Rede Meta Janßen-Kucz: Zweite Beratung Haushalt 2007 – Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

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Anrede,

ein Jahr vor der Landtagswahl versuchen die Abgeordneten der schwarz-gelben Landesregierung mit diversen kleinen Änderungsanträgen zum vorgelegten Haushalt 2007 den Eindruck zu erwecken, dass sie  diejenigen sind, die zum Wohl des Landes Niedersachsen und seiner Menschen Politik machen.

Meine Damen und Herren, Sie täuschen  nicht nur sich selber, Sie täuschen auch die niedersächsischen Bürger. Sie werfen Nebelkerzen, darin sind Sie wahrlich meisterhaft. Sie loben sich für die Verbesserung einzelner Leistungen, doch was fehlt ist ein Gesamtkonzept.

Anrede,

gestern in der Generaldebatte haben Sie sich hingestellt und behauptet, dass die, die am meisten Schutz brauchen, sich auf diese Landesregierung verlassen können. Diese fatale Fehleinschätzung und falschen Entscheidungen im Bereich Gesundheitswesen und der Kinder- und Jugendarbeit tun weh.

Ich erinnere an die Beratungen zum Öffentlichen Gesundheitsdienst Gesetz (ÖGD), die Sozial- und Gesundheitspolitiker wurden vor Ende der Beratungen, als es um verbindliche, standardisierte Eingangsuntersuchungen für Kita-Kinder ging, zurückgepfiffen.

Versuche, das ÖGD, auch in Anbetracht der öffentlichen Debatten über misshandelte Kinder nachträglich zu einem wirklichen "Gesundheitsdienstgesetz" zum Wohle der Kinder auszubauen, wurde wiederholt abgelehnt. Anträge zu diesem Themenkomplex wurden einfach verschleppt.

Sie haben scheinbar ein Angstsyndrom, mit dem alle zukunftsweisenden präventiven politischen Zielsetzungen, totgeschlagen werden. Das einzige, was Sie sich getraut haben, waren die Verpflichtungen zur Schuleingangsuntersuchungen und dass nur, weil der öffentliche Druck zu groß wurde.

Sie versuchen sich hier als Vorreiter in Sachen Kinderschutz aufzuführen und verweisen auf die Kinderschutzkonferenz am 11.12.06, auf das Netzwerk, dass aufgebaut werden soll. Sie verweisen auf das Sorgentelefon und sogar auf die Familienhebammen, die letztendlich die Kommunen bezahlen.
Eins muss ich Ihnen lassen, es ist Ihnen wochenlang gelungen, die Menschen und die Kommunen in Sachen Familienhebammen zu täuschen.

Die Menschen gingen davon aus, dass das so erfolgreiche Modellprojekt jetzt aufgrund seiner nachgewiesenen Erfolge im präventiven Kinderschutz flächendeckend eingeführt wird. Aber nein, die Kommunen die Familienhebammen einsetzen wollen, müssen die Kosten zu 100 Prozent selbst aufbringen. Das Land bezahlt lediglich die Qualifizierung und Fortbildung der Familienhebammen. Also Kinderschutz und Familienhilfe nach Kassenlage der Kommunen!  So etwas nennt man auch Billiglösung. Von Chancengleichheit für Kinder kann hier keine Rede mehr sein.

Anrede,

inzwischen ist die Meinungsbildung zur Frage des gesundheitlichen Schutzes von Kindern in der CDU dermaßen bunt und von Gegensätzen gekennzeichnet, dass man gespannt sein darf, wann und welche gemeinsame Linie dann die Tragende wird. Immerhin scheinen sie aber langsam in der Wirklichkeit von Familien angekommen zu sein.
Das darf man getrost als Aufwachen aus einer Lebenslüge bezeichnen. Schön, dass auch Sie langsam in der Realität ankommen.

Die Realität ist erschreckend, die inzwischen bekannt gewordenen Fälle sind nur die Spitze eines Eisberges, der gekennzeichnet ist durch das Dreieck: überforderte Eltern, unzureichende oder ebenfalls überforderte und unterfinanzierte Kinder- und Jugendhilfe, löchriger Gesundheitsschutz bzw. unzureichende Gesundheitsversorgung.

Die Zukunft eines verstärkten Kinderschutzes muss in einem verbindlichen präventiven Handlungsprogramm aller Zuständigen und beteiligten Stellen und Initiativen liegen.

Das Deprimierende ist, dass die CDU sich schwer tut, aus den bekannten Vorfällen und eigenen Fehlern zu lernen. Einen Schritt vor und zwei zurück,  so sieht der "Spring- und Lernprozess" der Christdemokraten aus.

Anrede,

wir haben ein Programm für ein familien- und kinderfreundliches Niedersachsen vorgelegt einschließlich eines Finanzierungsvorschlags, Herr McAllister. Unser Vorschlag baut darauf auf, dass Verantwortung nicht immer von einer Ebene zur anderen geschoben wird und Verantwortung auch in finanzieller Hinsicht übernommen wird.

Die familienpolitischen Verbände haben genau denselben Vorstoß unternommen "Kinderförderung statt Ehegattensplitting". Nehmen auch Sie zur Kenntnis, dass sich die Lebensrealität in den letzten Jahren stark verändert hat. Viele Familien brauchen zwei Einkommen, um über die Runden zu  kommen. Gleichzeitig fehlen Betreuungsangebote für Kinder, um Familie und Beruf miteinander zu verbinden.

Wir wollen die Kinderbetreuung für unter Dreijährige ausbauen, so dass ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung auch eingelöst werden kann. Familie und Beruf sollen besser miteinander vereinbar werden. Wir wollen, dass mehr und qualitativ bessere Kinderbetreuungsangebote in den Kommunen überall Realität werden.

