Rede Julia Willie Hamburg: Besprechung der Großen Anfrage (CDU) zu Reichsbürgern

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die Reichsbürger gibt es schon eine ganze Weile. Lange wurden sie belächelt, nicht ernstgenommen, als esoterische Spinner*Innen oder auch Belustigung angesehen. Die Tatsache, dass Menschen unser Grundgesetz leugnen und dass sie Scheinregierungen gegründet haben, sorgte für Belustigung und wurde nicht ernstgenommen. Es wurde darüber gesprochen, wie man eigene Minister*Innen berufen könne und was das für Menschen seien. Konsequenzen wurden lange nicht daraus gezogen. Die Abgrenzung war und ist schwer. Es gab beispielsweise Menschen, die keine Lust hatten, ihr Knöllchen zu bezahlen, und vor diesem Hintergrund schrieben: Ich werde diese Strafe nicht bezahlen, ich bin „Reichsbürger“ – So wurde der Überblick, wer eigentlich „Reichsbürger“ ist und welche Ideologie hinter der Bewegung steckt lange Zeit nicht richtig analysiert.

Sie wurden unterschätzt, bis es den Angriff auf den Polizisten gab; wir haben schon mehrfach darüber gesprochen. Der Generalbundesanwalt hat jetzt begonnen, wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung gegen „Reichsbürger“ zu ermitteln. Auch das zeigt uns, dass die „Reichsbürger“ genauer in den Fokus genommen werden müssen. Man beginnt nun genauer hinzuschauen, und stellt fest, dass es sehr wohl personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene, mit der NPD, mit der AfD und anderen Organisationen gibt.

Man stellt auch fest – das ist wenig verwunderlich -, dass die Inhalte mittlerweile im rechtsextremen Bereich salonfähig sind. Der Minister hat ausgeführt, Herr Höntsch hat es gesagt, dass die Überlegungen, die die „Reichsbürger“ haben, und die Ideen, die hinter ihrer Ideologe stecken, auch in der rechtsextremen Szene zu finden sind. Und man konnte lesen, dass 189 Waffen im Besitz von „Reichsbürgern“ sind und dass 34 „Reichsbürger“ sogar mehr als eine Waffe besitzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist beängstigend, und das muss dazu führen, dass wir uns mit diesem Phänomen noch stärker beschäftigen.

Wir haben zusammen mit der Landesregierung bereits viel auf den Weg gebracht. Das Landesprogramm gegen rechts richtet sich – das kann man auch in der Antwort auf die große Anfrage lesen – auch gegen die rechtsextremen Menschen, die sich mit ihrem Gedankengut in der „Reichsbürger“-Szene tummeln. Ich werde feststellen dürfen, dass das ein Großteil ist.

Das Innenministerium hat auch darüber hinaus – im LKA – umfänglich reagiert. Es hat Polizei- und Behördenschulungen vorangebracht und intensiviert. Auch der Verfassungsschutz hat aus dem gesamten „Reichsbürger“-Spektrum ein Beobachtungsobjekt gemacht, um das Phänomen genau zu erkunden. Danke, Herr Innenminister, Sie haben hier umfassend und gut reagiert.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier ein anderen Phänomen ansprechen, das uns, wenn wir uns mit den „Reichsbürgern“ beschäftigen, besonders zu denken geben muss. Rechtes Gedankengut ist bis tief in die Mitte der Gesellschaft verwurzelt. Das rechte Äußerungen auch in der Mitte der Gesellschaft auf Zustimmung stoßen ist kein neues Phänomen, aber es wird immer mehr akzeptiert. Auch im rechtsextremen Spektrum bemerkt man, dass sich Mischszenen bilden, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit den „Reichsbürger“. Die Trennschärfe zu der Frage „Wert ist eigentlich ein Nazi?“ „Wer ist Rechtsextremist?“ und „Wer ist der sogenannte besorgte Bürger?“ oder wie man sie auch immer nennen will, wird immer schwieriger.

Es ist die Herausforderung in der heutigen Zeit, zu schauen, wie man diesem Phänomen offensiv begegnet und dafür sorgt, dass rechte Parolen in diesen Debatten nicht länger salonfähig sind.

Auch hier haben die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Parteien gesagt: „Wehret den Anfängen!“ und mit dem Landesprogramm gegen Rechts bis tief in alle Ministerien hinein Programme verankert und synchronisiert, um diesem Phänomen gerecht zu werden. Auch die Landeszentrale für politische Bildung, die wir wieder eingeführt haben, ist ein Teil von Demokratieerziehung und Demokratie-Leben, das dazu beitragen kann, die Wurzeln solcher Gedankengüter zu interfragen und einen reflektierten Umgang damit zu finden.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch sagen. Wir alle- auch wir alle hier – sind gefragt, dazu beitragen, dass Debatten anders geführt werden, dort offensiv zu widersprechen, wo es gegen Menschenrechte und Demokratie geht. Aufzudecken, wo sich Nazis bewegen und vielleicht versuchen, Vereine zu kapern oder sich in Organisationen zu vernetzen. Auf die Straße zu gehen, wenn Naziaufmärsche stattfinden, die Zivilgesellschaft stärken und selbst Zivilcourage zu zeigen, wenn es darum geht, rechten Parolen und Ideen etwas entgegenzusetzen.

Es ist unsere Verantwortung, deutlich zu machen, dass Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit in unserer Gesellschaft keinen Platz haben und von uns nicht toleriert werden – nirgendwo!

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