Rede Julia Hamburg: Aktuelle Stunde (SPD) "Kein Steuergeld für verfassungswidrige Parteien"

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Das Verfahren um das NPD-Verbot war beachtlich. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes schreibt ohne Zweifel Geschichte. Dieses Mal scheiterte ein Verbot der NPD nicht an dem Einsatz von V-Leuten in steuernden Positionen. Es scheiterte auch nicht an der Verfassungsfeindlichkeit der NPD. Nein, die NPD wurde nicht verboten, weil sie im Laufe der Zeit schlicht zu irrelevant geworden ist, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen.

Das Bundesverfassungsgericht macht vor allen Dingen einen Punkt deutlich: Das Parteienverbot ist ein scharfes und äußerst zweischneidiges Schwert in der Demokratie. Es ist deshalb mit extrem hohen Hürden versehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesverfassungsgericht macht deutlich das die Europäische Menschenrechtskonvention und der Europäische Gerichtshof als Sanktionen für verfassungsfeindliche Parteien mitnichten nur die höchste Form der Sanktion – das Verbot – vorsieht. Im Gegenteil sieht es auch weitere Sanktionen für verfassungsfeindliche Parteien vor, die in ihren Hürden weniger hoch und deshalb auch unter niedrigeren Voraussetzungen denkbar wären. In diesem Zusammenhang gibt das Bundesverfassungsgericht der Legislative also den Hinweis, dass unsere Gesetze – unsere Verfassung an dieser Stelle potentiell Handlungsspielräume verschließt, die wir im Umgang mit verfassungsfeindlichen Parteien als wehrhafte Demokratie haben könnten und nutzen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie wissen, wie skeptisch die GRÜNEN Parteiverboten gegenüberstehen. Und dennoch ist es richtig, dass eine wehrhafte Demokratie sich mit allen Mitteln gegen Menschen und Parteien verteidigt, die die Würde des Menschen, die Freiheitlichkeit und Gleichberechtigung und die Demokratie nicht achten – ja sogar abschaffen wollen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich diesen Möglichkeiten zu nähern und sie mit großer Ernsthaftigkeit zu prüfen und umzusetzen.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die NPD heutzutage vielleicht nicht mehr der große Akteur der rechtsextremen Szene ist, so finanziert sie doch gewaltbereite Nazistrukturen und bietet Menschen Infrastruktur, die diese nutzen, um Menschen zu jagen, Flüchtlingswohnheime anzuzünden und gegen unsere Demokratie zu arbeiten. Das dürfen wir nicht zulassen!

Deshalb kann es auch nur begrüßt werden, dass Niedersachsen diese Diskussion aktiv vorantreibt und mit einem Vorschlag in die bundesweite Debatte einsteigt, um dieses Thema auf der Tagesordnung zu halten.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ebenso wie ein Parteienverbot an und für sich ein zweischneidiges Schwert ist, so ist die Entziehung von Parteienfinanzierung ein zweischneidiges Schwert und muss hohe Hürden haben und demokratiefest sein. Wir führen hier eine politische Debatte, bei der wir darüber reden, dass wir einem politischen Gegner Gelder entziehen, um ihnen den Wirkungskreis zu verringern und die Handlungsfähigkeit einzuschränken. Es muss sichergestellt werden, dass diese Sanktionen nicht von etwaigen politischen Mehrheiten abhängen. Dass die Abwägungen der Verfassungsfeindlichkeit nicht im Ermessen etwa von Innenministern stehen. Denken wir an den ehemaligen CDU-Innenminister Schünemann. Wir alle erinnern uns zurück. Herr Schünemann hatte einen sehr politisch gefärbten, eigenen Begriff der Verfassungsfeindlichkeit. Die Task Force hat es ja auch noch einmal bewiesen, dass Herr Schünemann einen sehr weiten, ja vielleicht gar rechtswidrigen Begriff der Verfassungsfeindlichkeit hatte und bei der Arbeit seiner Verfassungsschutzbehörde auch Atomkraftgegner_Innen, Grüne Jugend Mitglieder und Gewerkschaftsfunktionäre beobachten ließ. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Gesetzesänderung zur Streichung der Parteienfinanzierung darf unter keinen Umständen dazu führen, dass Innenminister dieses Formats einen Einfluss auf die Streichung der Parteienfinanzierung erhalten.

Das Bundesverfassungsgericht spricht von einem Sanktionsspielraum im Artikel Art 21 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird deutlich, dass dieser Spielraum auch nur beim Bundesverfassungsgericht angesiedelt werden kann. Es ist gut, Handlungsspielräume zu nutzen, wenn sie rechtssicher genutzt sind. Es geht darum, unsere Demokratie zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass wir jetzt in die bundesweite Debatte zu diesem Thema einsteigen.

Vielen Dank.

 

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