Rede Ina Korter: Fitnesslandkarte Niedersachsen (Aktuelle Stunde)

...

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, vielen Dank, dass Sie die Aktuelle Stunde wegen unserer "Sitzfettlandkarte" und unserer massiven Kritik an dem Test beantragt haben. Aber zu den unsportlichen Vorwürfen, die Sie gemacht haben, sage ich Ihnen: Laufen Sie doch das nächste Mal mit Ihrer Fraktion beim Behördenmarathon mit! Machen Sie mit Ihrer Fraktion das Sportabzeichen, wie wir das machen! Dann reden wir weiter, was in unseren Fraktionen passiert.
(Beifall bei den GRÜNEN - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Es geht um Kinder!)
Nun aber zum Fitnesstest. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum ein Thema hat in den letzten Wochen die Gemüter so erhitzt wie die Fitnesslandkarte Niedersachsen. Eltern, Sportlehrkräfte, Wissenschaftler und Datenschützer haben erhebliche Bedenken hinsichtlich der Sinnhaftigkeit des Tests geäußert. Ich meine, sie haben Recht damit.
Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Für die Zielsetzung der Aktion, den Fitness- und Gesundheitszustand der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen zu verbessern, haben Sie, Herr Minister Busemann, unsere volle Unterstützung.
(Ah! bei der CDU und bei der FDP)
Aber der Weg, den Sie eingeschlagen haben, ist nicht der Richtige.
Herr Busemann, Sie ordnen per Erlass an, dass alle Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 10 im Schulsportunterricht durch einen standardisierten Test auf ihre Fitness hin geprüft werden sollen. In unglaublich kurzer Zeit sollen die Schulen wieder einmal ausbaden, was sich der Minister Neues ausgedacht hat. Von Sportwissenschaftlern das wissen Sie genau wird der Test erheblich infrage gestellt.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Von welchen?)
Herr Busemann, wären Sie selbst und Ihre Kabinettskolleginnen und kollegen bereit, sich einem solchen Test zu unterziehen? - Wir hätten das ja am Rande des Plenums machen können.
(Unruhe)
Präsident Jürgen Gansäuer:
Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist hochgradig inakzeptabel. Sie können sich gerne draußen unterhalten. Dort hat niemand etwas dagegen. Aber hier im Plenarsaal bitte ich der Rednerin zuzuhören. - Bitte sehr!
Ina Korter (GRÜNE):
Danke schön, Herr Präsident. - Dass durch den Test diejenigen Kinder, die nicht so gut abschneiden, zu mehr sportlicher Aktivität begeistert werden sollen, glauben Sie, Herr Minister, doch wohl selbst nicht.
Sie fragen in dem Test nicht nach Gründen für schlechtes Abschneiden, und es folgen keine Konzepte. Sie stellen fest, welche Kinder Probleme haben, und lassen sie dann im Stich.
(Jörg Bode [FDP]: Falsch!)
Wo sind Ihre Konzepte für mehr und besseren Sportunterricht, für die dritte Sportstunde oder sogar die tägliche Sport- und Bewegungsstunde in der Grundschule? Was tun Sie, damit das Konzept "Bewegte Schule" in Niedersachsen flächendeckend umgesetzt wird? - Sie machen die Klassen doch so voll, dass Bewegung gar nicht mehr möglich ist.
(Walter Meinhold [SPD]: Richtig!)
Wie ist die Versorgung mit Sportlehrerinnen und Sportlehrern an unseren Schulen? - Viele Klassen mussten an diesem Test teilnehmen, obwohl sie im laufenden Schuljahr gar keinen Sportunterricht haben, weil er ausfällt.
Herr Schwarz, Leistungsdaten bekommen die Sportkolleginnen und kollegen längst über die Teilnahme an Bundesjugendspielen, am Sportabzeichen und an vielen anderen Sachen, die in den Schulen laufen. Dazu brauchen sie keinen neuen Test, der sehr aufwändig ist und auch noch viel kostet.
Herr Minister Busemann, Sie selbst tragen die Verantwortung dafür, dass in den Grundschulen 50 % des Sportunterrichts fachfremd erteilt wird und dass vor allen Dingen der Schwimmunterricht ausfällt.
(Joachim Albrecht [CDU]: Das ist albern!)
- Dann haben Sie aber nichts mitbekommen, Herr Albrecht. Da fällt unglaublich viel aus.
Meine Damen und Herren, Herr Busemann, die Eltern machen sich Sorgen, was mit den Daten ihrer Kinder passiert. Herr Schwarz hat das angesprochen. Diese Bedenken konnten Sie nicht ausräumen, auch nicht mit Ihrem Brief vom 16. November. Die persönlichen Daten und Testergebnisse müssen in einen Fitnessbogen eingegeben werden und sollen von den Sportlehrkräften bis zum 12. Dezember an das WIAD, das Wissenschaftliche Institut der Ärzte Deutschlands e. V., übermittelt werden. Was wird dort mit diesen Daten gemacht, und wem nützen sie eigentlich?
Ganz besonders brisant aber ist die Frage der Vergabe der Testdurchführung an das WIAD. Ist es ein Zufall, dass Ihr Fraktionskollege Dr. Kuno Winn der Vorsitzende dieses Instituts ist?
(Zurufe von der CDU)
An dieses Institut haben Sie den Testauftrag, der über drei Jahre läuft, ohne Ausschreibung vergeben, jährliche Kosten 240 000 Euro. Herr Busemann, wenn Sie schon einen Fitnesstest machen wollen, wieso haben Sie keines der niedersächsischen sportwissenschaftlichen Institute des Landes gefragt oder beauftragt? Wäre das nicht kostengünstiger gewesen? - Herr Busemann, genau in dieser Frage sind Sie dem Parlament eine Erklärung schuldig.
(Beifall bei den GRÜNEN)

Zurück zum Pressearchiv