Rede Julia Hamburg: Gesetzentwurf (FDP) zum niedersächsischen Schulgesetz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

ich möchte mit Ihnen eine kurze Zeitreise machen. Stellen Sie sich vor, es ist November 2017. Die alte Landesregierung wurde knapp nicht wiedergewählt, die FDP entzieht sich einer Regierungsbildung mit SPD und GRÜNEN, die GRÜNEN regieren nicht mit der CDU und es kommt zu einer Großen Koalition. Die Große Koalition betont den Wert des Parlamentarismus und der Opposition, der alte und neue Ministerpräsident sagt im Schulterschluss mit seinem Vize Althusmann, dass sie gemeinsam dafür Sorge tragen möchten, dass diese Große Koalition durch ihre Übermacht die Opposition nicht erdrückt. Das waren noch Zeiten. Und jetzt halten Sie sich fest – wir sprinten zwei Monate in die Zukunft und schreiben das Jahr 2018.

Die Vorzeichen haben sich geändert, der Rundblick titelt: „Minderheitenrechte: Plötzliche Zweifel bei SPD und CDU…“ und im ersten Kultusausschuss des Jahres möchte die FDP gerne eine Anhörung zu ihrer Novelle des Niedersächsischen Schulgesetzes machen. Das wiederrum passt der Großen Koalition nicht – sind es doch für die Große Koalition sehr unbequeme Fragen, die den Koalitionsfrieden empfindlich stören könnte. Was also mussten wir erleben? Die Große Koalition hat die Gesetzesänderung ohne weitere Befassung im Ausschuss abgelehnt. Anhörung – abgelehnt. Stellungnahme – überflüssig. Weitere Beratung – unerwünscht. Die Große Koalition plant schließlich ein eigenes Gesetz.

Ich sage Ihnen das ganz deutlich: Ein solcher Umgang mit unseren Oppositionsrechten ist bodenlos. Sie unterschreiten damit jede parlamentarische Gepflogenheit und jede praktizierte gute Sitte. Und dass die CDU an Bigotterie kaum zu überbieten ist, haben wir ja schon lange geahnt – aber mit welchen Krokodilstränen haben Sie, Herr Nacke, und auch Ihre Kolleginnen und Kollegen in der CDU die mangelnde Beteiligung, das Überstimmen von Initiativen etc. kritisiert und jetzt schlagen Sie mit ihrem Verhalten dem Fass den Boden aus.

So brauchen Sie uns nichts von Minderheitenrechten zu erzählen, Herr Weil und Herr Althusmann, Herr Siebels und Herr Nacke – das ist unglaubwürdig und dreist. Ich kann Sie nur dringend auffordern, Ihr Verhalten in solchen Fragen grundsätzlich zu hinterfragen und wieder zu der geübten Praxis im Umgang mit Gesetzesänderungen, Anträgen und Unterrichtungswünschen zurückzukehren.

Wir werden uns auf jeden Fall mit unseren Kolleginnen und Kollegen der FDP solidarisch erklären und der Rücküberweisung in den Ausschuss zustimmen.

Denn es ist ja nicht so, dass man diese Anhörung des Gesetzentwurfes scheuen müsste. Mit der Veränderung des Stichtags und der Einführung des kostenlosen Schülerverkehrs auch in der Sek II stehen in dem Gesetzesentwurf Forderungen drin, die von SPD, CDU, GRÜNEN und FPD gefordert wurden.

Und die Forderungen nach der Wiedereinführung der Schullaufbahnempfehlungen, der Abschulungen und der Wiedereinführung der Förderschule Lernen würden in einer Anhörung auf keinen fruchtbaren Boden stoßen. Wir haben bei unserer damaligen Schulgesetznovelle drei Tage lang über genau diese Fragen diskutiert – und die Verbände haben in großen Teilen die rot-grünen Änderungsvorschläge begrüßt und gelobt.

Die FDP vertritt an dieser Stelle ein antiquiertes, elitäres Bildungsverständnis, dass auf frühzeitige Separierung der Kinder setzt. Das hat mit Schulqualität, mit der Eröffnung von Handlungsspielräumen für Schulen und Bildungsgerechtigkeit nichts zu tun, Herr Försterling. Da müssen nach unserer Überzeugung andere Antworten gegeben werden. Deshalb werden wir ihren Gesetzentwurf auch heute ablehnen.

Vielen Dank.

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