Rede Meta Janssen-Kucz: Zweite Beratung Haushalt 2005: Gesundheit/Jugend

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Anrede,
der von der Sozial- und Gesundheitsministerin Frau Dr. von der Leyen vorgelegte Haushalt ist einfach deprimierend. Die Regierungskoalitionen haben in ihrer Fraktionsklausur versucht zu kitten, doch über reine Makulatur sind sie nicht hinausgekommen. Mit Versprechungen hat man außerdem versucht, die Illusion zu wecken, dass nach dem Haushaltsjahr 2005 einiges wieder besser wird. Doch daran glaubt keiner
Das Haltbarkeitsdatum von Versprechen der schwarz-gelben Landesregierung hat keinen Wert. Es verfällt genauso schnell wie Milch sauer wird. Da nützen auch keine salbungsvollen Versprechen, am besten noch im staatstragenden Ton vom Ministerpräsidenten. Letztendlich wird einfach durchgezockt, brutal gekürzt.
Dies geschieht natürlich immer mit Verweis auf die extrem hohe Verschuldung des Landes, die zu diesen harten Einschnitten zwingt. Ansonsten findet die Landesregierung in Sonntagsreden immer wieder schöne Worte, um die Menschen zu beruhigen und ihnen zu beteuern, wie wichtig ihre Programme und Maßnahmen sind und wie sie von ihnen wertgeschätzt werden.
Doch all die schönen Worte sind Schall und Rauch und kaufen können die Menschen sich davon nichts.
Anrede,
Sie haben die Entscheidung getroffen, die Städtebauförderung und die Förderung der sozialen Stadt auszusetzen. Dabei wissen Sie genau, vor welchen immensen Herausforderungen die Kommunen im Zuge des demografischen Wandels, der Globalisierung, der Zersiedlung und der Suburbanisierung stehen. Doch das scheint Sie nicht zu interessieren.
Sie lassen die Kommunen und Städte in diesen schwierigen Zeiten in Stich, beschließen eine Förderpause und sind auch nicht bereit in das Zukunftsthema Stadtumbau West einzusteigen. Mit Ihren Beschlüssen zum Haushalt leiten Sie sukzessive die Beerdigung der Kommunen ein.
Sie – die immer so kommunalfreundlich sein wollen, verhalten sich kommunalfeindlich. Allein die Kommunen in Niedersachsen verlieren durch ihre Art der Haushaltskonsolidierung 150 Mio. € an Zuschüssen, da hilft alles Schönreden von Seiten der Regierungsfraktionen nichts.
In den Projekten der sozialen Stadt, dort, wo Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebedürftigkeit zu einer Kumulation von Problemen, der Verwahrlosung von Häusern und der gesamten Wohnumgebung führen, wo Alkoholismus, soziale und gesundheitliche Verelendung das tägliche Leben bestimmen, brauchen wir dringend Perspektiven für die Menschen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse.
Es geht nicht darum, wie von der Ministerin zu hören war, in Beton zu investieren, nein, hier wird in Menschen investiert und in ihr Wohn- und Lebensumfeld, das gehört zusammen. Diese Menschen brauchen eine neue soziale Infrastruktur, die zu nachhaltigen Lebensverbesserungen führen soll.
Anrede,
generell scheint der Begriff "soziale Infrastruktur" für diese Landesregierung ein Fremdwort zu sein.
Zur sozialen Infrastruktur in Niedersachsen gehört auch die Gesundheitspolitik. Die Landesregierung redet gerne viel von Prävention und Gesundheitsförderung, sobald es aber konkret wird, kommt entweder nichts oder es wird radikal gekürzt.
Sie streichen die Zuschüsse an die Gesundheitszentren Osnabrück und Göttingen. Damit vernichten Sie Einrichtungen, in denen sich Menschen aus verschiedenen gesundheitlichen Berufen und engagierte, interessierte BürgerInnen für ihre Gesundheit und die ihrer Mitmenschen engagieren.
Die CDU und auch die FDP propagieren immer gerne "Eigenverantwortlichkeit", hier treten sie den Menschen vors Schienbein, die mit minimalen Landeszuschüssen Eigenverantwortlichkeit und gesamtgesellschaftliche Verantwortung praktizieren.
Sie treten bürgerschaftliches Engagement mit Füßen, denn auch bürgerschaftliches Engagement braucht eine angemessene Infrastruktur mit Personal- und Sachkosten - sie ist nicht zum Null-Tarif zu haben.
Anrede,
haben Sie nicht in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, dass Sie die Prävention im Gesundheitswesen stärken wollen? Dabei praktizieren Sie in Niedersachsen das genaue Gegenteil! Sie kürzen und streichen, was das Zeug hält.
Ihre Streichorgien und Kürzungen bedeuten jedoch keine Einsparungen für das Land, sie bewirken das genaue Gegenteil. Wenn gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen wegfallen, kommen auf die Gesellschaft gewaltige Folgekosten zu. Vor diesen Folgekosten schließen Sie die Augen! Sie verstehen nichts von nachhaltiger Politik!
