Rede Meta Janssen-Kucz: Fortführung der Substitutionstherapie mit Heroin

Anrede,

wir Grüne hatten auf die Einbringung unseres Antrages zur Fortführung der Substitutionstherapie mit Heroin im Juni Plenum verzichtet und den Antrag direkt überwiesen. Hintergrund war, dass aus den Reihen der FachpolitikerInnen und von der Sozialministerin klare Signale kamen mit dem Ziel einen gemeinsamen überfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen. Um diese Gemeinsamkeit, das gemeinsame Ziehen an einem Strang, im Sinne der Sache, im Interesse der Heroinabhängigen im Projekt, nicht zu gefährden, haben wir uns darauf eingelassen.

Doch was dann passierte, ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus. Der am Rande des Plenums in Zusammenarbeit mit der Ministerin und nach Zustimmung des parlamentarischen Geschäftsführers erarbeitete Änderungsantrag kam dann am 28.06. in den  Ausschuss. Es wurden noch 2 kleine Korrekturen vorgenommen und der wurde einstimmig von allen Fraktionen beschlossen.

Und jetzt, am Montag stellt sich raus, dass die CDU Fraktion unter Führung genau derselben parlamentarischen Geschäftsführung den Änderungsantrag nicht mitträgt. Vielfältige Bemühungen, doch noch einen gemeinsamen, tragfähigen, in der Sache nach vorne weisenden Antrag auf den Weg zu bringen, scheiterten am Montag an den Heckenschützen in Ihrer Fraktion.

Anrede

Liebe Fraktion der CDU, da lassen sie ihre Ministerin und ihre Sozial- und Gesundheitspolitiker ganz schön im Regen stehen, bzw. sie führen sie hier und heute vor. Fakt ist nun, das ihr Wort  und ihr Sach- und Fachverstand in der Fraktion keinen Stellenwert haben, sondern die Hardliner der alten konservativen Drogenpolitik wieder mal den populistischen Durchmarsch starten. Und alle folgen, weil die Fraktionsgeschäftsführung der CDU ein unsägliches Machtwort gesprochen hat. Die sonst drogenpolitisch liberal agierende FDP folgt brav dem Koalitionspartner.

Festzustellen ist an diesem Antrag, dass der alte ideologische Streit um die Ausrichtung der Drogenpolitik in der CDU offenbar immer noch nicht beendet ist. Die CDU auf Bundes- und auf Landesebene ist immer noch nicht in der bundesdeutschen Drogenrealität angekommen, sie hängt lieber den alten Drogen - Befreiungsträumen nach. Dieser alte Konflikt ist jetzt mit unserem Antrag wider besseres Wissen aufgebrochen. Und er bricht interessanterweise auch zwischen denen, die das Drogenelend in den Großstädten kennen und denen, die mehr auf dem Lande beschaulich und fern der knallharten Existenzprobleme der Heroinabhängigen leben, auf. Wie sonst erklären Sie sich zum Beispiel, dass sämtliche OberbürgemeisterInnen jedweder Couleur aus dem Modellkommunen sich einmütig für die Fortsetzung der Heroinvergabe ausgesprochen haben?

Anrede

Es gab klare Worte auch in Niedersachsen, die dafür stritten, dass es eine Fortsetzung des Projekts kontrollierte Heroinvergabe an Schwerstdrogenabhängige gibt. Frau Mundlos, immerhin stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion verkündete noch Anfang Mai, dass die Heroinbehandlung bei Schwerstabhängigen im Vergleich mit der Methadonbehandlung "signifikant bessere Ergebnisse" vorweise , dies beträfe sowohl die Besserung des Gesundheitszustandes wie auch den Rückgang des illegalen Drogenkonsums. Folgerichtig plädierte sie für eine Fortführung des Projekts. Diese Meinung wurde in einer weiteren Pressemitteilung zum Antidrogentag bestätigt.

Inzwischen hat auch die Gesundheitsministerkonferenz in ihrer Entschließung vom 30.6.07 die positiven Wirkungen des Bundesmodellprojekts bestätigt. Und jetzt, jetzt wird es hier gleich ein paar schöne Worte zu den positiven Konsequenzen aus dem Heroinprojekt kommen, aber keine klare Konsequenz bzw. Aussage hinsichtlich der unverzichtbaren Verschreibung von Diamorphin bzw. Heroin als normale therapeutische Leistung der Krankenkassen gezogen. Genau deshalb halten wir auch an der gemeinsamen Ausschussempfehlung fest.

Anrede

Sucht ist eine Krankheit! Dies wird immer wieder verdrängt oder vergessen. Eine Krankheit muss man therapeutisch behandeln noch dem neuesten Stand der medizinisch-therapeutischen Erkenntnisse, und zwar über die Krankenkassen wie jede andere Krankheit auch. Und es hat sich gezeigt, dass man Schwerstabhängige selbst mit Methadon nicht erreichen kann, geschweige denn mit Drogenfreiheitsphantasien. Es geht darum, heroinabhängigen Menschen einen Weg aus der Sucht zu zeigen, ihren Gesundheitszustand zu verbessern, die Beschaffungskriminalität/Prostitution stark zu reduzieren, bzw. komplett zu vermeiden. Es geht darum, die gesundheitliche und soziale Situation der Abhängigen so zu stabilisieren, dass sie für ein einigermaßen geordnetes Leben überhaupt ansprechbar werden. Das können sie nur über eine akzeptierende Drogenarbeit hinbekommen!

Es geht darum, die positiven Erfahrungen mit dem Projekt, bestätigt durch die wissenschaftliche Begleitforschung, zu verstetigen und die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen und Entscheidungen desGemeinsamen Bundesausschusses auf den Weg zu bringen.

Hier weiter das alte ideologische Lied der Drogenfreiheit zu fordern und den flotten Spruch, der Staat dürfe sich nicht als Dealer betätigen, zu predigen, bringt uns alle nicht weiter, geht an den Realitäten vorbei, ist pure Heuchelei. Wo sich etwa ihr Familienbild im Schleichtempo der gesellschaftlichen Realität annähert, herrscht beim Thema Sucht in der CDU politischer Katholizismus. Dass gerade die kontrollierte Heroinabgabe nachweislich dazu führt, viele Abhängige in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren und Abstinenz nicht selten am Ende dieses Weges steht, wird verschwiegen. Wo Ideologie die Sicht verstellt, bleibt für notwendigen Pragmatismus kein Raum.

Ich hoffe, dass es auf Bundesebene gelingen möge, die alten Schaukämpfe zu überwinden, alte Blockadestellungen zu überwinden und zu einem schnellen Konsens in dieser für die Abhängigen existentiell wichtigen Frage zu kommen.

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