Rede Miriam Staudte: Aktuelle Stunde (GRÜNE) „Forschung für den Ausstieg: Kein Euro für neue Reaktortypen – Fördermittel auf Stilllegung, Rückbau und Entsorgung ausrichten“
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Frau Landtagspräsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete!
Am 11. März 2011 ereignete sich die Katastrophe von Fukushima. Am 30.Juni 2011 nahm der Bundestag die Laufzeitverlängerung zurück und beschloss den Atomausstieg zum zweiten Mal. Und spätestens mit dem Beschluss des Standortauswahlgesetzes im Juli 2013 hatte die überwiegende Mehrheit von Politik, Medien und Gesellschaft den Eindruck gewonnen: Jetzt ist das Thema Atomenergie abgehakt. Jetzt dauert es noch 8 Jahre bis 2022, dann ist der letzte Reaktor in Deutschland abgeschaltet. Und das Problem mit dem Atommüll, naja, da wird die Endlagerkommission auch noch etwas beschließen.
Jeder Mensch, den sie auf der Straße fragen: „Was glauben Sie denn, wofür Deutschland nach dem Atomausstieg Forschungsgelder ausgibt?“ wird Ihnen sagen: „Ich weiß es nicht genau, aber bestimmt für Erneuerbare Energien und Speichertechnologien, vielleicht.“ Weit gefehlt:
Im Energieforschungsprogramm der Bundesregierung von 2011-2014 gingen immer noch 900 Millionen in den Atombereich und von diesen 900 Millionen 600 Millionen in die Bereiche Kernfusion, neue Reaktor-Typen der 4.Generation und Transmutation – also Wiederaufarbeitung von Atommüll, wovon sich Deutschland seit dem Jahr 2000 eigentlich gesetzlich verabschiedet hatte.
Nur 300 der 900 Millionen kann man grob dem Bereich Endlagerung zurechnen. Diese Zahlen wurden kürzlich durch den Beitrag von Dr. Pitterich, dem Leiter Endlagerung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), auf der Veranstaltung des niedersächsischen Umweltministeriums indirekt bestätigt: Er stellte dar, dass 2014 77 Millionen im Nuklearbereich ausgegeben werden sollten und – wenn man seine Tabellen zusammenrechnet – davon lediglich ca. 21,3 Millionen für Stilllegung, Rückbau und Endlagerung vorgesehen sind. Weniger als ein Drittel!
Und es ist nicht nur die anteilige Mittelvergabe, die Probleme macht:
Wir haben eine Zersplitterung der Zuständigkeiten bei den Bundesministerien: Nicht etwa das Bundesforschungsministerium ist im Nuklearbereich federführend, sondern das Bundeswirtschaftsministerium,
das Bundesumweltministerium spielt die geringste Rolle. Hier wird gegenseitig blockiert, statt an einem Strang zu ziehen.
Die Gutachten, welche Projekte gefördert werden sollen, werden von Sachverständigen empfohlen, deren Namen nicht bekanntgegeben werden. Der Verdacht liegt nahe, dass hier die Vertreter derjenigen Institutionen, die bisher die Forschungslandschaft unter sich aufgeteilt hatten, sich auch jetzt gegenseitig die Forschungsaufträge zuschieben.
Lothar Hahn, ehemaliger Leiter der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) sagte vergangene Woche, seiner Meinung nach würden „Fachbeamte in den Behörden ein Eigenleben führen und gesellschaftliche Beschlüsse ignorieren.“
Wer im Mai des Jahres Forschungsministerin Prof. Wanka bei der Eröffnung des Kernfusionsprogramms „Wendelstein 7x“ in Greifswald gehört hat, den wundert nichts mehr. Sie lobte da die Wissenschaftler als die „Erben des Prometheus“, die eine sonnengleiche Energiequelle finden würden und man hatte den Eindruck eine fortschrittgläubige Rede aus den 60er Jahren zu hören. Auch in der Septembersitzung der Endlagerkommission vertrat sie die Meinung, man könne die Mega-Cities in 20 oder 30 Jahren nur mit der endlosen Energie der Kernfusion versorgen.
Unfassbar, wenn man bedenkt, dass die Probleme wie zum Beispiel die Gefährdung durch Terrorangriffe bei der Kernfusion oder auch bei der Kernspaltung nicht in Griff zu kriegen sind. Es ist unverantwortlich, hier weiter Geld zu verschleudern: Seit 1995 ist eine Milliarde Euro von EU, Bund und Mecklenburg-Vorpommern im Greifswalder Kernfusionsprojekt versenkt worden. Doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt.
Nun können Sie ja sagen, warum diskutieren wir das hier im Landtag und nicht gleich im Bund!?
Niedersachsen ist nun mal das maximal betroffene Land, wenn die Forschung auch mit der Fixierung auf das Wirtsgestein Salz nicht neu ausgerichtet wird. Salz war mit 60-80 Prozent der Forschungsgelder das Medium, das im Gegensatz zu Ton und Granit jahrzehntelang beforscht wurde. Hier werden schon Einlagerungskonzepte entwickelt, während man bei Ton noch bei der Analyse ist und bei Kristallin sogar nur Grundlagenforschung betreibt.
Wenn Niedersachsen diese Debatte nicht anschiebt, machte es kein anderer.
Wir sind es, die deutlich machen müssen: Wir stehen hier vor einer epochalen Herausforderung. Eine der größten Industrienationen will den Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft umsetzen. Und das funktioniert nur dann, wenn auch die Wissenschaft ihren Teil beträgt und nicht einfach weitermacht, wie bisher. Wir müssen Forschung auf gesellschaftliche Anforderungen ausrichten, statt weitere Steuergelder für Reaktoren der IV. Generation zu verschleudern. Wir brauchen Transparenz bei der Mittelvergabe, und eine Bündelung der Zuständigkeiten. Es wäre gut, wenn der Landtag die Landesregierung bei diesem Vorhaben breit unterstützt.