Anrede,
so wie Sie mit den Gesundheitsläden jetzt verfahren sind, wollten Sie mit dem EMZ (Ethno-Medizinisches-Zentrum) verfahren, einfach weg damit.
Sie wollten diese bundesweit modellhafte Arbeit, die im Bereich "psychosoziale und medizinische Beratung von Flüchtlingen und Ausländern" geleistet wird, einfach wegstreichen. Sie wollten die beispielhafte Kooperation mit Kliniken, Gesundheitsämtern, Krankenkassen, Ärztekammern, Justizvollzugsanstalten und Behörden zerschlagen. Jetzt gibt es zumindest nach langem Hin und Her noch einen Zuschuss, damit die Einrichtungen die nächsten Monate überleben und an zukunftsfähigen Perspektiven arbeiten können.
Ihr Ziel dabei ist klar, entweder wird das EMZ in die neue Präventionsstiftung des Bundes überführt oder das EMZ schließt. Für innovative, zukunftsweisende Projekte im Gesundheitsbereich ist das Land Niedersachsen offenbar nicht zuständig.
Anrede
doch hier passiert noch etwas anderes, die niedersächsische Gesundheitsministerin versucht sich hier zu Lasten der GKV-Präventionsstiftung zu entlasten. Und die droht ein "bürokratisches Monster" zu werden – unter Beteiligung der Ministerin in der Bund-Länder-AG.
Diese Politik ist verantwortungslos und trifft gerade in diesem Bereich wieder einmal die Schwachen und die Minderheiten, denn die haben offensichtlich in dieser Landesregierung, mit dieser Gesundheitsministerin, keine Lobby.
Auch die externe Suchtberatung in den Knästen hat sich die Gesundheitsministerin vom Hals geschafft. Dafür ist jetzt das Justizminsterium zuständig, dafür gibt es aber keine Haushaltsmittel. Das bedeutet, dass mit Beginn des Jahres 2005 die fachlich sehr kompetente Arbeit endgültig eingestellt wird.
Zukünftig werden die Justizvollzugsbeamten, geschult in einem 4 Wochen Crash-Kurs darüber entscheiden, wer in welche Therapie kommt. Das kann und wird nicht gutgehen, darauf gebe ich Ihnen schon heute Brief und Siegel. Es wird viele Fehlplatzierungen in den suchttherapeutischen Einrichtungen geben.
Anrede,
als Erfolg wird die Beratungs- und Präventionsarbeit der Aids-Hilfen in Niedersachsen abgefeiert. Doch defacto wird der minimale Standard gerade so gehalten. Das ist nicht ausreichend, die Arbeit ist weiterhin unterfinanziert.
Alarmierend ist doch die Sorglosigkeit vieler Jugendlicher im Umgang mit den Risiken einer HIV-Infektion. Hier ist differenzierte Präventionsarbeit notwendig, notwendig sind neue Wege, um verstärkt Aufklärung in den Schulen zu betreiben und das Problembewusstsein junger Menschen zu schärfen.
Die immensen krankheitsbedingten Folgekosten stehen letztlich in keiner Relation zu einem vergleichsweise minimalen Kosteneinsatz. Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben, wenn Sie Ihre Aufgabe und Verantwortung als Landesgesundheitsministerin ernst nehmen. Aids kennt keine Grenzen und die Folgekosten hat die Gesamtgesellschaft zu tragen. Und gegen Aids gibt es auch immer noch keinen Impfstoff, dass sollten Sie, wenn Sie Ihre Impfkampagnen im Lande fahren auch deutlich machen.
Man kann und wird sich auch zukünftig nicht gegen alles und jedes impfen lassen können. Manchmal kann man angesichts der Verlautbarungen des Landesgesundheitsamtes den Eindruck bekommen, die Medizin sei omnipotent und könne mit der Impferei ein Rundum-Sorglospaket verkaufen. Das weckt Illusionen!
Anrede
Das gesundheitspolitische Bewusstsein der schwarz-gelben Landesregierung passt hervorragend zu dem Agieren der Ministerin auf Bundesebene, wenn es um die Kopfprämie oder um den Kopfprämienkompromiss geht.
Das von Ihnen unterstützte Modell ist Murks, bleibt Murks und wird hoffentlich immer ein Papiertiger bleiben. Doch es zeigt deutlich den Weg, den die CDU auf Bundesebene gehen will und der hier in Niedersachsen schon mal aufgezeigt wird: Der Weg in eine ungerechte und vor allem unsolidarische Privatisierung der Gesundheitsrisiken bei geringer Basisversorgung. Sie wollen den Weg in den Thatcherismus gehen, komme was da wolle.
Das werden wir zu verhindern wissen: mit der solidarisch-finanzierten Bürgerversicherung.
Anrede,
noch ein paar Worte zur Kinder- und Jugendpolitik. Hier haben Sie außer Ihrem Mehrgenerationenhaus nicht nur nichts auf den Weg gebracht, Sie lassen die Familien mit Kindern und insbesondere junge Menschen allein.
