Rede Ina Korter: Erstellung eines Konzeptes für die Integration von Schülern und Schülerinnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf in die allgemeinen Schulen

Anrede,

im Januar hat die Bundesrepublik Deutschland die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernommen.

Die EU- Kommission hat das Jahr 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle erklärt. Diskriminierung soll bekämpft und Vielfalt als positiver Wert vermittelt werden.

Wie gut würde es da dem Land Niedersachsen zu Gesicht stehen, wenn sich die Landesregierung endlich darum bemühen würde, Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gerechtere Chancen durch mehr gemeinsame Schule mit anderen Kindern bekommen.

Anrede,

das genau ist die Zielsetzung unseres Entschließungsantrags.

Wir wollen ein Stufenkonzept, wie die Klassen 1 – 4 der Förderschulen nach und nach in die allgemeinen Grundschulen überführt werden können, wobei die Fachkräfte aus den Förderschulen zur Unterstützung in die Grundschulen mitgehen sollen.

Und wir wollen, dass die integrative Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf endlich auch beim Wechsel in die weiter führenden Schulen deutlich ausgebaut wird.

Meine Damen und Herren,

wir fordern damit keine schulpolitische Revolution.

Wir fordern nichts anderes als das, was unser Grundgesetz vorsieht, was § 4 unseres niedersächsischen Schulgesetzes seit 1993 postuliert und was der Erlass "Sonderpädagogische Förderung" von 2005 noch einmal untermauert.

Denn leider werden noch immer Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf Extra-Schulen aussortiert.

Lassen Sie mich festhalten:

Seit mehr als 10 Jahren stagniert die Integration dieser Schülerinnen und Schüler.

30 Jahre nach der Einrichtung der ersten Integrationsklasse besuchen noch immer nur ganze 4% der Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung in Niedersachsen eine gemeinsame Klasse.

Integrationsklassen sind noch immer die Ausnahme, nicht die Regel. Ganz anders als in anderen europäischen Staaten!

Meine Damen und Herren,

dass wir es angesichts dieser blamablen Situation nicht bei Appellen belassen dürfen, liegt auf der Hand.

Deshalb sollten wir im Primarbereich mit der flächendeckenden Integration anfangen.

Die hier bereits deutlich zurückgehenden Schülerzahlen schaffen hierfür hervorragende Voraussetzungen.

Von den 184 Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernhilfe haben 45 Schulen bereits in den Klassen 1- 4 zusammen weniger als 20 Schülerinnen und Schüler.

An dieser Stelle zu beginnen, die Kinder vor Ort in den regulären  Grundschulen in kleineren Klassen zu unterrichten, das könnte ein erster Schritt eines Stufenkonzeptes sein.

Ab Klasse 5 sind Integrationsklassen kaum zu finden.

Was in Kindergarten und manchmal auch Grundschule erfolgreich begonnen wurde, muss  beim Wechsel in die weiter führenden allgemein bildenden Schulen fortgeführt werden.

Meine Damen und Herren,

ich habe zu diesem so wichtigen Thema im Fachausschuss eine Anhörung beantragt, doch CDU und FDP haben dieses Ansinnen ohne Diskussion kalt abgebügelt, unseren Antrag ohne weitere Beratung abgelehnt.

Sie haben deutlich gemacht, sie wollen keine Anhörung und schon gar nicht unter dem Motto "mehr Integration".

So wenig interessiert es Sie, ob Kinder mit Lernschwierigkeiten Chancen erhalten, ob ihre Potenziale genutzt werden.

Bei der Einbringung unseres Antrags war ich noch optimistisch, dass bessere Lernerfolge für alle, die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags, verbunden mit weniger Kosten für die Kommunen doch eigentlich Anliegen aller Fraktionen sein müsste.

Leider wurde ich schon bei der ersten Beratung im November eines Schlechteren belehrt.

Sie haben keine Scheu, Frau Körtner, Ihre Politik des Aussortierens immer weiter zu treiben und dann noch scheinheilig zu behaupten, Sie hätten nur das Wohl der Kinder im Blick.

Sie machen eiskalt Schulpolitik auf dem Rücken der schwächeren Schüler, der Kinder mit Lernbeeinträchtigungen, der  Kinder aus Migrantenfamilien, der Kinder aus bildungsfernen Schichten.

Das wird deutlich an Ihrem krampfhaften Bemühen, an der separaten Hauptschule festzuhalten und dort  jetzt die 500 schwächsten Schüler landesweit in Ihren - wie die GEW es sarkastisch nennt - "Drop–out–Klassen" noch weiter auszusortieren.

Eine Landesregierung hat Pflicht, sich um alle Schülerinnen und Schüler zu kümmern.

Minister Busemann, auch Sie verwenden doch so gern den finnischen Leitsatz " Keiner darf verloren gehen".

Verstanden haben Sie ihn aber offenbar noch nicht, denn Sie kümmern sich vorwiegend um die Leistungsstärksten und die aus begüterten Elternhäusern.

Wenn die sich christlich nennende CDU-Fraktion unter Führung eines Ministerpräsidenten Christian Wulff beschließt, dass über mehr Integration von schwächeren Schülern nicht einmal mehr nachgedacht werden soll, ist das nicht nur peinlich, es ist ein Skandal; erst Recht im Europäischen Jahr der Chancengleichheit

Dafür, Herr Wulff, tragen Sie als Ministerpräsident die Verantwortung!

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