Rede Meta Janssen-Kucz: Haushalt 2006 Gesundheit, Kinder, Jugend
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Anrede,
der vorgelegte Haushalt für das Jahr 2006 in den Bereichen Gesundheit und Kinder- und Jugendpolitik ist eine einfache Fortschreibung der vorangegangenen Haushalte der schwarz-gelben Landesregierung. Eigenständige Akzente sind beim besten Willen nicht zu erkennen, trotz vieler vollmundiger Ankündigungen.
Und das wundert auch nicht, da die CDU, wie in der kontroversen Debatte zur Auswertung des Wahlergebnisses in ihrem Parteivorstand deutlich wurde, ihr soziales Profil verloren hat und sich auf ihre aus der katholischen Soziallehre herrührenden Grundsätze immer weniger bezieht. Sie verkünden "Mehr Freiheit wagen" und vergessen das Ziel der sozialen Gerechtigkeit, meine Damen und Herren von der CDU.
Das traurigste Beispiel ist der Bereich der Palliativmedizin und der Hospizversorgung. Obwohl die Landesregierung immer wieder öffentlich versucht zu dokumentieren, wie wichtig ihr das Thema ist, ist bis zum heutigen Tag kaum etwas in Bewegung gekommen.
Seit Herbst 2004 liegt das Gutachten über die Palliativversorgung in Niedersachsen vor, die Auswertung durch die ehemalige Landes- und jetzige Bundesministerin Frau von der Leyen fand dann im März 2005 statt. Deutlich wurde eins: die Palliativversorgung soll verbessert werden, doch kosten darf sie nichts.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Frau Mundlos, fordert: "Statt neue Institutionen zu schaffen, müssen die Handelnden vor Ort in einem freiwilligen Zusammenschluss in ein Netzwerk eingebunden werden. Die ganze Bewegung muss noch mehr Dynamik bekommen."
Diese Linie wurde auch mit der Vorlage des Haushalts 2006 weiter verfolgt, hier war nicht einmal eine Haushaltsstelle vorgesehen. Doch nachdem wir mittlerweile den 2. Antrag der Regierungsfraktionen zur Palliativversorgung vorliegen haben, hat man sich zumindest in der Haushaltsklausur auf einen Merkposten geeinigt. Als etwas anderes kann man die 250.000 € nicht bezeichnen.
Allen Fachleuten ist bekannt, dass allein die Einrichtung einer palliativ-care-Station 200.000 € kostet. Um dem eigenen Anspruch genüge zu tun, müssen für eine flächendeckende Versorgung mindestens vier Palliativ-care-Stationen in Niedersachsen eingerichtet werden. Die dafür benötigten 800.000 € sind in Ihrem Haushalt nicht vorgesehen; wir haben sie in unseren Haushaltsänderungsantrag eingestellt.
"Dynamik", Frau Ministerin Ross-Luttmann und Frau Mundlos, hat die ganze Diskussion über Palliativmedizin und Hospizeinrichtungen, durch die hitzige Debatte über Dignitas und deren zwiespältige Sterbehilfe mehr als genug. Dabei haben viele das Gezänk zwischen CDU und FDP um die Einladung von Herrn Minelli als unreif und kindisch empfunden.
Wir Grüne unterstützen die im ganzen Land ehrenamtlich Engagierten, die seit Jahren dazu beitragen, die Hospizversorgung und die Begleitung Sterbender zu verbessern. Und wir vergessen nicht das Engagement der Medizin, die schon lange für eine bessere Palliativmedizin und -versorgung streitet.
Anrede,
im Bereich der Palliativmedizin und der Hospizversorgung ist das Agieren der Landesregierung ein Trauerstück - im wahrsten Sinne des Wortes. Das noch als Erfolg der Fraktionsklausur zu verkaufen ist ein unwürdiges Schauspiel für die Betroffenen und ein Armutszeugnis für die Sozial- und Gesundheitspolitik, insbesondere auch in Anbetracht der demografischen Entwicklung.
Anrede,
ein Beispiel nicht eingelöster Versprechungen ist die Verbesserung der Versorgung schwerst kranker Kinder, auch hier hat sich kaum etwas bewegt und die Mittel wurden sukzessive zurückgefahren. Geradezu skandalös sind die Pläne der Landesregierung künftig auch schwerstkranken Kindern Mittel aus der Stiftung "Kinder von Tschernobyl" zukommen zu lassen. Das ist eindeutig eine Zweckentfremdung der Stiftung "Kinder von Tschernobyl".
Wenn die Sozial- und Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktion etwas Rückgrat hätten, wenn der politische Wille innerhalb der schwarz-gelben Landesregierung vorhanden wäre, wäre es sicher ein Leichtes, 500.000 € mehr in die TG 64 zu stellen und sich die Landesaufgabe zur Versorgung von schwerstkranken Kindern nicht von der Tschernobyl-Stiftung bezahlen zu lassen.
