Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der inklusiven Schule in Niedersachsen

Landtagssitzung am 10.11.2011

Ina Korter, MdL

Anrede,

fast drei Jahre hat sich die Regierungskoalition nach Inkrafttreten der UN-Konvention Zeit gelassen, um endlich einen Gesetzentwurf zur  Inklusion in der Schule vorzulegen.
Fast drei Jahre hat sie die Eltern behinderter Kinder, die keine Ausgrenzung mehr wollen, hingehalten mit der Begründung "Sorgfalt vor Eile".

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

jetzt kommen Sie mit einem Gesetz, das das schlechteste ist, was bisher in der Bundesrepublik zur Inklusion vorgelegt worden ist.
Bei Ihnen kann man nur eines lernen: wie man es nicht machen darf!
Ihre Gesetzesbegründung macht deutlich, dass Sie noch immer nicht begriffen haben, was Inklusion bedeutet.
Sie schreiben: "Wenn aber Elternentscheidungen zu einer Über- oder Unterforderung der Kinder durch falsche Schulformwahl führen, müssen Kinder vor Scheitern, folgender Lernunlust oder gar völligem Schulversagen geschützt werden.
Daher ist es notwendig, dass eine Schulwahlentscheidung der Erziehungsberechtigten im Interesse des Kindes korrigiert werden kann."

Meine Damen und Herren,

Inklusion bedeutet nicht, zu fragen: Ist das Kind an dieser Schule richtig?
Inklusion bedeutet,  Schule so zu gestalten, dass sie für das Kind richtig ist und es optimal fördern kann.
Die Schule muss sich für das Kind passend machen– das haben wir auch während unserer Reise nach Südtirol mit dem Kultusausschuss eindrucksvoll erlebt.
Die Koalition will die Förderschulen nahezu komplett erhalten, bis auf die Primarstufe mit dem Förderschwerpunkt Lernen, und zwar nicht nur für eine Übergangszeit, sondern auf Dauer.
Damit wird eine Doppelstruktur aufgebaut, die extrem teuer ist.
Wenn nahezu alle Förderschulen weiterbetrieben werden, werden zu wenig Geld und zuwenig Förderschullehrkräfte da sein, um die inklusiven Regelschulen so auszustatten, dass sie die Kinder wirklich gut fördern können. Schon jetzt hören wir, dass für die regionalen Integrationskonzepte keine Fachkräfte zu finden sind, denn seit Jahren wird die Ausbildung von Förderschul-Lehrkräften in Niedersachsen sträflich vernachlässigt.

Anrede,

wirklich skandalös ist aber die im Gesetzentwurf von CDU und FDP geplante Regelung, dass Kinder mit Behinderungen auch gegen ihren Willen und gegen den Willen ihrer Eltern auf eine Förderschule überwiesen werden können.
Das, meine Damen und Herren, verstößt gegen den Anspruch der Kinder auf Inklusion und eklatant auch gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Aber Recht und Gesetz werden von den schwarz-.gelben Kultusministern ja schon seit langem auf ganz eigene Weise interpretiert! Da wird gebogen, bis es passt.
So wird im schwarz-gelben Gesetzentwurf der Rechtsanspruch des Kindes auf Inklusion aus der UN-Konvention abgestritten.

Herr Althusmann versteckt sich lieber hinter einem vermeintlichen Kindeswohl.
Und was das ist, darüber sollen nicht die Eltern befinden, sondern letztlich doch die Schule und die Schulbehörde.
Worum es wirklich geht wird aus der Begründung zu § 61 deutlich.
Dort heißt es: "Der Schutz der anderen am Schulleben beteiligten Personen sowie die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Schulbetriebs können das Recht der Erziehungsberechtigten auf freie Schulformwahl (”¦) jedoch einschränken."

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,

Ihnen geht es  nicht um das Wohl des behinderten Kindes, sondern um den Schulbetrieb.
Natürlich, es ist notwendig, einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Aber nach dem Gedanken der Inklusion kann das nicht geschehen, indem man schwierige Kinder – und es ist ja ein sehr weites Feld, welche Kinder eine Schule als schwierig empfindet – einfach auf eine Sondereinrichtung abschiebt.
Die Lösung kann nur sein, dass man die Inklusive Schule so ausstattet, dass sie Kinder auffangen kann, die große Schwierigkeiten machen – weil sie selbst große Schwierigkeiten haben.
Das kann im Einzelfall einen großen Aufwand erfordern, aber der Aufwand in den entsprechenden Förderschulen ist ja auch nicht gerade gering.

Meine Damen und Herren,

seit fast drei Jahren liegt unser sehr fundierter Gesetzentwurf für eine inklusive Schule vor.
Wir erwarten, dass im Kultusausschuss jetzt alle vorliegenden Gesetzentwürfe parallel beraten werden.
Und, Herr Althusmann, wir haben nichts dagegen, wenn Sie dabei Vorschläge aus unserem Gesetzentwurf übernehmen. Wir würden es Ihnen in diesem Fall sogar verzeihen, wenn Sie auf die Quelle nicht präzise hinweisen.

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