Rede Miriam Staudte: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zu TTIP

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

In TTIP-Diskussionen mussten sich Kritiker ja häufig anhören: „Woher wollt ihr das denn alles wissen, was da so schlecht dran ist, ihr sagt doch selber, das ist alles geheim.“

Ich meine mich da an einen Beitrag hier im Plenum von Herrn Birkner zu erinnern… Doch seit den Greenpeace-Enthüllungen wissen wir:

Es ist alles genau so wie befürchtet. Und es ist bitter, dass es solche Leaks braucht, weil sich ein System mit Pseudo-Transparenz in einem Leseraum etabliert hat, das diese Öffentlichkeit eben nicht herstellt.

Ich hoffe, dass die Klage der grünen Bundestagsfraktion gegen diese Bedingungen beim europäischen Gericht erfolgreich sein wird, damit das nicht die Regel wird. Die Veröffentlichungen haben gezeigt, es geht eben nicht um bessere Standards, sondern um knallharte Wirtschaftsinteressen. Und man sollte sich genau überlegen, wann ein Kompromiss Sinn macht und wann nicht.

Es geht bei Kompromissen doch immer um den „kleinsten gemeinsamen Nenner“- den „größten gemeinsamen Nenner“ gibt es in der Politik genauso wenig wie in der Mathematik.

Leichterer Zugang der landwirtschaftlichen US-Produkte gegen freie Fahrt für europäische Autos. Schauen wir uns mal an, was das bedeutet im Bereich Agrar:

Da würden sich also zwei völlig unterschiedliche Agrarsystem gegenüber stehen: In den USA liegt die durchschnittliche Betriebsgröße bei 180ha, in Niedersachsen bei unter 70ha. (EU-28 bei 12ha). Wer wird da wohl billigere Produkte erzeugen können?

Oder bei der Milchwirtschaft. In den USA geht die Entwicklung zu Mega-Mega-Höfen. Es gibt Agrar-Fabriken mit 37.000 Tieren. Die meisten haben mehrere Tausend Tieren. In Niedersachsen liegt die Durchschnittsgröße bei 75 Kühen (Deutschland  50). Wer wird da den Kürzeren ziehen?

Oder aber der Verbraucherschutz: Kühe mit einer Euterentzündung werden mit Antibiotika behandelt. Bei uns muss diese Milch entsorgt werden. In den USA kommt ein Zettelchen an die Milchkanne „Antibiotka-Milch“ und wird dann nur nicht mehr für Joghurtbereitung verwendet, weil die Joghurtkulturen das nicht überleben würden. Beim Aflatoxin – dem Schimmelpilz in den Futtermitteln- haben wir es ja auch gesehen: der konfiszierte, verseuchte Mais durfte bei uns nicht mal in die Biogas-Anlage. Stattdessen wurde er in den USA an Bullenkälber verfüttert. Der Vorsitzende der Geflügelwirtschaft Friedrich-Otto Ripke weist darauf hin, dass in den USA 90% der Legehennen in Käfigen gehalten werden. In Deutschland nur noch 10% und auch die 2025 nicht mehr. Sollen dann die Eiernudeln aus den USA hier in den Regalen liegen? Strengere Kennzeichnungen, die wir anstreben, können bei Staats-Investor-Klagen ja auch leicht als Handelshemmnis beklagt werden.

Es ist doch absurd: Wir alle wollen doch mehr Tierschutz und nicht weniger.

Wir wollen doch künftig mehr Verbraucherschutz und nicht weniger.

In ganz Nord- und Südamerika gibt es quasi keine gentechnikfreien Lebensmittel mehr. Selbst die Bioflächen werden durch den Wind und Insekten mit gentechnischem Material verunreinigt. 

Unsere garantiert gentechnikfreien Produkte, sowohl die konventionellen als auch die Bioprodukte, da liegen unsere Exportchancen.

Gut, nun könnten manche sagen: Niedersachen ist ja nicht nur Agrarland Nr.1, da gibt es ja auch noch VW. Und denen geht es ja auch gerade so schlecht. Wenn die dann mehr Autos in die USA verkaufen können, dann ist es ja unterm Strich vielleicht doch gut für Niedersachsen.

Nein, meine Damen und Herren, die Problemlösung nach den Entwicklungen der letzten Wochen kann doch nicht sein: Gesetzliche Vorgaben sind leider nicht eingehalten worden, gut, dann schaffen wir eben die Vorgaben mal ab  und nennen das Ganze „Harmonisierung“. Wenn VW gute, innovative Politik macht, dann werden sie auch Fahrzeuge in die USA verkaufen. Aber auf den alten Zug der Diesel-SUVs aufspringen zu wollen, ist das Gegenteil von Innovation.

Wenn Sie mich fragen, TTIP ist tot. Das sieht man auch daran, dass der scheidende Präsident dazu nach Europa reist. Sonst hat sich nämlich keiner gefunden. Ich finde Obama mit Obama-Care und Vielem, was er gemacht hat ja auch toll. Aber was TTIP angeht, trifft wohl der Begriff „lame duck“.

Die Bürgerinnen sowohl in den USA als auch in der EU wollen TTIP nicht, genauso wenig wie die Kanadier CETA. Zehntausende Menschen haben letzte Woche gegen TTIP und CETA demonstriert. Frankreich hat auch schon „Non“ gesagt.

Ich zitiere mal den Bundestagsabgeordneten der SPD Matthias Miersch:

„Unter solchen Bedingungen macht es keinen Sinn weiter zu verhandeln.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

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