Rede Miriam Staudte: Aktuelle Stunde - 250.000 demonstrieren in Berlin - TTIP und CETA sind unverhandelbar

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Am vergangenen Samstag hat das Berliner Regierungsviertel die größte Demonstration seit den Beschlüssen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gesehen. Die Schätzungen sprechen von bis zu 250.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Deutschland. Eine Viertelmillion Menschen, von denen vor anderthalb Jahren sicher viele nichts mit den Buchstabenkürzeln TTIP und CETA anfangen konnten. Doch jetzt wissen sie, um was es geht, einige wenige WhistleBlower und viele, viele NGOs und Ehrenamtliche haben Aufklärungsarbeit geleistet und jetzt kennen die Bürgerinnen und Bürger die Fakten - und sie sind empört.

Sie sind empört über die Entmachtung der Justiz und den Ausbau der privaten Schiedsgerichte, sie sind empört über die Absenkung der Verbraucherschutz- und Umweltstandards, über die Chilling-Effekte, die ein solches Abkommen in der Politik auslösen würde- also der Verzicht auf strengere Gesetze aus Angst vor Klagen.

Sie sind empört über die Geheimhaltung, die nicht die Verhandlungspartner vor einander sondern vor der Öffentlichkeit schützen soll. Wir teilen diese Empörung!

Es ist doch absurd: da demonstrieren hunderttausende Bürgerinnen und Bürger, um der Politik zu sagen: bitte lasst euch das Primat der Politik nicht abringen. Ermächtigt nicht die Konzerne, eure Aufgabe zu übernehmen.

Jetzt im Oktober läuft die 11. Verhandlungsrunde zwischen EU-Handelskommission und den USA im Miami. Weiter hinter verschlossenen Türen. Zu erfolgreich war der Widerstand gegen die großen Liberalisierungsabkommen der letzten Jahre: gegen die Liberalisierung des Trinkwassers- bis hin zum ACTA-Abkommen.

Wir hatten Jahrzehnte der Deregulierung und „marktkonforme Demokratie“ war 2011 als Unwort des Jahres im Gespräch.

Das, was als Handelshemmnis diffamiert wird, sind Sicherheitsschutzstandards für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die Umwelt, die nicht ohne Grund eingeführt wurden. Was denken Sie wird verhandelt, wenn das Zulassungsverfahren von Medikamenten debattiert wird? Dass künftig überall die höheren Zulassungsstandards gelten? Selbst wenn es so wäre, dass jeder zunächst seine Standards und Normen behalten kann, künftige politische Entscheidungen können immer von ausländischen Investoren beklagt werden. Jetzt empören wir uns noch, wenn Umweltstandards wie Abgasnormen umgangen werden, mit TTIP und CETA wären sie nie eingeführt worden.

Das, was wir mit der Vattenfall-Klage gegen den Atomausstieg erleben, wollen wir noch ausweiten? Sollen Staaten wegen politischer Entscheidungen wie Fracking-Moratorien von Konzernen vor privaten Schiedsgerichten verklagt werden können wie die Firma Lone Pine das mit Kanada getan hat? Oder wollen wir unser Justizsystem behalten?

Ja, dieses Abkommen schafft Arbeitsplätze: In den Kanzleien, die an diesen Investor-Staat-Klagen 1000€ die Stunde verdienen.

Unter dem Demo-Aufruf letzte Woche standen nicht nur die üblichen Verdächtigen: campact, Greenpeace, foodwatch und attac. Nicht nur die Umweltverbände BUND und NABU. Alle Gewerkschaften des DGB hatten aufgerufen von verdi über IG BCE, IG Metall und die Gewerkschaft der Polizei. Der Deutsche Kulturrat, der Verband Deutscher Schriftsteller, vom Mieterbund bis hin zur Jugend des Deutschen Alpenvereins. Von der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen bis zur AWO. Vom Paritätischen über Motorradclubs bis zum Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Über 150 Organisationen. Das ist die Mitte der Gesellschaft. Die Beschlüsse zur Laufzeitverlängerung sind gekippt worden, weil die Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr einverstanden war. Und das wird hoffentlich auch mit den Freihandelsvereinbarungen passieren. Je früher umso besser.

Freier Handel, geknebelte Politik. Das kann es nicht sein.

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