Wir kippen mit unserem Programm kein Füllhorn aus. Nein, es ist ein dringend notwendiges Programm. Wir meinen es im Gegensatz zu Ihnen ernst, wenn wir über Kinderarmut, Kinderschutz Bildung und Chancengleichheit sprechen. Grüne machen nachhaltige und zukunftsfähige Politik, ob es Ihnen passt oder nicht. Da sind wir ganz auf einer Linie mit McKinsey und stellen uns den notwendigen quantitativen und qualitativen Herausforderungen.

Anrede,

Sie lassen sich für ein Programm zur Förderung familienfreundlicher Strukturen abfeiern und stellen dafür 100 Mio. € - jährlich 25 Mio. € bis 2010 - zur Verfügung. Das Land kommt damit zu einem Teil seiner Aufgabe zur Unterstützung der Kommunen bei der Umsetzung von (TAG) Tagesbetreuungsausbaugesetz und dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz(KICK) nach. Mehr nicht.

Die Landesregierung versucht mit dem Programm "Familie mit Zukunft" unter der Fahne "Abbau von Bürokratie", gleichzeitig die qualitativen Standards zu schleifen, um mit möglichst wenig Mitteleinsatz möglichst viel quantitative Betreuung zu bekommen.

Anrede,

Kinderarmut und Bildungsarmut sind eng miteinander verknüpft, an dem Punkt sind wir uns einig, aber die Landesregierung zieht daraus die falschen Konsequenzen.

Familienzentren nach dem Vorbild der Early Excellence Center könnten Eltern wirksam unterstützen. Das wäre die wirksamste Prävention gegen Kindervernachlässigung und zeitgleich eine Hilfestellung und Unterstützung von Familien nicht nur in Bildungsfragen sondern auch in sozialen und beruflichen Angelegenheiten. Doch das Land gibt das Geld lieber für Mehrgenerationenhäuser aus, obwohl es dasselbe Programm auf Bundesebene gibt. 

Anrede,

bleiben wir noch kurz bei der Kinder- und Jugendhilfe. Die notwendige Aufgabenwahrnehmung des Landes zum Wohl und Schutz von Kindern und zur Schaffung von gleichen Lebensverhältnissen durch ein einheitliches Landesjugendamt  wird ohne Not zerschlagen und damit die Service- und Mittlerfunktion des LJA.

Bewährte Beteiligungsstrukturen im Landesjugendhilfeausschuss werden ad hoc über einen Beirat ersetzt. Und die viel gepriesene Beteiligung der Bürger und die Zusammenarbeit mit den Freien Trägern im Eilverfahren abgeschafft.

Statt die Jugendhilfeplanung in Niedersachsen endlich zu stärken, wird genau der entgegengesetzte Weg gegangen und das staatliche Wächteramt deutlich geschwächt. Und das in Zeiten wo die Fälle von Jessica, Kevin und Nadine uns deutlich machen sollten, dass das Land aktiver tätig sein müsste und nicht sich aus der Jugendhilfe zurückziehen darf. 

Anrede,

Sie haben bis heute die Fragen nach Effizienzsteigerung durch die Abschaffung LJA nicht beantwortet, Sie drücken sich vor jeder Diskussion mit den Beteiligten und setzen den Willen Ihrer Innen- und Haushaltspolitiker so nebenbei im Rahmen des Haushaltbegleitgesetzes durch. Natürlich ohne Anhörung der Betroffenen, das wäre ja auch zuviel des Guten.

Niedersachsen übernimmt mit der Zerschlagung des LJA bundesweit eine traurige Vorreiterrolle. Ministerpräsident Wulff und seine Mann- und Frauschaft entpuppt sich bei diesem Versuch, sich bundespolitisch zu profilieren, wieder einmal als Destrukteur.

Anrede,

etwas mehr Rückgrat hätten wir uns in Sachen Heroinsubstitution gewünscht. Hier hatten wir große Einigkeit zwischen allen Fraktionen, dass die Heroinvergabe an Schwerstdrogenkranke fortgesetzt werden soll, weil die Ergebnisse des Bundesmodellprojekts mehr als positiv sind.

Schwerstdrogenabhängige sind mit Methadon nicht zu erreichen. Erst die Vergabe von Diamorphin bringt diese Gruppe der Süchtigen aus der illegalen Beschaffungskriminalität heraus und bewahrt sie vor der totalen gesundheitlichen Verelendung, die in vielen Fällen zum Tode führt.

Aus Angst vor Schlagzeilen "Heroin auf Krankenschein", wurde auch dieser Antrag verwässert. Immerhin blieb die Forderung nach Fortführung der Heroinvergabe. Doch selbst dieser Beschluss wurde nicht auf Bundesebene vertreten. Und so träumt die CDU/CSU weiter von einer drogenfreien Gesellschaft, ist aber in dieser Hinsicht weder selbst ein Vorbild, noch hat sie ein Rezept, wie sie diese erreichen kann.

So viel Starrsinn und mangelnde Einsicht in unsere gesellschaftlichen Realitäten hat man selten gesehen. Auch hier muss man fragen, wie finden bei der CDU Lernprozesse statt? Ich glaube, sie finden einfach nicht statt, bzw. mehr als langsam und hinken der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher, auf Negativ-Auswirkungen wir entweder nicht oder erst reagiert, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Anrede,

diese Art von Kurzsichtigkeit tut weh! Aber ich höre Sie schon heute wieder mit Forderungen nach dem Wegsperren von auffälligen Kindern und Jugendlichen, genauso wie Sie bei den Killerspielen, sofort nach Verboten schreien, obwohl Sie es eigentlich besser wissen müssten.
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