Rede Julia Willie Hamburg: Antrag (CDU) zur niedersächsischen Oberschule

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die Oberschule wurde 2011 aus der Taufe gehoben, da die damalige schwarz-gelbe Landesregierung dem Erstarken der Integrierten Gesamtschulen bei gleichzeitigem Rückgang der Anmeldungen an Hauptschulen etwas entgegensetzen wollte. Am 17. März 2017 hat sich auch die Mitgliederzeitung der GEW, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, mit dem Antrag der CDU und der Entwicklung der Oberschulen auseinandergesetzt. Die Autorin Cordula Mielke spricht von einer „Eierlegenden Wollmilchsau“ und der „Quadratur des Kreises“, wenn sie versucht zu beschreiben, welche Pirouetten Sie damals gedreht haben.

Eine attraktive Ausstattung und relativ niedrige Gründungsvoraussetzungen kombiniert mit der Möglichkeit ein Abitur anzubieten, frühzeitig eine äußere Differenzierung vorzunehmen oder eben später. Ein Angebot also das kaum eine Kommune, die vor Ort mit krankenden Hauptschulen zu kämpfen hatte und die rigiden Gründungsvoraussetzungen für IGSen nicht erreichen konnten, abschlagen konnte. Das Ganze wurde damals gepaart mit Gründungs- und Übertragungsfehlern. Und nicht zuletzt an diesen Fehlern treten für die Oberschulen in ihrer Entwicklung Probleme auf, die die Oberschulen derzeit in ihrer Entwicklung hemmen.

Für Sie, meine Damen und Herren der Opposition, steht das Ergebnis dieser jungen Schulform schon fest. Sie sei ein Erfolgsmodell und müsse noch besser ausgestattet werden. Und das können sie bereits beurteilen, obwohl vielerorts noch nicht einmal der erste Jahrgang dieser Schulform einen Abschluss hat. Und was ist ihre Antwort für diese Schulform? Noch mehr Ressourcen, noch mehr Privilegierung. Und ein schulpolitischer Rollback inklusive. Sie wollen zukünftig die äußere Differenzierung an den Oberschulen noch früher vorschreiben – und ich sage Ihnen deutlich: Das machen wir nicht mit, denn das ist der vollkommen falsche Weg.

Natürlich wird ihr Antrag von den Oberschulen selber sicherlich differenziert betrachtet. Alle Schulen freuen sich darüber, wenn sie mehr Freistellungszeiten, Konrektoren, didaktische Leitungen oder andere Ressourcen bekommen. Aber was Ihr Antrag doch überhaupt nicht leistet – und deshalb wird Ihr Antrag den Oberschulen an dieser Stelle auch nicht helfen – sind doch die Rahmenbedingungen für die pädagogischen Antworten, die sich an Oberschulen stellen. Die Schüler*innen und Eltern, die ihre Kinder an Oberschulen geben, wollen, dass die Bildungswege möglichst lange offen bleiben. Ihr Antrag setzt auf einer völlig falschen Grundlage auf – er will das genaue Gegenteil erreichen. Das ist ein Irrweg.

Deshalb hat das Kultusministerium an dieser Stelle auch angemessen reagiert, indem sie den Oberschulen über die untergesetzlichen Regelungen endlich mehr pädagogische Spielräume lässt. Dass Sie von CDU und FDP das Überflüssig machen von Sitzenbleiben und Abschulen als „Kuschelpädagogik“ diffamieren wollen, zeigt erneut ihr antiquiertes, schulpolitisches Programm. Wir sehen uns in den vielen Studien und Erfahrungen, die man an deutschen Schulen, aber insbesondere auch beim Blick über den deutschen Tellerrand hinaus, gewinnen kann bestätigt. Sie sind Belege dafür, dass ein langes, gemeinsames Lernen mit einer individuellen Förderung jeder einzelnen Schüler*in der Weg der Zukunft ist. Und so sieht es auch unser Koalitionsvertrag in Bezug auf die Weiterentwicklung der Oberschule vor.

Wir GRÜNE stehen dafür Schulen mehr Freiräume zu geben: Für individuelle Förderung, für längeres gemeinsames Lernen, für Pädagogik und Begleitung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers. Darin liegt auch die Antwort auf die Probleme der Oberschule. Das ist der Weg, mit dem wir die Schulen stärken, sich zu entwickeln und ihren Platz in unserem Schulsystem einzunehmen. Die Oberschulen brauchen keinen weiteren Rollback und keine Manifestierung überlebter Ansätze von frühzeitiger Trennung in Haupt- und Realschule unter einem Dach. Die Niedersachsen haben bereits mit den Füßen abgestimmt und deutlich gemacht, dass sie diese frühzeitige Trennung in Haupt- und Realschule nicht wollen. Und auch wir werden heute diesem Antrag deshalb nicht zustimmen.

Vielen Dank.

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