Anrede
in der Jugendpolitik sprechen Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, gerne über Prävention, doch wenn Sie Ihr Anliegen konkretisieren sollen, kommt nichts dabei heraus. Bestes Beispiel ist der Antrag: Niedersächsische Jugendpolitik neu ausrichten. Ihre Schlagworte: Effizienzsteigerung, Synergieeffekte, Bürokratieabbau und Kosteneinsparung gelten auch für die Jugendpolitik und inhaltlich wird nichts Neues präsentiert. Es wird auf Repression gesetzt und die, die sich ehrenamtlich engagieren, bekommen zur Belohnung ein "Jahr der Jugend".
Die Mittel für Prävention streichen Sie weiter auf bescheidene 265.000 € zusammen, viele Erfolg versprechende Projekte sind bereits ausgelaufen oder laufen aus.
Nach außen werden die Projekte gelobt, nach innen still und leise abgewickelt. Der Kinder- und Jugendplan der SPD-Vorgänger-Regierung verschaffte zumindest ein gewisses Maß an Transparenz und die Maßnahmen wurden evaluiert, doch Transparenz und Evaluierung sind für diese Landesregierung im Bereich der Jugendpolitik Fremdwörter. Nachhaltige Jugendpolitik wird nur über finanzielle Einsparungen definiert.
Anrede,
noch so ein Husarenstück ist die gezielte Förderung der Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen. Nach der Bestandsaufnahme und den Ergebnissen des Förderprogramms "Lebensweltbezogene Mädchenarbeit", das Ende des Jahres ausläuft, wird allen Akteurinnen bescheinigt, dass sie sehr gute Arbeit geleistet haben und dass die Notwendigkeit besteht, Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln.
Doch mehr als Impulse an die örtliche Ebene soll es von Seiten des Landes scheinbar nicht geben. Mittlerweile hat man sogar die Erläuterungen im Haushalt zur TG 61, die die Mittel an Gender Mainstreaming binden, unter den Tisch fallen lassen.
Jetzt wollen sie in eine Moderatorenausbildung investieren, damit die Fachkräfte der Jugendpflege und Jugendhilfeplanung wieder einmal eine zusätzliche Landesaufgabe übernehmen. Wenn die Sozialministerin Gender Mainstreaming in Niedersachsen als ein wichtiges Element der Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendhilfe etablieren möchte, dann muss sie dafür sorgen, dass an die bestehenden Strukturen angeknüpft wird und nicht die Arbeitsergebnisse negieren, denn damit wären die Finanzmittel von 14 Jahren geschlechtergerechter Kinder- und Jugendhilfe zum Fenster hinaus geworfen.
Frau Ross-Luttmann, Sie sagen, Sie wollen einen Schwerpunkt auf die Jugendpolitik legen. Tun Sie das und nutzen Sie dieses Wissen, um dem Ziel einer geschlechtergerechten Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen näher zu kommen.
Anrede,
außer den Mehrgenerationenhäusern ist in Niedersachsen von der Ministerin von der Leyen nichts auf den Weg gebracht worden. Familien mit Kindern und insbesondere junge Menschen werden weiterhin allein gelassen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit verbundenen städtebaulichen Funktionsverluste setzen wir stadtentwicklungspolitisch auf den Beginn des Programms "Stadtumbau West".
Auf Bundesebene ist man sich einig und setzt sich für die Fortsetzung des Programms auch unter schwarz-rot ein. Wir fordern sie daher zur landesseitigen Gegenfinanzierung der Bundesfinanzhilfen des Bund-Länder-Programms "Stadtumbau West" auf.
Warten Sie nicht erst das Ergebnis der Enquete-Kommission ab.
Anrede,
stiefmütterlich wird im Sozialministerium auch der Bereich der Jugendsozialarbeit behandelt. Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit sprechen ihre eigene Negativ-Sprache. Man hat den Eindruck, als ob mit der Einführung von Hartz IV, das Thema Jugendarbeitslosigkeit jetzt von den Argen und Optionskommunen bearbeitet werden soll und alle Verantwortung auf die Bundesebene geschoben wird. Dabei sollte dieses Thema einmal Chefsache werden und oberste Priorität erhalten, davon ist nichts mehr zu merken. Spürbar ist nur, dass die Perspektivlosigkeit junger Menschen in Niedersachsen zugenommen hat. Traurig – aber wahr!
Anrede
Zum Schluss möchte ich auf eine Kleinigkeit im Haushaltsänderungsantrag der Regierungsfraktionen hinweisen, die bezeichnend für ihr politisches Denken und Handeln ist. Der Beratungsstelle des Landesverbandes der Sinti und Roma werden 20.000 € genommen, um sie den niedersächsischen Aids-Hilfen zu geben. Damit spielen sie zwei völlig unterschiedliche Gruppen, die beide intensiver öffentlicher Unterstützung und Solidarität bedürfen, gegeneinander aus.
Auf welches Niveau ist diese Landesregierung eigentlich gesunken, dass sie auf solche grotesken Schritte zurückgreift?