Gestrichen haben Sie zumindest die kostenintensive und unsinnige Unterbringung in geschlossenen Heimen für Kinder. Diesen Kinderknast mit pädagogischem Anstrich haben wir Grünen immer abgelehnt. Doch anstatt innovative Konzepte zur Unterstützung der Familien und der kommunalen Jugendhilfe im Umgang mit mehrfachdeliquenten Kindern auf den Weg zu bringen, legen Sie nach dem großen medienwirksamen Aufschlag die Hände einfach in den Schoß.
Und was bleibt am Ende? Sie haben eine Einsparung im Haushalt gebracht, aber ansonsten wird auf den nächsten Medien-Gau mit Mehrfachintensivtätern gewartet. Und dann wird wieder law and order propagiert. Vielleicht gibt es dann nach dem Alten-Knast den Kinder-Knast, für den dann die Justizministerin blecht.
Ich frage Sie, wo bleibt Ihre Unterstützung für diese Kinder und ihre Familien, wo bleibt die Unterstützung der kommunalen Jugendhilfe?
Anrede,
der Bereich Jugendsozialarbeit ist auch ein Stiefkind in Ihrem Ministerium. Die Beratung und Vermittlung jugendlicher Arbeitsloser ist zwar vorerst übergangsweise gesichert, aber auch nur deshalb, weil die Landesregierung ansonsten die EU-Mittel verschenken würde und gar nichts mehr zu bieten hätte. Es bleibt aber weiterhin unklar, wie die Mitarbeiter von RAN in Zukunft übergeleitet und von wem sie bezahlt werden. Das Gleiche gilt tendentiell bei den Pro-Aktiv-Centern.
Was spielt sich eigentlich in den Verhandlungen mit der Bundesagentur ab? Sind Sie oder die Bundesagentur nicht in der Lage, oder nicht willens sich zu einigen? Wie sind solche Sätze von Trägern zu interpretieren, in denen es heißt: "Das Tischtuch zwischen der Regionaldirektion und der Landesregierung ist zerschnitten (”¦) und wir und die jungen Menschen sind die Leidtragenden!" Muss es wirklich soweit kommen?

Anrede,
der Jugendbereich hat im letzten Haushalt ja schon heftig geblutet, so dass hier nicht mehr viel zu holen war, dennoch werden die Mittel aus der Spielbankenabgabe und der Konzessionsabgabe noch einmal um rund 25 % gekürzt. Die Auswirkungen in der Jugendverbandsarbeit wird jeder einzelne hier im Parlament vor Ort spüren: die Angebote werden sich auf ein Mindestmaß reduzieren, so dass längst nicht mehr soviele Kinder und Jugendliche erreicht werden können.
Aber Ihnen ist ein einmaliges Husarenstück gelungen, Sie sind dabei, mit einem Hieb die politische Bildungsarbeit von über 30 Jahren in Niedersachsen zu zerschlagen. Nicht nur dass Sie die Landeszentrale für politische Bildung einfach abwickeln, Sie treiben den Jugendhof Steinkimmen in die Insolvenz und auch für die Jugendbildungsstätte auf Juist ist die Situation äußerst kritisch.
Anrede,
der Jugendhof Steinkimmen hat mit seinem qualifizierten pädagogischen Angeboten im Bereich der geschichtlichen und politischen Bildung und der Jugendarbeit den gesellschaftlichen Wandel begleitet und mitgestaltet.
Die Arbeit der Bildungsstätte ist aus unserer demokratischen Geschichte nicht weg zu denken und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und zum Erhalt der demokratischen Kultur und zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Der Jugendhof hat als Landesjugendakademie in den letzten Jahren die Fortbildung und Qualifizierung von Fachkräften in der Jugendarbeit tätigen Personen übernommen. Sie ist eine tragende Säule der überverbandlichen Jugendbildungsarbeit.
Die Landesregierung bringt diese Säule zum Einstürzen. Sie sind nicht einmal bereit, den Akteuren eine Übergangsfinanzierung zu gewähren, um den Fortbestand des Jugendhofs und seine Bedeutung für die Region zu sichern.
In meinen Augen ist es schon fast schizophren, wenn Sie den Jugendhof Steinkimmen in die Insolvenz treiben während in der Nähe Volksverhetzer versuchen eine Bildungsstätte aufzubauen, um rechte politische Agitation zu betreiben. Ich kann nur hoffen, dass es gelingt mit Hilfe der deutschen Rechtsprechung, dieses Unterfangen zu verhindern.
Anrede,
wenn Sie wirklich Jugendbildung und Prävention ernst nehmen würden, hätten Sie nach Lösungen gesucht. Das haben Sie nicht getan, Sie hatten es nicht einmal nötig, Vorschläge auch aus den eigenen Reihen zu prüfen. Das nenne ich ignorant und zerstörerisch und eindeutig deprimierend für alle handelnden Akteure. Doch diese Linie zieht sich durch den gesamten Gesundheit, Kinder- und Jugendhaushalt.
Diese Art von Politikgestaltung hat nichts Innovatives und Nachhaltiges, sondern wirkt nur zerstörerisch!
Wie ist auch noch der Lieblingsspruch des Umweltministers:
Wir machen Politik mit den Menschen und nicht gegen die Menschen!
Bei dieser Art von Politik ist dieser Spruch ein Hohn!

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