Rede Julia Hamburg: Haushaltsberatungen 2016 - Schwerpunkt Justiz / Opferberatung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Mit rund 200.000 Euro stellen wir Mittel für den Aufbau einer landesweiten, flächendeckenden und staatlich unabhängige Beratung für Opfer rechter Gewalt in Niedersachsen zur Verfügung und schließen damit endlich einen der letzten weißen Flecke im Bundesgebiet.

Darauf haben sehr viele Menschen gewartet, unter anderem auch diejenigen, die in der Vergangenheit leider Opfer von rechter Gewalt wurden und nicht auf breite - von der Gesamtgesellschaft getragene - Solidarität und Unterstützung vertrauen durften.

Rechte Gewalt ist kein Zufall! Rechte Gewalttaten haben eine politische Dimension und die TäterInnen haben eine menschenverachtende Einstellung. Es gibt viele Menschen, die zu Opfern von Nazi-Gewalt werden können:

·        Alle von Rassismus betroffenen Menschen

·        Jüdinnen und Juden

·        „Politische Gegner“ vom linken, alternativen Jugendlichen bis hin zur engagierten Pastorin. 

·        Menschen mit Behinderungen oder wohnungslose Menschen

·        Homo-, Inter- und Transsexuelle Menschen

Und natürlich darüber hinaus noch viel mehr Menschen, die nicht in das extrem rechte Welt- und Menschenbild passen. Gewalt von Nazis darf also niemals ohne diesen Kontext betrachtet werden. Wer diese politische Dimension der Taten ausblendet, verharmlost das Problem Nazi-Gewalt und Rechtsextremismus insgesamt. 

In den letzten Jahren ist jedoch genau das immer wieder passiert und genau deshalb sind staatlich unabhängige Beratungsstellen, die Betroffene stärken, so wichtig. Die Opferberatung arbeitet anonym, vertraulich, niedrigschwellig, flächendeckend, lösungsorientiert und unabhängig von staatlichen Stellen im Sinne der Betroffenen.

Die mobile Opferberatung umfasst jedoch viel mehr:  Auch die Intervention im lokalen Raum, wie die Koordinierung von Solidaritätsaktionen für Betroffene, ist von besonderer Bedeutung.

Mit einem systematischen Monitoring und Fallrecherchen kann zudem der sog. Dunkelziffer in diesem Land auf die Schliche gekommen und damit das gesamte Ausmaß rechtsextremer Gewalt sichtbar gemacht werden.

Sie müssen sich das vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Opfer rechtsextremer Straftaten trauen sich nicht zur Polizei zu gehen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass man ihnen suggeriert, sie seien selbst schuld daran, dass ihnen diese Gewalterfahrungen begegnet sind, weil sie sie provozierten. Sie haben vielleicht in anderen Ländern die Erfahrung gemacht, dass staatliche Institutionen nicht dafür da sind, sie als diskriminierte Menschen zu schützen. Und eben deshalb ist die Dunkelziffer in diesem Bereich so hoch. Es braucht ein niedersächsisches Angebot, dass diese Opfer empowert und das Ausmaß an die Öffentlichkeit trägt.

Mit diesem Haushalt haben wir die Grundlage für den Start einer landesweiten Opferberatung ab 2016 gelegt. Das ist eines der vielen ‚Einzelmaßnahmen‘, meine Damen und Herren von der Opposition, die sie als Kleinstprojekte abtun, die aber real eine Menge bewegen und einen Bedarf im Kleinen abdecken, der nun einmal besteht und der nicht im Streit um die ‚großen Posten‘ unter die Räder geraten darf.

Ich möchte an dieser Stelle vor allem denjenigen Akteurinnen und Akteuren danken, die mit wenig Mitteln und unermüdlichen Einsatz für Opfer rechter Gewalt in Niedersachsen ansprechbar waren zu einer Zeit, in der Niedersachsen ein solches eigenes Angebot nicht zur Verfügung gestellt hat. Es waren nämlich die Strukturen der Nachbarländer, liebe Kolleginnen und Kollegen, die sich hier verantwortlich gefühlt haben, unser nicht vorhandenen Strukturen zu kompensieren.

Ohne diesen Einsatz wären noch viel mehr Opfer in Niedersachsen nicht erreicht worden.

Vielen Dank dafür!

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