Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer demokratischen Schulverfassung für die eigenverantwortliche Schule

 

Anrede,

Opposition muss nicht immer nein sagen - vor allem dann nicht, wenn es darum geht, notwendige innere Reformen der Schulen voranzubringen, die im Grundsatz von uns allen gewollt werden.

Herr McAllister und Herr Rösler haben in der vorigen Woche erklärt, mit dem Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule sei jetzt erst einmal Schluss mit Schulreform.

Anrede,

das sehen wir genau anders:

Nach allem, was die Landesregierung mit ihrer Verschärfung der selektiven Schulstruktur bisher falsch gemacht hat, ist dieses Gesetz der erste Schritt  in Richtung einer sinnvollen Schulreform.

Aber dieser Schritt ist nur der Anfang. Jetzt muss es erst richtig losgehen.

Dieses Gesetz schafft einen Rahmen für die notwendige innere Reform der Schule. Jetzt muss dieser Rahmen auch ausgefüllt werden.

Anrede,

Mehr Freiheit von Vorschriften beim eigenen Schulprogramm,

neue Gestaltungsfreiräume bei mehr Verantwortung aller Beteiligten an den Schulen in einer demokratischen Struktur,

die Verankerung von Inspektion und von Beratung und Unterstützung im Schulgesetz - das sind für uns wichtige Elemente für eine zukunftsfähige Qualitätsentwicklung.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung entsprach diesen Zielen nicht einmal ansatzweise, er war ein mutloses Reförmchen.

Deshalb haben wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der nach den Beratungen in der Anhörung dem Gesetz eine ganz andere Richtung gegeben und sichtbar grüne Akzente gesetzt hat.

Die Landesregierung wollte ein Gesetz für mehr Eigenverantwortung der Schulen.

Aber mehr Gestaltungsfreiräume kamen darin nicht vor, ebenso wenig wie eine demokratische Schulverfassung und effektivere Entscheidungsstrukturen.

Auch eine gesetzliche Grundlage für Inspektion oder Beratung und Unterstützung der Schulen war nicht vorgesehen.

Die Schulleitungen sollten mehr und die Gesamtkonferenzen weniger Rechte bekommen.

Ein kompetenzloser Beirat sollte über die Geschicke der Schule mitdiskutieren.

Und irgendwie sollte sich dadurch auch die Schulqualität verbessern.

Geglaubt hat es keiner.

Anrede,

mit diesem Ansatz ist die Regierung bereits in der Anhörung gescheitert.

Schnell wurde dort deutlich, dass zentrale Vorschläge, wie wir sie formuliert hatten, vom Landeselternrat, vom Landesschülerrat, von den Kommunalen Spitzenverbänden, den beiden christlichen Kirchen und zum Beispiel vom Schulleitungsverband vertreten wurden.

Die Regierungsfraktionen und auch die SPD begannen ihre Vorstellungen zu korrigieren.

Anrede,

Was haben wir erreicht?

1. Wir wollten die Gesamtkonferenz auf pädagogische Aufgaben konzentrieren und sie pädagogische Konferenz nennen.

Jetzt behält die Gesamtkonferenz zwar ihren Namen und ihre Zusammensetzung, entscheidet aber in Zukunft hauptsächlich über pädagogische Angelegenheiten.

2. Wir hatten als effektives Entscheidungsgremium eine Schulkonferenz mit drittelparitätischer Besetzung durch lehrendes Personal, Eltern und Schülervertretungen vorgeschlagen.

Jetzt wird ein Schulvorstand geschaffen, der diesen Vorstellungen in Größe und Zusammensetzung weitgehend entspricht. Die Drittelparität war zwar nicht durchsetzbar, aber ich denke, mit 25 % Elternvertretung und 25% Schülervertretung im entscheidenden Schulvorstand ist ein Paradigmenwechsel eingeleitet.

Der Vorstand beschließt über die Inanspruchnahme der eingeräumten Entscheidungsspielräume im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit, die Einrichtung von Ganztagsschulen oder Integrationsklassen, über Schulversuche, die Ausgestaltung der Stundentafel und über das Schulbudget und macht Vorschläge für Schulprogramm und Schulordnung.

