Rede Julia Hamburg (mit Video): Aktuelle Stunde (SPD) - Bessere Kindertagesstätten statt Landesbetreuungsgeld

- Es gilt das gesprochene Wort -

<iframe src="https://www.youtube.com/embed/dHnIrcd40CQ?rel=0" width="640" frameborder="0" height="360"></iframe>

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

wochenlang streiken Erzieherinnen und Erzieher für bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Betreuungsschlüssel. In den Zeitungen werden weitere Streiks angekündigt.

Diverse Studien beschäftigen sich mit der Notwendigkeit einer besseren Betreuungssituation in Deutschlands Kindertagesstätten. Der Betreuungsschlüssel müsse verbessert werden, um eine gute und verlässliche Kinderbetreuung im Sinne des Kindeswohls und einer guten Entwicklung der Kinder zu ermöglichen. Landauf, landab diskutieren Medien über die Notwendigkeit von verbesserten Standards in der frühkindlichen Bildung und Betreuung – ob Bund, Land, Kommune, Eltern, ErzieherInnen, Parteien oder Medien, alle sind sich einig: Es muss sich was tun.

Immer mit dabei ist derzeit übrigens auch meine liebe Kollegin Astrid Vockert, die unentwegt Standardverbesserungen anmahnt und behauptet, die Landesregierung täte nicht genug. Aber Frau Kollegin, es waren die rot-grünen Mehrheitsfraktionen, die die 3. Kraft in Krippen als einen ersten Schritt eingeführt haben. Und wissen Sie was? Dieser Schritt war überfällig!

Und was macht Ihre Partei während Sie versuchen, der CDU ein Image der neuen KiTa-Partei zu verpassen? Sie beschließt erneut eine gesellschaftspolitische Rolle rückwärts und lässt Sie im Kampf für Qualitätsverbesserungen im Regen stehen. Ihre Partei möchte die frei werdenden Bundesmittel lieber in ein Landesbetreuungsgeld stecken und verlässt dabei mit ihren ‚Wünsch-Dir-Was-Beschlüssen‘ die finanzpolitische Seriosität. Denn wenn die CDU echte Wahlfreiheit schaffen wollte, dann müsste sie noch einiges an KiTa-Ausbau und Qualitätsverbesserungen leisten, bevor sie Gelder dafür ausschüttet, dass Eltern zu Hause bleiben.

Aber diese vermeintliche Wahlfreiheit ist ja auch gar nicht Ihr Ansinnen. Realitätsverweigerung treibt Ihre politischen Entscheidungen in diesen Fragen an – Sie wollen nicht akzeptieren, dass die Zeichen der Zeit andere sind.

Und Frau Joumaah, dass Sie als frauenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion es ernsthaft als falsches familienpolitisches Signal bezeichnen, dass der Staat Frauen – in der Regel sind es ja Frauen – nunmehr kein Geld dafür bezahlt, dass sie ihre Kinder zuhause lassen, erstaunt mich doch sehr.

Sie werden doch sicherlich die Studien zum Betreuungsgeld ebenso kennen, wie ich. Dann werden Sie auch wissen, dass es vornehmlich Familien sind, die ihre Kinder zuhause lassen, die ohnehin eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen. Dass es Kinder aus als bildungsfern beschriebenen Familien sind. Und dass es gerade die Frauen sind, die ein geringes Einkommen haben, die das Betreuungsgeld beziehen und zuhause bleiben.

Frauen, die ohnehin vornehmlich von Altersarmut betroffen sind und die somit noch einen zusätzlichen Anreiz bekommen, ihre Erwerbsbiographien zu unterbrechen. Ihnen wird ein Wiedereinstieg in den Beruf zusätzlich unattraktiv gemacht. Ist das die Frauenpolitik für die Sie stehen, Frau Joumaah?

Meinen Sie nicht auch, dass eine Auszahlung des Betreuungsgeldes so positive familienpolitische Anreize wie das Elterngeld vollständig konterkariert? Dass Sie damit ein Frauenbild festigen, von dem sich eigentlich selbst die CDU schon verabschiedet hatte? So dachte ich zumindest bislang immer.

Solange die Betreuungssituation so aussieht wie sie aussieht und Frauen immer noch diejenigen mit den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und geringen Einkommen sind, solange kann doch keiner in diesem Hause hier ernsthaft von einer Schaffung von Wahlfreiheit sprechen!

Die 90 Millionen Euro, die nun durch das Kippen des Betreuungsgeldes frei werden, werden in Niedersachsen für eine gute Betreuung gebraucht. Insofern sind wir uns ja zur Abwechslung sogar einig. Der Bund muss die Finanzmittel den Ländern zur Verfügung stellen, damit sie den Kindern und Familien in den Ländern zu Gute kommen.

Das ist doch schon einmal eine verbindende Erkenntnis, mit der wir alle in diesem hohen Haus Einfluss auf die Bundesebene nehmen können, dass diese Mittel entsprechend an die Länder ausgeschüttet werden.

Und wenn wir uns einmal anschauen, welche Positionen die Expertinnen und Experten, die Verbände und die Öffentlichkeit zum Betreuungsgeld so bezogen haben, dann bleibt nur eine Erkenntnis:

Egal ob es der Kinderschutzbund, Pro Familia, die Gewerkschaften, die Wohlfahrtsverbände, das deutsche Kinderhilfswerk oder Frauenverbände waren – die Liste ist lang -,  sie alle fordern vehement die Umwidmung der Mittel für einen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kindertagesstätten.

Nur Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, stehen alleine da und wollen es nicht wahrhaben.

 

Zurück zum Pressearchiv