Rede Miriam Staudte: Aktuelle Stunde - Chlorhähnchen und Genfood demnächst auch auf unseren Tellern? Freihandelsabkommen gefährdet Verbraucherschutzstandards!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Seit Juli 2013 verhandeln EU-Kommission und die USA über ein Handels- und Investitionsabkommen mit dem sperrigen Namen Transatlantic Trade and Investment Partnership“- kurz TTIP.

Es gibt erschreckende Hinweise, was dort zur Debatte steht, aber was da genau verhandelt wird, weiß eigentlich niemand - abgesehen von den 600 zugelassenen Beratern der Großkonzerne und der NSA natürlich -, denn die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auch des europäischen Parlaments statt und wurden zur Verschlusssache erklärt.

Die grüne Europa-Fraktion hatte sich gegen die Eröffnung dieser Verhandlungen ausgesprochen und man muss auch jetzt kritisch fragen, ob weiterverhandelt werden kann, wenn im Raum steht, dass die NSA die EU-Delegation als Verhandlungspartner abhört.

Sie müssen sich das mal bei anderen Verhandlungen vorstellen: Glauben Sie, dass die Koalitionsgespräche aus Bundesebene fortgesetzt worden wären, wenn das Konrad-Adenauer-Haus das Willy-Brandt-Haus abgehört hätte oder umgekehrt.

Bei diesem Freihandelsabkommen geht es nicht so sehr um den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen, sondern um die Angleichung der Regelung der jeweiligen Binnenmärkte der EU wie der USA. Und das birgt natürlich erhebliche Risiken gerade für unsere Standards im Bereich des Verbraucherschutzes.

Die USA kennen keine Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel. Das sind für die Amerikaner nur „wissenschaftlich unbegründete Handelshemmnisse“.

Auch das Haltbarmachen von Hähnchenfleisch mit Chlor ist in den USA erlaubt und in der EU glücklicherweise verboten.

Allerdings: Wenn man die Einfuhr von Chlor-Hühnern erlaubt, muss man auch das Chloren in der EU erlauben. Und dann wird das auch passieren, denn das Chloren ist nun mal billiger als die Salmonellen auf andere Art und Weise zu vermeiden. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Hormonen in der Tiermast – in der EU verboten, in den USA erlaubt.

Wir wollen in Deutschland und in Niedersachsen

keine Chlorhähnchen,

keine mit Hormonen vollgepumpten Turboschweine,

kein Fleisch von geklonten Schafen 

und keine Gentechnik.

Wir können nicht zulassen, dass unsere zweifellos verbesserungsbedürftigen, gegenüber den USA aber dennoch hohen Verbraucherschutzstandards auf dem Altar der Liberalisierung und Globalisierung geopfert werden. Wir fordern deshalb von der neuen Bundesregierung, dass sie klar und deutlich zum Ausdruck bringt, dass es ohne Sicherung der europäischen Standards im Bereich des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit kein Freihandelsabkommen geben wird. So wie es auch der Bundesrat bereits vor Aufnahme der Verhandlungen am 7. Juni beschlossen hat.

Anrede,

in diesem Zusammenhang macht mir der Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Bund durchaus Sorge. Da heißt es im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen, man werde auf den Erhalt der europäischen Standards „Wert legen“.

Das ist mir zu wenig. Darauf „Wert legen“ reicht nicht.

Wir müssen darauf BESTEHEN, dass diese Standards so wie sie sind erhalten bleiben. Und dass sich im Zweifelsfall immer für die höheren Standards entschieden wird.

Wir müssen auch sicherstellen, dass sogenannte Investor-Staats-Klagen in diesem Abkommen definitiv ausgeschlossen werden. Das wären nämlich ein gefundenes Fressen für Monsanto und die anderen Gen-Konzerne, wenn sie vor privaten Schiedsstellen klagen und geltend machen könnten, die EU-Regelungen etwa im Bereich der Gen-Kennzeichnung seien wettbewerbsverzerrend und ihnen stünde Schadensersatz zu. Mit solchen Klagemöglichkeiten treiben wir unsere Staaten in den Ruin.

Anrede,

wir haben den Schwerpunkt unserer Aktuellen Stunde bewusst auf den Lebensmittelbereich gelegt. Ich will der aber darauf hinweisen, dass das Gleiche natürlich auch bei den Sozialstandards gilt - Soziale Errungenschaften des 20. Jahrhunderts drohen mit einem Schlag abgeräumt zu werden. Gleiches gilt bei den Umweltstandards und bei der Datensicherheit. Mit diesem Freihandelsabkommen versucht man das gescheiterte ACTA-Projekt durch die Hintertür wiederzubeleben.

Und das Fatale ist: Jede Bestimmung kann nur geändert werden, wenn alle Unterzeichnerstaaten zustimmen. Es ist quasi irreversibel und „Le Monde diplomatique“ spricht nicht umsonst von einer Art  Staatsstreich.

Anrede,

Wir brauchen aber ganz klare Bedingungen:

1.)       Da dürfen keine Geheimverhandlungen geführt werden, an denen Verbraucherschützer und Verbände nicht beteiligt sind und am Ende ein Ergebnis verkündet wird, das ganz massiv in das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger eingreift.

2.)       Die europäischen Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, Umweltschutz, soziale Standards und Datensicherheit müssen auch weiterhin gewährleistet sein und dürfen auch nicht von Konzernen vor irgendwelchen privaten Schiedsstellen gekippt werden können.

Uns Grünen ist es wichtig, dass dieses Signal von Niedersachsen ausgeht und nach Berlin durchdringt, bevor die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt.

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