Rede Julia Willie Hamburg: Landeshaushalt 2017/2018 – Schwerpunkt Verfassungsschutz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

im November diesen Jahres ist das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz in Kraft getreten. Damit hat Niedersachsen nun das bundesweit modernste Verfassungsschutzgesetz. Das Gesetz sorgt für mehr Transparenz und Dokumentation und somit eine bessere Nachvollziehbarkeit und Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes. Gleichzeitig wird der Datenschutz deutlich gestärkt und die aktuelle Rechtssprechung umgesetzt. Die parlamentarische Kontrolle wurde deutlich ausgeweitet und es wurden Lehren aus den Fehlern der Sicherheitsbehörden rund um den Komplex NSU gezogen. Kurz: Das Gesetz wurde reformiert und wir können stolz auf diese bundesweit viel beachtete Reform sein.

Natürlich geht aber eine solch umfängliche Gesetzesreform mit neuen Aufgaben und anderen Arbeitsbelastungen innerhalb der Verfassungsschutzbehörde einher. Auch hat sich die Arbeit des Verfassungsschutzes vor dem Hintergrund der aktuellen abstrakten und konkreten Bedrohungslagen deutlich weiterentwickelt und ist angewachsen. Nicht zuletzt auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss bindet derzeit erhebliche Ressourcen innerhalb der Sicherheitsbehörden und somit auch innerhalb des Verfassungsschutzes. Auf diesen Arbeitszuwachs und den derzeitig erhöhten Arbeitszuwachs wurde reagiert. Wir geben zehn weitere Stellen in den Verfassungsschutz. Inwiefern durch das Gesetz eine darüber hinausgehende, höhere Arbeitsbelastung anfällt, gilt es zu beobachten. Eines steht fest: Mehr Transparenz und Kontrolle, mehr Dokumentation und Datenschutz bindet Ressourcen – und die sind es uns auch wert.

Aber rot-grün modernisiert nicht nur das Gesetz – Nein, wir modernisieren auch die Behörde. Auch die Infrastruktur ist veraltet. Wir investieren deshalb in eine gute und moderne Ausstattung und IT innerhalb des Verfassungsschutzes. Gute Arbeit geht nur mit einer guten Ausstattung der Behörde und dafür nehmen wir Geld in die Hand.

Aber zu unserer Verfassungsschutzreform gehört auch noch eine weitere Erkenntnis. Die Auseinandersetzung mit Radikalisierungsprozessen ist nicht allein eine Frage der Sicherheitsbehörden. Nein, sie ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Verfassungsschutz allein ist nicht in der Lage, eine vernünftige Analyse der Phänomenbereiche und ihrer Entwicklungen vorzunehmen. Und es ist auch nicht seine Aufgabe. Er ist ein Frühwarnsystem und keine wissenschaftliche Einrichtung oder keine verdeckte Gefahrenabwehrzentrale.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden den Vielklang im Bereich der Prävention und Intervention von Radikalisierungsprozessen um einen weiteren Baustein zu erweitern: Mit der Einrichtung der „Dokumentationsstelle zur Analyse von menschen- und demokratiefeindlichen Bestrebungen“ stärken wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Gesellschaftsprozesse rund um Radikalisierungsbiographien und –entwicklungen. Diese Einrichtung ist bundesweit einmalig und sie ist überfällig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn wenn wir passgenaue Präventions- und Interventionsangebote und –maßnahmen vornehmen wollen, dann müssen wir auch genau wissen, wovon wir reden. Warum radikalisieren sich vorrangig Jugendliche im salafistischen Spektrum. Warum spielt das Internet eine so große Rolle bei der Radikalisierung und wie funktioniert das System dabei? Wieso engagieren sich zunehmend Frauen in der extrem rechten Szene? Und was steckt hinter den zu beobachtenden Mischszenen im Nazi-Spektrum? Warum nehmen die rechten Gewalttaten zusehends zu? Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss stellt regelmäßig vergleichbare, grundsätzliche Fragen. Auch Journalisten wollen immer wieder wissen, warum bestimmte Phänomenbereiche sich so entwickeln, wie sie es tun. Aber keine Kriminalitätsstatistik, keine Polizeibehörde und auch nicht der Verfassungsschutz sind in der Lage, eine solch tiefgehende, wissenschaftliche Analyse zu liefern. Aber sie ist dringend geboten.

Mit der Einrichtung der „Dokumentationsstelle zur Analyse demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen“ leisten wir somit einen wichtigen und überfälligen Beitrag zur Sicherheit in unserem Land.

Vielen Dank.

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