Problem für das Grundwasser, sie reduziert die Artenvielfalt auf Grünland drastisch.

Neuesten Erkenntnissen über die Wirksamkeit der hoch bienentoxischen Neonikotinoide lassen befürchten, dass viele Bemühungen wie Blühstreifen zunichte gemacht werden könnten. Neonikotinoide sind Nervengifte, die 5.000 bis 10.000-mal wirksamer sind als DDT! DDT wurde 1972 in Deutschland durch das DDT-Gesetz verboten, weil sich das Gift in der Nahrungskette anreichert. Auch Neonikotinoide reichern sich längst in unseren Böden, unserem Wasserkreislauf an.

Es wäre fahrlässig, diese Mittel weiter zuzulassen.

Der Einsatz immer stärkerer Pestizide - auch Stichwort Glyphosat - ist eine Sackgasse! Der Ökolandbau verzichtet auf chemisch-synthetische Pestizide und künstliche Düngemittel. Es ist also aus Sicht des Insektenschutzes richtig gewesen, dass die Ökolandprämien erhöht wurden. Allein 2016 haben 140 niedersächsische Betriebe auf ökologischen Landbau umgestellt. Damit wurde in Niedersachsen die ökologische Anbaufläche um 10.000 ha ausgeweitet – das ist auch ein Erfolg für den Insektenschutz.

Es ist einiges geschehen für den Insektenschutz.

Aber das Ruder ist noch lange nicht herumgerissen.

Vielen Dank.

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