Rede Ina Korter: Große Anfrage - Bessere Lernergebnisse durch individuelle Förderung in Kindergarten und Schule
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(Dieses Dokument beinhaltet die Reden zur Fragestellung und zur Erwiderung auf die Antwort der Landesregierung)
Anrede,
die Landesregierung nimmt mit dem neuen Schulgesetz einen radikalen Umbau der gesamten Schulstruktur in Niedersachsen vor und behauptet, damit werde die Unterrichtsqualität spürbar verbessert.
Alle reden heute von Qualitätssicherung und Evaluation, auch von unseren Schulen werden sie zu Recht verlangt. Dieser Anforderung muss sich dann aber auch ein Kultusminister stellen, der von sich behauptet, nun werde nach dem schlechten Abschneiden der Schülerinnen und Schüler im Pisa-Test durch seine Schulpolitik alles besser.
Genau das möchte unsere große Anfrage hinterfragen. Wir möchten genau wissen, mit welchen Ausgangsdaten, welchem Ist-Zustand diese Regierung in Niedersachsen startet, welche Ziele sich die Landesregierung für die Legislaturperiode gesetzt hat und mit welchen Maßnahmen sie ihre Ziele erreichen will. Wir alle werden auf dieser Grundlage in den nächsten Jahren verfolgen können, welche Veränderungen die schwarz-gelbe Schulpolitik gebracht hat, ob eine Verbesserung eingetreten ist. Damit können Parlament und Öffentlichkeit die Schulpolitik der Landesregierung evaluieren. Das ist das Ziel unserer Großen Anfrage und damit dient sie, meine ich, allen in diesem Hause, die Schulpolitik für eins der wichtigsten Themen der Zukunftssicherung halten.
Nun zu den wichtigsten Fragen:
Niedersächsische Schülerinnen und Schüler haben in weiten Bereichen im internationalen PISA- Vergleichstest schlecht abgeschnitten. Im ersten Teil der Anfrage geht es deshalb um einen genauen Überblick über die Ausgangslage in unserem Bundesland und da gibt es eine ganze Reihe problematischer Ergebnisse, an deren Verbesserung gearbeitet werden muss.
Zu viele Schülerinnen und Schüler erleben massive, demotivierende Misserfolge: Fast 30% von ihnen müssen mindestens einmal eine Klasse wiederholen, fast 10 % werden in ihrer Schullaufbahn abgeschult.
Alarmierend ist wie viele Mädchen und Jungen die Schulen ohne Abschluss verlassen. Das waren in Niedersachsen im Jahr 2001 10,1%. Jeder Zehnte Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss, das ist eine Zahl, die sich unser Bundesland nicht länger leisten darf.
Nur 20,5% der Jugendlichen erreichen in Niedersachsen die allgemeine Hochschulreife.
Damit liegen wir mit der Abiturquote weit unter dem Bundesdurchschnitt. Nur Bayern ist noch schlechter
In der Lesekompetenz erreichen in Niedersachsen 27% der 15jährigen nicht oder gerade die Kompetenzstufe I, also die niedrigste Stufe.
Die Bildungschancen sind extrem abhängig von der sozialen Herkunft:
So sind in Niedersachsen die Chancen eines Kindes aus der gehobenen Schichten, ein Gymnasium zu besuchen 7,83 mal so groß wie die Chancen eines Facharbeiterkindes.
Anrede,
So weit zum Ist-Zustand in Niedersachsen. Ich habe nur die ganz gravierenden Mängel aufgezeigt. Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Zielsetzungen, Konzepten und Ressourcen der Kultusminister diesen Mängeln begegnen will. Dazu werde ich nach der Antwort der Landesregierung Stellung nehmen.
Landtagssitzung am 30.10.2003
Ina Korter, MdL
TOP 26: Bessere Lernergebnisse durch individuelle Förderung in Kindergarten und Schule (Erwiderung auf die Antwort der Landesregierung)
Anrede,
Anfang September haben wir unsere Große Anfrage zur aktuellen Lage an den Schulen in Niedersachsen auf den Weg gebracht. Ich bin davon ausgegangen, dass eine so differenzierte Anfrage Zeit zur Beantwortung braucht und umso erstaunter war ich, wie schnell die Reaktion kam. Sieht man sich jedoch die Antworten genauer an wird klar, warum die Anfrage so rasch beantwortet wurde.
Auf einen großen Teil der Fragen wird nicht eingegangen, in weiten Teilen wurden lediglich die Schwerpunkte bekannter Programme, meist noch der Vorgängerregierung, schriftlich niedergelegt.
Für den immer wieder von der Landesregierung betonten historischen großen Wurf in der Schulpolitik ist das ein bisschen wenig. Die Landesregierung scheut den Vergleich mit anderen, bei PISA erfolgreichen Ländern. Es stimmt einfach nicht, dass aus diesen Ländern keine brauchbaren Vergleichszahlen vorliegen. Aber man will sich offenbar nicht an ihnen messen lassen.
