Rede Ina Korter: Schule ohne Sitzenbleiben

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Als wir den Antrag "Schule ohne Sitzen bleiben" in den Landtag eingebracht haben, hatte ich noch gehofft, dass der Kultusminister und die Parlamentsmehrheit in dieser Sache lernfähig sein könnten.
Gegenüber dpa hatte sich Minister Busemann im Juli zum Thema folgendermaßen geäußert:
"Zum Teil hängen wir noch einem veralteten Weltbild nach, von dem wir uns langsam trennen sollten."
Leider müssen wir jetzt erleben, dass CDU und auch FDP diesem veralteten Weltbild noch immer fest verhaftet sind. Sie glauben noch immer, dass Schülerinnen und Schüler nur dann zur Leistung motiviert werden können, wenn die Drohung mit dem Sitzen bleiben dahinter steht.
Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP,
wenn Sie die - in der vorigen Woche vorgestellte - neue PISA -Studie gelesen haben sollten, dann müsste Ihnen aufgefallen sein, wie sehr Sie mit Ihrer antiquierten Auffassung hinter dem Stand der wissenschaftlichen Forschung zurückgeblieben sind. Dort können Sie wörtlich (S. 40 der Zusammenf.) lesen:
"Zu denken geben (”¦) auch die nach wie vor sehr hohen Quoten von verzögerten Schullaufbahnen, die (”¦) überall einen großzügigen, wenn nicht verschwenderischen Umgang mit der Ressource Lebenszeit erkennen lassen."
Und wenn Sie noch immer glauben, dass das Sitzen bleiben einen positiven pädagogischen Effekt haben könnte, stellen die PISA -Forscher demgegenüber nüchtern fest:
"Zumindest für die Altersgruppe der 2003 getesteten Fünfzehnjährigen kann festgestellt werden, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler häufig in Wiederholungsschleifen geschickt beziehungsweise schrittweise an andere Schularten weitergereicht wurden. Das Ergebnis sind relativ große Anteile von Fünfzehnjährigen mit einer verzögerten Schullaufbahn und einem niedrigen Kompetenzniveau."
Also kurz gesagt: Sitzen bleiben und Abschulung bringt für die Schülerinnen und Schüler außer Zeitverlust nichts!
Herr Busemann, in Ihrer Stellungnahme zur PISA -Studie haben Sie vergangene Woche festgestellt:
"Die Kernaufgabe besteht vor allem darin, die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes im alltäglichen Unterricht umzusetzen. Das ist die Herausforderung, der sich Politik, Lehrkräfte und Eltern gemeinsam stellen müssen."
Das ist richtig.
Aber wo stellt sich die Landesregierung dieser Herausforderung?
Wo bleiben die konkreten Maßnahmen, um die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes im Unterricht voranzubringen?
Bislang gibt es da nur Fehlanzeige.
Stattdessen schwingen Sie mit dem "Sitzen bleiben" noch immer den pädagogischen Holzhammer.
Mir ist völlig unverständlich, warum Sie nicht einmal den von uns geforderten Modellversuch zulassen wollen.
Dann würde sich ja zeigen, ob eine Schule auch ohne Sitzen bleiben auskommen kann und Kinder mit differenzierteren Methoden besser fördern kann oder nicht.
Aber vor diesem Praxistest haben Sie wohl Angst.
Anrede,
wenn man Ihre schulpolitische Leistung auf der PISA -Kompetenzskala einordnen sollte, dann würden Sie in dieser Frage nicht einmal die unterste Kompetenzstufe erreichen.

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