Rede Ina Korter: Fördern statt Sitzenbleiben

Anrede,

Sitzenbleiben ist teuer und unwirksam. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die der Bildungsforscher Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Anfang des Monats veröffentlicht hat.

In der Studie wird festgestellt. dass die Klassenwiederholungen bundesweit  931 Mio. Euro im Jahr kosten.

In Niedersachsen bleiben 20 000 Schülerinnen und Schüler jährlich sitzen. Jeder dritte Schüler muss im Laufe seiner Schulzeit ein Jahr wiederholen.

Das kostet das Land nach den Berechnungen von Klemm 50 Mio. Euro jährlich - Geld, das viel sinnvoller in die individuelle Förderung statt in Klassenwiederholungen gesteckt werden sollte.

Denn einen nachhaltigen positiven Effekt hat das Wiederholen nicht.

Das haben zahlreiche Studien aus Deutschland und aus anderen Ländern ergeben, die Klemm ausgewertet hat.

Die empirische Forschung sieht höchstens im ersten Jahr nach dem Sitzenbleiben eine Verbesserung der schulischen Leistungen. Schon im darauf folgenden Schuljahr, in dem die Anforderungen neu und höher sind, sinken die Leistungen wieder deutlich ab.

Deshalb ist es sinnvoller, den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der Kinder im Unterricht Rechnung zu tragen und Konzepte für die optimale individuelle Förderung jedes Kindes zu entwickeln, statt das gesamte Schuljahr zu wiederholen.

Vorbildliche Konzepte haben die Schulen in Finnland.

Dort gibt es kein Sitzenbleiben.

Wenn einzelne Schüler Schwierigkeiten im Unterricht haben, werden sie unverzüglich individuell oder in Kleingruppen gefördert, damit sie den Anschluss erst gar nicht verlieren.

Die Ergebnisse sind – wie wir alle wissen – exzellent.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren von CDU und FDP,

sonst halten Sie doch so viel von den Studien der Bertelsmann-Stiftung, wie gedenken Sie in diesem Fall damit umzugehen?

Werden Sie endlich schulpolitische Konsequenzen daraus ziehen und, wie auch von uns seit Jahren gefordert, das Sitzenbleiben abschaffen?

Oder halten Sie weiter an einem überholten, ineffizienten und teuren Instrument fest?

Sie hätten es den Eigenverantwortlichen Schulen längst freistellen können, Schule ohne Sitzenbleiben zu werden und die eingesparten Mittel als Budget für neue Förderkonzepte zu verwenden!

Aber Sie haben sich nicht getraut.

Nach der Vorstellung der Bertelsmann-Studie wurden wieder die abenteuerlichsten Begründungen vorgebracht, warum die Schulen das Sitzenbleiben als pädagogisches Instrument brauchen.

Das letzte Argument ist, dass Lehrerinnen und Lehrer sonst kein Druckmittel mehr gegen die Schülerinnen und Schüler Kinder in der Hand hätten.

Wer das sagt, der zeigt, was er von Schule hält:

Ohne Druck geht nichts.

Die moderne Hirnforschung dagegen zeigt, dass man viel bessere Ergebnisse erzielt, wenn Lernen Spaß macht. Wenn man ohne Angst lernt, weil es Erfolgserlebnisse gibt, die Forschung zeigt, dass Leistung  beflügelt und motiviert, während Druck und Angst Lernblockaden erzeugen und krank machen.

Wir fordern mit unserem Antrag:

Ziehen Sie Konsequenzen aus der Klemm-Studie, schaffen Sie bis 2012 das Sitzenbleiben endgültig ab!

Geben Sie allen Schulen, die dies wollen, die Freiheit, schon  jetzt damit anzufangen, passgenaue Förderkonzepte zu entwickeln, damit kein Kind mehr die beschämende Erfahrung machen muss, Sitzenbleiber zu sein. Dafür brauchen die Schulen  ausreichende Budgets aus den eingesparten Mitteln.

Und es gibt sie längst, die Schulen, die dies wollen.

Der Kollege von Danwitz weiß es besonders gut, denn in seinem Wahlkreis haben sich Schulleitungen aller Schulformen zusammengesetzt und ein Modellkonzept für den gesamten Landkreis,  entwickelt. Danach soll die Schule auch auf das Sitzenbleiben verzichten können. Wiederholungen gibt es nur auf freiwilliger Basis.

Haben Sie nicht im Landkreis Soltau-Fallingbostel dieses Konzept unterstützt, Herr Kollege?

Wir sind gespannt, welche und wessen Position von der CDU-Fraktion heute im Landtag vertreten wird.

Vielleicht erklärt uns ja wieder der Ministerpräsident, wer alles aus seinem Kabinett einschließlich seiner eigenen Person in der Schule sitzengeblieben ist und warum das bei der CDU niemandem geschadet habe.

Wir haben bereits im vergangenen Plenum tiefe Einblicke in die Gedanken und –Gefühlswelt des Christian Wulff gewinnen können.

Meine Damen und Herren,

die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen und deren Eltern  müssen erwarten können, dass eine Regierung und die sie tragenden Fraktionen sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzen und daraus politische Konsequenzen ziehen.

Sie haben am Mittwoch die IdeenExpo gelobt und vor allem sich selbst dafür gelobt, dass es sie gibt.

Aber es reicht nicht, gute Ideen nur zu loben, man muss auch davon lernen!!

So wie Sie aber in der Schulpolitik an alten Zöpfen festhalten, würde jeder Frisör pleite gehen.

Wir wollen, dass das Sitzenbleiben bis 2012 abgeschafft und durch innovative Konzepte ersetzt wird.

Wir wollen eine Schule der Ermutigung, des Förderns und keine des Beschämens!

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