3. Die Schulleitung wird gestärkt und trägt die Gesamtverantwortung für die Qualitätsentwicklung und –sicherung, ist Vorgesetzte aller an der Schule tätigen Personen und trifft Maßnahmen zur Personalwirtschaft und Personalentwicklung.

Sie hat im Vorstand bei Stimmengleichheit die entscheidende Stimme.

Wir hätten die Wahl der Schulleitung durch den Vorstand gern im Gesetz verankert, aber das war leider nicht mehrheitsfähig.

Die Legitimation durch die an Schule Beteiligten wäre uns hier wichtig gewesen.

4. Die Landesregierung wollte weder die Schulinspektion noch die Beratung und Unterstützung der Schulen im Gesetz aufnehmen.

Beides konnte in den Beratungen erreicht werden.

Das ist wichtig, denn zu mehr Eigenverantwortung gehört notwendig die Qualitätssicherung von innen, durch die Schulen selbst, und von außen durch die Inspektion.

Darüber hinaus müssen die Schulen aber auch die nötige Beratung und Unterstützung bekommen, die ihnen nun im Gesetz durch die Schulbehörden gewährt wird.

Auf die Neufassung der Grundsätze für das Sponsoring wurde verzichtet.

Einige weitere Regelungen haben nichts mit der Eigenverantwortlichkeit zu tun, sollen aber heute gleich mit beschlossen werden:

Die Regelungen zu den Ganztagsschulen sind in der Beratung so überarbeitet worden, dass wir eine tragbare Lösung vorliegen haben, die rückwirkend die genehmigten Ganztagsschulen light in einen rechtskonformen Zustand bringt, ohne dabei die Standards für Ganztagsschulen weiter abzusenken.

Außerdem geht es um eine Neuregelung der Finanzhilfe für Integrationsschüler an freien Schulen, die wir fraktionsübergreifend erarbeitet haben.

Anrede,

5. Wir wollten im Gesetz die Gestaltungsfreiräume für die Schulen regeln, weil die Möglichkeit, in eigener Verantwortung auf diverse Erlasse und Verordnungen zu verzichten, ein Kernstück für Reformentwicklung darstellt.

Dazu waren die Mehrheitsfraktionen nicht bereit. Hier sind Sie mutlos geblieben.

Herr Busemann, Sie nehmen den Mund schon wieder sehr voll, wenn Sie behaupten, Sie seien mit Ihrem Gesetz zur eigenverantwortlichen Schule an der Spitze der Bundesrepublik.

Andere Bundesländer sind an dieser Stelle wesentlich weiter und mutiger.

Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass die Reform nicht erlahmt.

Der Minister hat verkündet, dass auf einige – eher unbedeutende – Erlasse verzichtet werden soll.

Das reicht uns nicht.

Wir werden Ihnen eine Liste von Erlassen vorlegen, die aufgehoben werden sollen, damit die Schulen tatsächlich größere Freiräume bekommen.

Meine Damen und Herren,

leider wurde das Schulgesetz zur Eigenverantwortlichen Schule von den Mehrheitsfraktionen unter einem enormen Zeitdruck durch die Beratungen getrieben.

Das hat nicht nur zu Systembrüchen geführt, sondern auch an mancher Stelle Einigungen zwischen den Fraktionen im Bemühen um mehr Qualität verhindert.

Wir müssen deshalb schon heute in der Plenarsitzung Details nachbessern.

Das spricht nicht dafür, dass dieses  wichtige Reformvorhaben mit der nötigen Gründlichkeit in Ruhe beraten werden konnte.

Ich sage es ausdrücklich: Ich halte das für einen großen Fehler.

Aber, meine Damen und Herren,

in solchen Situationen muss sich eine Oppositionsfraktion die Frage stellen:

Bleiben wir bei der Kritik stehen und werden von der Mehrheit einfach überstimmt oder versuchen wir noch stärker konstruktiv, hartnäckig und kritisch  mitzugestalten, weil es um einen wichtigen Reformbaustein geht.

Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden.

Es muss noch an vielen Stellen Verbesserungen geben, aber das heute zur Abstimmung gestellte Gesetz ist eine Grundlage für mehr Eigenverantwortung, für mehr Qualitätsentwicklung und für mehr Demokratie in der Schule.

Dafür haben wir Grünen gestritten und vieles erreicht.

Deshalb werden wir heute zustimmen.

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