Rede Meta Janssen-Kucz: Schünemanns Purzelbaum bei der Kita-Förderung: Wer wenig Kitas baut, profitiert - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/983

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Auszug aus dem Plenarprotokoll vom 28.4.2004
Aktuelle Stunde: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/983
Zuerst spricht Frau Janssen-Kucz von Bündnis 90/Die Grünen dazu.
Meta Janssen-Kucz (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Wochen wurde vom Statistischen Bundesamt der Bericht zur Kindertagesbetreuung in Deutschland vorgelegt. Dieser Bericht macht deutlich: Niedersachsen gehört in Deutschland immer noch zu den Schlusslichtern in Sachen Kinderbetreuung. Bundesweit haben wir 33 % Kita-Ganztagsplätze, die alten Länder 21 %, aber Niedersachsen nur 13 %. Wenn das kein Schlusslicht ist!
Aber es geht noch weiter. Noch weiter hinten liegen wir bei Krippen und bei der Hortbetreuung.
(Vizepräsident Ulrich Biel übernimmt den Vorsitz)
Dort können wir nur 2 % bis 3 % anbieten, bundesweit sind es zumindest 9 %. Das macht ganz deutlich: Dieses Land tut rein gar nichts für die ganz Kleinen.
Kommen wir noch zu der Ausstattung. Das Land zahlt 2 500 Euro jährlich pro Platz. Auch wieder bundesweit absolutes Schlusslicht! Diese Landesregierung trägt in Sachen Kinderbetreuung absolut die rote Schlusslaterne.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die CDU ist mit Wahlversprechen angetreten: Bildungsauftrag stärken. Jetzt haben wir einen unverbindlichen Bildungsorientierungsplan. Er nennt sich noch nicht einmal Bildungsplan.
Das dritte kostenfreie Kindergartenjahr wird auch noch wild diskutiert. Herr McAllister, ich kann mich entsinnen, in Ihrem Programm stand: "Betreuungsangebote vom Kleinkindalter bis zum Ende des Grundschulalters werden wir ausbauen." Der Geist mag ja wohl willig sein, aber Ihr Fleisch ist ziemlich schwach. Packen Sie es endlich mal an!
(Beifall bei den GRÜNEN)
Herr Busemann versucht nur noch, das Bestehende zu sichern; von Verbesserungen keine Spur. Bei der Betreuung von Kleinkindern bestreitet er sogar den Bedarf. Frau von der Leyen sieht zumindest einen Nachholbedarf. Außer Sonntagsreden habe ich nichts gehört.
Aber wir haben immer noch eine dritte Stimme in diesem Bunde. Der Herr Innenminister meldet sich unheimlich gerne zu Wort. Fachlich ist er nicht unbedingt die ganz große Leuchte.
(Widerspruch und Unruhe bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Unerhört!)
Das hat mir seine Rede über Kitas vor dem Landkreistag gezeigt. Vielleicht sollten ihm seine Fachleute mal sagen, dass es keine Verwaltungsvorschriften zum Abstand von Kleiderhaken in den Kitas gibt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das hat er erzählt. Mit heldischen Gebärden hat er so getan, als könne er die ganz alleine abschaffen und würde das jetzt auf den Weg bringen. Da gibt es gar nichts abzuschaffen, will ich Ihnen mal sagen.
Dieser Innenminister kann es aber nicht lassen, unausgegorene Ideen zur Neuordnung der Landesförderung für die Kitas an die Öffentlichkeit zu bringen. Nach Ihrem Kopfstand in Sachen Kinderkopfpauschale hatten Sie, Herr Schünemann, mir im Januar auf eine Anfrage gesagt, nach drei Wochen würden Ihre Berechnungen vorliegen.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Das kommt darauf an, von wann man zählt!)
Wo sind Ihre Berechnungen zur Kinderkopfpauschale?
(Beifall bei den GRÜNEN)
Nach diesem Kopfstand kommen Sie mit einem neuen Purzelbaum. Sie nehmen einfach Geld aus den Zuschüssen für bedürftige Kommunen. Sie nehmen aus diesem Topf etwas heraus, plündern diesen Topf, um das in Ihr System zu packen, um es letztendlich ohne Zweckbindung einfach so zu verteilen.
Nebenbei wildern Sie noch bei Herrn Busemann herum. Sie haben ihm den Vorschlag gemacht, er könne sich mal den Topf zur Sprachförderung angucken. Ursprünglich waren 7,9 Millionen Euro drin, die sind schon auf 6 Millionen Euro gerupft worden. Jetzt bin ich gespannt, was Herr Schünemann noch von Ihnen will, was er noch ohne Zweckbindung in den KFA packen will. Aber ich glaube, Sie schmunzeln nur, weil Sie wissen, das ist von diesem Innenminister alles heiße Luft.
(Beifall bei den GRÜNEN - Heiterkeit bei der SPD)
Herr Busemann, ich gehe davon aus, dass auch Sie wissen, dass es keine durchdachte und keine durchgerechnete Kabinettsvorlage gibt. Sie haben noch rein gar nichts schriftlich vorgelegt bekommen. Vielleicht sollte man diesen Innenminister endlich mal in dieser Sache zurückpfeifen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Mit seinem Populismus trägt er doch regelmäßig zur Verunsicherung von Eltern und Kindern sowie Erzieherinnen bei. Aber an der katastrophalen Betreuungssituation ändert sich nichts. Herr McAllister, wenn Ihr Kind so weit ist, werden Sie auch dahinter kommen.
Bis dato hatten wir ein vernünftiges Prinzip: Geld bekam die Kommune, die etwas für die Kinder getan hat, also Halb- und Ganztagsplätze geschaffen hat. Wer keine Plätze geschaffen hat, bekam kein Geld. Aber was will der Innenminister? Der will einfach das Geld so verteilen, ohne einen einzigen zusätzlichen Kita-Platz zu schaffen. So kann man das natürlich auch machen. Aber passen Sie auf, dass Ihnen das nicht auf den Kopf fällt.
(David McAllister [CDU]: Wir sind doch nicht in der Turnstunde!)
Das hat nichts mit Stärkung des ländlichen Raums zu tun. Das hat auch nichts damit zu tun, dass Sie irgendwelche Kita-Plätze schaffen. Sie verteilen Geld ohne Gegenleistung. Die Kommunen, die Sie im Auge haben, sind CDU-regiert. Die sind seit über zehn Jahren, seit Bestehen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, ihrer gesetzlichen Verpflichtung trotz des Zuschusses durch das Land nicht nachgekommen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die Kommunen, die in den Ballungsgebieten ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, schauen letztendlich in die Röhre. Dieser Innenminister verballert das Geld,
(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD)
das ihm nicht gehört, ohne dass dafür dringend benötigte Kita-Plätze geschaffen werden. Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Diese Gerechtigkeit und auch fachliche Standards und soziale Ausgewogenheit hat Herr Busemann doch eingefordert. Herr Innenminister, passen Sie auf, dass Sie bei Ihren Purzelbäumen nicht im Überschlag enden. Das tut fürchterlich weh. - Danke.
(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Das war eine reine Turnstunde! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Geben Sie Ihre Zurückhaltung auf, Herr Innenminister!)


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