Es ist doch sehr wohl bekannt, dass in anderen Ländern die Abiturquote viel höher liegt. Die OECD hat erst im Sommer darauf hingewiesen, dass die niedrige Abiturquote ein wesentlicher Grund auch für die wirtschaftliche Stagnation ist.
Die Landesregierung weigert sich konsequent, konkrete Ziele für die Verbesserung des niedersächsischen Schulwesens zu benennen. Dass die Schülerinnen und Schüler bessere Leistungen erbringen sollen, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Aber was heißt das konkret?
Wollen Sie, dass die sozialen Schranken in unserem Schulwesen abgebaut werden? Denn das war ja der beschämenste Befund von PISA?
In der Antwort der Landesregierung dazu kein Wort!
Soll die Abiturquote so angehoben werden, wie der Arbeitsmarkt es erfordert? Oder wollen Sie, dass wie in Bayern 40% der SchülerInnen ihren Abschluss an der Hauptschule machen? Ihre Politik zur Hauptschule vermittelt stark diesen Eindruck.
Aber auch hierzu keine Antwort der Landesregierung.
Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass in Zukunft nicht mehr wie bisher fast 30% der Schüler mindestens einmal in ihrem Schulleben sitzen bleiben und 10% sogar abgeschult werden?
Wollen Sie die Integrationskonzepte wieder zurückfahren und damit den Anteil der SonderschülerInnen noch weiter erhöhen?
Anrede,
Die Landesregierung weigert sich, klare Ziele für ihre Schulpolitik zu benennen, und sie will offenbar auch wenig tun, um zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das machen Ihre weiteren Antworten auf unsere Anfrage deutlich.
Zunächst zu einem der wenigen positiven Aspekte, der im Zusammenhang mit Ihrer Antwort zu erwähnen ist:
Wir freuen uns, dass Sie im Grundsatz unserer Position zustimmen, die Leistung der SchülerInnen durch mehr individuelle Förderung zu verbessern – und nicht etwa nur durch mehr Tests. Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht, dass bis zur 6. Klasse für alle Kinder ein individueller Förderplan aufgestellt werden soll. Nur wollen Sie offenkundig den Schulen nicht die Mittel geben, den Kindern dann auch maßgeschneiderte Förderangebote zu machen. Denn dafür sind Lehrerstunden für Einzelförderung oder die zeitweilige Teilung der Lerngruppen nötig. Die Ressourcen dafür sind bei Ihnen nicht vorgesehen.
Sie rücken sogar schon jetzt von Ihrem Wahlversprechen ab, die Unterrichtsversorgung an den Haupt- und Realschulen auf 100% zu bringen. Bei diesen Schulformen sind Sie schon mit 97,5% zufrieden, bei den Sonderschulen sogar mit 94,7%.
Auch von Ihrem Wahlversprechen, den Grundschulen bis zur 4. Klasse 100 Wochenstunden zur Verfügung zu stellen rücken Sie ab, von der Stärkung der Grundschulen bleibt schon jetzt nichts mehr übrig.
Ihre tatsächlichen Neuerungen beschränken sich weitgehend auf die Sprachförderung im letzten Halbjahr vor der Einschulung, und die stammt noch von der Vorgängerregierung.
Die Sprachförderung ist ein wesentlicher aber nicht der einzige Schlüssel für den Schulerfolg. Und schon gar nicht nur für ein halbes Jahr. Migrantenkinder brauchen Sprachförderung auch im weiteren Verlauf ihrer Schulzeit.
Hier will die Landesregierung nichts tun. Im Gegenteil, mit Verweis auf die Sprachförderung vor der Schule sollen vorhandene Angebote während der Schulzeit wie die Hausaufgabenhilfe sogar gestrichen werden.
Im Kindergarten bleibt von der Stärkung des Bildungsauftrags, für den sich die Landesregierung vor der Wahl noch vehement eingesetzt hatte, nur die Sprachförderung übrig.
Auch hier gilt: Sprachförderung schon im Kindergarten ist eminent wichtig, aber nicht alles. Der Bildungsauftrag der Kita muss die Förderung der gesamten Entwicklung der Kinder umfassen. Von dieser Erkenntnis ist schon 8 Monate nach Regierungsantritt nichts mehr übrig.
In Ihrem Wahlprogramm haben Sie noch ein kostenloses letztes Kindergartenjahr versprochen. Auch dieses Versprechen haben sie nicht eingelöst.
Herr Minister Busemann,
Sie verbreiten in der Antwort auf unsere Große Anfrage viele wohl klingende Worthülsen, aber wenn man genau hinschaut, was sich dahinter verbirgt, ist es wenig mehr als nichts. Sie haben mit lautem Getöse 2.500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, aber diese Stellen verbrauchen Sie restlos für Ihre ideologisch motivierte Schulstrukturreform. Für gezielte individuelle Förderangebote bleibt nichts.
Herr Minister Busemann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie vermeiden es konsequent, sich auf ein einziges konkretes Ziel bis 2008 festzulegen. Aber wir versprechen Ihnen, dass wir Sie am Ende der Legislaturperiode daran messen werden, ob sich der Schulerfolg unserer Kinder bis dahin tatsächlich verbessert hat.