Rede Julia Hamburg: Politik gemeinsam mit der Fachwelt, Wiedereinrichtung des Landesjugendhilfeausschusses

Anrede,

mein Kollege Hillmer warf uns und der rot-grünen Landesregierung gestern vor, dass wir eine dialogorientierte Politik, trotz großer Ankündigungen, vermissen lassen. Nicht, dass Sie, Herr Hillmer, mit dieser Analyse bereits gestern gänzlich falsch lagen, nein, wir werden ihnen auch heute mit dem Ihnen vorliegenden Antrag neuerlich beweisen, dass dieser Politikstil der neuen Mehrheit in diesem Land viel bedeutet und sie die Beteiligung und Dialogbereitschaft an erster Stelle sieht.

In der Kinder- und Jugendpolitik, meine Damen und Herren, ist in den letzten Jahren viel zu wenig passiert. Die Abschaffung des Landesjugendhilfeausschusses im Jahr 2006 war nicht nur ein großer Fehler – sie zeigte auch die fehlende Wertschätzung der damaligen Landesregierung für die Belange Jugendlicher und die Fachlichkeit, der in diesem Tätigkeitsfeld handelnden Akteure und Engagierten.

Um rund 2,5 Millionen Euro zu sparen, zerstörte die damalige Landesregierung eine funktionierende und wichtige vernetzende Struktur bestehend aus Landesjugendamt und Landesjugendhilfeausschuss, die der Verantwortung der Länder als überörtlicher Träger der Jugendhilfe nachkam.

Die Verbände und Träger der öffentlichen und freien Träger und auch wir befürchteten damals eine Abkehr der Landesregierung von der Verantwortung für die Jugendhilfe und eine Verschiebung der Prioritätensetzung hin zu anderen Politikbereichen. Der Kollege Schwarz führte es bereits aus, diese Angst war mehr als berechtigt: In der Jugendhilfe passierte viel zu wenig. Die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe hängt mehr denn je von der Kassenlage der Landkreise und kreisfreien Städte ab, die Mitbestimmung von Betroffenen und Trägern auf Landesebene ist in die Bedeutungslosigkeit gesunken.

Die Kommunen fühlen sich als kommunale Träger der Jugendhilfe alleine gelassen und vermissen einen überörtlichen Träger, der ihre Herausforderungen ernst nimmt. Die Träger der freien Jugendhilfe und die Jugendverbände prangern zwar von außen Missstände an, wurden dann aber viel zu wenig gehört und ernst genommen. Sie liefen mit ihren vielen wichtigen Bedarfsanmeldungen, Analysen und Handlungsempfehlungen allzu oft ins Leere.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in Anbetracht der immensen Herausforderungen, die uns bevorstehen, können wir uns in dieser Frage ein „Weiter so“ einfach nicht mehr leisten. Es ist unverantwortlich auf das Große Know-how der Kommunen, der Träger der Jugendhilfe und den Jugendverbänden zu verzichten.

Das Entgegenwirken von Kinderarmut, die Weiterentwicklung der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit an die reellen Bedarfe der Jugendlichen, das richtige und bedarfsgerechte Angebot früher Hilfen vor Ort, die Beteiligung junger Menschen an der Gesellschaft und vor allem die Unterstützung der Kommunen bei der Aufrechterhaltung einer funktionierenden  Jugendhilfe gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels sind Mammutaufgaben, die wir in Niedersachsen in den nächsten Jahren souverän zu bewältigen haben.

Und alle unter ihnen, die in dem Bereich Kinder- und Jugendpolitik unterwegs sind, wissen, dass diese Herausforderungen nur die Spitze des Eisbergs bilden.

Es ist jetzt an der Zeit an die Arbeit zu gehen und die handelnden Akteure – die Expertinnen und Experten – endlich wieder als Partner einzubinden und mit ihnen gemeinsam reelle Bedarfe vor Ort zu ermitteln und ihnen zu begegnen. Und es ist vor allem auch an der Zeit, als Land endlich wieder die Verantwortung zu übernehmen. Als überörtlicher Träger der Jugendhilfe in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Trägern und den Jugendverbänden dem Ziel der Chancengerechtigkeit für junge Menschen näher zu kommen und sich endlich wieder ernsthaft mit den Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien auseinanderzusetzen und diesen einen hohen Stellenwert in der Politik zu geben.

Denn das Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind und deshalb besonderer politischer Aufmerksamkeit bedürfen, ist nicht etwa eine gern benutzte politische Worthülse, sondern eine Tatsache, der es endlich wieder Beachtung zu schenken gilt.

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