Rede Maaret Westphely: Antrag (SPD/GRÜNE) zur Messung von wirtschaftlicher Entwicklung und gesellschaftlichem Wohlstand

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich will mit einer einfachen Frage beginnen: Was ist eigentlich wirklich wichtig, wenn wir ein gutes Leben führen wollen? Ist nur entscheidend, wie viel Geld wir verdienen, oder wie viel wir ausgeben können – nein, natürlich nicht. Es kommt genauso darauf an, dass man Freunde hat, auf die man sich verlassen kann und dass man Teil der Gesellschaft ist. Ich zum Beispiel habe zwei Kinder. Ich will, dass sie sich frei, gesund und mit Zuversicht auf einer lebenswerten Erde entfalten können.

Mit diesen Wünschen bin ich hier sicher nicht alleine. Dieser Gleichklang aus ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen sollte sich genauso in der gesellschaftlichen Betrachtung wiederfinden. Daraus erwächst eine Verantwortung.

Wer heute Politik für die Menschen und die Wirtschaft von morgen machen will, muss sein Verständnis für Wohlstand an einer Strategie der Nachhaltigkeit ausrichten. Und Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn wir Gerechtigkeit, Ökologie und Ökonomie zusammen denken.

Leider wird Wohlstand allzu leicht gleich gesetzt mit wirtschaftlichem Wachstum – und mit der vermeintlich passenden Kennziffer, dem BIP als der in Geld gemessenen Wirtschaftsleistung in einem bestimmten Zeitraum. Das hat – gerade in den Industriestaaten – dazu geführt, dass wir über unsere Verhältnisse leben, dass wir die natürlichen Ressourcen über die Maßen ausbeuten zum Nachteil der uns folgenden Generationen und zum Nachteil der Menschen in anderen Erdteilen. Dazu kommt, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch bei uns immer weiter auseinander gegangen ist.

Aber es gibt Hoffnung: Immer mehr Menschen und Länder versuchen, Alternativen als Ergänzung zum BIP zu entwickeln um umfassendere Indikatoren als Grundlage für politische Entscheidungen zu finden und so negativen Entwicklungen entgegen zu wirken.

Die Stellungnahmen zu unserem Antrag haben gezeigt, wie überfällig diese Debatte bei uns in Niedersachsen ist. Fast alle Anzuhörenden sind genau wie wir davon überzeugt, dass es ein Weiter-so nicht geben kann. Gleichzeitig haben die Beiträge, vor allem der der Unternehmerverbände Niedersachsen, auch deutlich gemacht, dass eine neue Messgröße wie der Wohlfahrtsindex für Ängste sorgt – seien sie nun berechtigt oder nicht. Das ist kein Wunder: Denn wir stellen althergebrachte Verfahren infrage.

Bei mir ist angekommen, dass den Unternehmen Transparenz, Verlässlichkeit und vor allem eine nationale wie internationale Vergleichbarkeit wichtig sind. Das sehe ich genauso. Aber wir sind erst am Beginn einer Entwicklung und auch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit dem BIP wurde nicht an einem Tag gemacht.

Seit 2009 beschäftigen sich der Bund und zunehmend auch andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Thüringen, Sachsen und Bayern konkret mit dem Thema einer nachhaltigen Wohlstandsmessung. Wir schließen uns in Niedersachsen der Bewegung leider erst verspätet an, weil Schwarz-Gelb über Jahre einen weiten Bogen darum gemacht hatte.

Aber bald sind auch wir dabei: Fürs erste wollen wir – wie die meisten anderen Bundesländer vor uns – den Regionalen Wohlfahrtsindex, der von Prof. Dr. Diefenbacher entwickelt wurde, erstellen lassen und unsere Ergebnisse mit denen andere Länder vergleichen. Danach muss es darum gehen, dass auch Niedersachsen an einem Indikatoren-Set mitarbeitet, das die vorhin genannten Erwartungen vor allem einer Vereinheitlichung erfüllt.

Ich bin mir sicher, dass es ein längerer Weg wird, zu einem validen Maß für eine zufriedenstellende Wohlstandsmessung zu kommen. Entscheidend ist, dass wir uns jetzt aufmachen. Ich freue mich darauf.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Zurück zum Pressearchiv