Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten

Anrede,

Jedes Jahr, wenn die Anmeldungen zu den weiterführenden Schulen vorgenommen werden, erleben wir es wieder:

Es gibt zuwenig Gesamtschulen, um alle angemeldeten Schulkinder auch aufnehmen zu können.

In Niedersachsen wird dies besonders deutlich, seit die Landesregierung mit ihrem Schulgesetz beschlossen hat, dass die Entscheidung über die Zukunft der Kinder im streng gegliederten System jetzt schon nach Klasse 4 getroffen werden muss.

Gerade vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, wenn Eltern für ihre Kinder am liebsten eine Gesamtschule wollen.

Sie wollen nämlich zu recht die Bildungschancen für ihre Kinder lange offen halten und nicht durch verfrühte Entscheidungen verbauen.

Sie wissen, dass sich Kinder unterschiedlich schnell entwickeln und ihre Begabungen und Interessen nicht durchgehend bis zur 4. Klasse entfaltet und sichtbar gemacht haben.

Herr Busemann will dies nicht wahrhaben.

Wer aber ein demokratisches Verständnis von gerechten Bildungschancen für alle Kinder zur Grundlage seiner politischen Entscheidungen macht, kann gar nicht anders, als da, wo ein ausreichendes Bedürfnis vorhanden ist, die Gründung neuer Gesamtschulen zulassen.

Und das Bedürfnis ist seit Jahren vorhanden!

Zum Schuljahr 2005/2006 mussten an den niedersächsischen Integrierten Gesamtschulen 2.059 Schülerinnen und Schüler abgewiesen werden.

In diesem Jahr ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die an eine Gesamtschule angemeldet wurden, erneut gestiegen.

Um alle Schülerinnen und Schüler, die eine Gesamtschule besuchen wollen, auch aufnehmen zu können, müssten rechnerisch ungefähr 60 Klassen zusätzlich eingerichtet werden. Das entspricht 10 – 15 neu einzurichtenden Gesamtschulen!

Hinzu kommen noch die Schülerinnen und Schüler, die bislang gar keine Möglichkeit haben, sich an einer Gesamtschule anzumelden, weil es in ihrem Landkreis gar keine Gesamtschule gibt. Deren Bedarf wird nirgends sichtbar.

Herr Busemann, wie halten Sie es da mit dem freien Elternwillen?

Der zählt offenbar nur da, wo er Ihnen ideologisch in den Kram passt.

Nachdem Sie mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen den Gesamtschulen das Leben schwergemacht haben, vom schulgesetzlichen Neugründungsverbot über Abschaffung der eigenständigen Schulaufsicht bis hin zu verkürzten Anmeldefristen - versuchen Sie jetzt, die Eltern mit diskreditierenden Äußerungen  über die Gesamtschulen abzuschrecken.

Ihr Versuch ist allzu durchsichtig, Herr Minister, und er wird wieder vergeblich bleiben.

Als wir vor zwei Jahren im Landtag den Antrag gestellt haben, den bedarfsgerechten Ausbau von Gesamtschulen wieder zuzulassen, haben Sie diesen Antrag abgelehnt, weil gemeinsame Schulen in Ihr ideologisch vernageltes Weltbild einfach nicht hineinpassen.

Ich stelle fest, Sie sind in den zwei Jahren, was die Frage einer zukunftsfähigen Schulstruktur angeht, nichts weiter gekommen.

Inzwischen geht in unseren Nachbarländern die Diskussion sehr wohl weiter. Die CDU in Hamburg will die Hauptschulen abschaffen, weil sie allmählich begreift, dass diese Schule ihren Kindern keine Perspektive mehr bietet.

Schleswig-Holstein geht noch einen Schritt weiter und will nun auch Gemeinschaftsschulen für die Klassen 1 bis 10 zulassen.

Herr Busemann, trauen Sie sich weniger zu als Peter Harry Carstensen?

Auch Vordenker aus der Wirtschaft wie Herr Sinn vom Münchner ifo-Institut oder Herr Kluge von McKinsey sagen inzwischen deutlich, dass unser herkömmliches gegliedertes Schulsystem den Anforderungen der Zukunft nicht mehr gerecht wird.

Herr Späth und Frau Süßmuth aus Ihrer eigenen Partei sagen Ihnen dasselbe.

Aber CDU und FDP in Niedersachsen glauben noch immer, jegliche Diskussion über eine zukunftsgerechte Reform der Schulstrukturen einfach abblocken zu können.

Herr Busemann, Sie sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Sie können sich auf Dauer nicht über den Willen einer großen Zahl von Eltern in Niedersachsen hinwegsetzen.

Sie riskieren, dass Niedersachsens Begabungspotentiale nicht optimal genutzt werden. Das darf Sie sich ein Kultusminister nicht erlauben!

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