Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Neugründungsverbots von Gesamtschulen

Anrede,

in diesen Tagen gibt es Noten für Niedersachsens Schülerinnen und Schüler.

Frau Ministerin Heister-Neumann, Sie können froh sein, dass Ihre Schulpolitik nicht benotet wird, denn Sie hätten das Klassenziel nicht erreicht.

Fast 3.100 Bewerberinnen und Bewerber an niedersächsischen Gesamtschulen mussten in diesem Jahr abgelehnt werden und es werden noch weit mehr, denn alle Zahlen liegen noch nicht vor.

Das sind 3.100 zerplatzte Hoffnungen, für die Sie verantwortlich sind, Herr Wulff, Frau Heister-Neumann und meine Damen und Herren von CDU und FDP.

Ihr Neugründungsverbot von 2003 war schon damals völliger Unsinn und eine totale Missachtung des Elternwillens.

Aber in diesem Jahr hätte es eigentlich keine Ablehnungen mehr geben müssen.

Wenn Sie gehandelt hätten, als Herr Wulff im letzten September die Lockerung des Neugründungsverbots angekündigt hat, dann hätte der Landtag noch 2007 die nötige Gesetzesänderung verabschiedet. Dann hätten die Kommunen planen können, die längst bereit waren, dem Elternwillen zu entsprechen.

Aber Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, mussten verzögern und verschleppen.

Sie haben gedacht, wenn Sie nur lange genug verzögern, dann legt sich das Interesse von allein.

Was ist das nur für eine verlogene Masche, die Sie da mit den Eltern in Niedersachsen abgezogen haben!

Wissen Sie eigentlich, was Sie angerichtet haben?

Noch nie hat es so viele Anmeldungen für Gesamtschulen gegeben - noch nie so viel Enttäuschung!

In Schaumburg kommen in diesem Jahr 533 Bewerbungen auf 120 Plätze, in Braunschweig 767 Bewerber auf 380 Plätze, in Oldenburg gab es  mehr Ablehnungen als Zusagen, genauso in Wilhelmshaven, in Peine und, und, und.

Das ist das Ergebnis Ihrer Schulpolitik, einer Politik gegen die Kinder, gegen die Eltern, gegen die Lehrer und übrigens auch gegen viele Kommunalpolitikerinnen von CDU und FDP, die gerne schon zum kommenden Schuljahr neue Gesamtschulen gegründet hätten.

Anrede,

Ihr Gesetz ist ein Gesetz, um Gesamtschulen zu verhindern:

deshalb die Erhöhung der Mindestzügigkeit von vier auf fünf, deshalb die Elternbefragung der Jahrgänge eins bis fünf.

Und dann die Pflicht, das dreigliedrige Schulsystem um Gottes Willen nicht zu gefährden.

Da zeigt sich, wie ernst Sie den Elternwillen nehmen:

Wenn nämlich bei einer Elternbefragung sehr viele Eltern sagen, dass sie ihr Kind zur Gesamtschule schicken wollen, dann darf die – nach Ihrem Gesetz - genau deshalb nicht gegründet werden, weil dann das gegliederte System gefährdet ist.

Das ist doch absurd, was Sie sich da zusammengezimmert haben.

Und es ist juristisch äußerst fragwürdig.

Anrede,

genau so schlimm sieht es bei Ihren Neuregelungen zur Beruflichen Bildung aus.

Für die Probleme tausender Jugendlicher in aussichtslosen Warteschleifen, für die vielen Jugendlichen, die schon seit Jahren ohne Ausbildungsstelle sind, haben Sie keine Lösung.

Wir schlagen vor, Bewährtes aus dem 2009 auslaufenden verpflichtenden BGJ (Berufsgrundbildungsjahr) weiterzuentwickeln.

Wir schlagen vorn, in den Bereichen Bau und Holztechnik eine Berufsgrundstufe schaffen, die das erste Ausbildungsjahr ersetzt und damit Ausbildungsplätze sichert und schafft.

Sie planen stattdessen Einjährige Berufsfachschulen, die den Hauptschulabschluss voraussetzen und die nur freiwillig auf Ausbildung angerechnet werden.

Damit wird Ausbildung ein Jahr verlängert.

Statt mehr vollzeitschulische Ausbildungsplätze in nachfragestarken Branchen in dual-kooperativen Berufsfachschulen zu schaffen, damit endlich auch diejenigen Jugendlichen, die schon lange einen Ausbildungsplatz suchen, sagen Sie Nein, wollen wir nicht.

Statt in der Berufsvorbereitung durchgängig Qualifizierungsbausteine einzuführen, die bescheinigt werden, damit die Motivation der Jugendlichen in den Übergangssystemen gestärkt wird und Sie mit diesen Modulen bereits Jobchancen erhalten, haben Sie sich jedem Vorschlag verweigert.

Die gleiche Blockadehaltung  bei unserem Antrag, Produktionsschulen für Jugendliche mit besonderen Ausbildungshemmnissen ins Schulgesetz aufzunehmen und ihre Gründung zu erleichtern.

Produktionsschulen, in denen durch Arbeit erfolgreich qualifiziert wird, weil man dort Produkte und Dienstleistungen unter marktähnlichen Bedingungen anbietet.

Stattdessen verschärfen Sie die Selektion auch innerhalb der Berufsbildenden Schule:

Abschulung aus der Berufsfachschule in eine Berufseinstiegsschule, Abschulung aus der Berufseinstiegsklasse in ein Berufsvorbereitungsjahr, und das nach nur sechs Wochen und ohne Widerspruchsrechte, die sonst 12-jährige Schulpflicht soll nach nur einem Jahr Berufsvorbereitungsmaßnahme beendet werden. Damit schicken Sie die Schwächsten zur Agentur für Arbeit, damit diese den Kultusetat nicht belasten.

Anrede,

wir  haben Ihnen in unserem Änderungsantrag eine ganze Reihe von Vorschlägen vorgelegt, weil junge Menschen Perspektive brauchen und sie diese durch gute berufliche Bildung erhalten können.

Die Schulpolitikerinnen von CDU und FDP haben sich nicht die Mühe gemacht, diese Vorschläge zu prüfen, zu  ihren eigenen Anträgen konnten sie nichts sagen.

Ich finde das skandalös, das muss ich Ihnen hier sagen, dass Sie, wenn es um die Berufschancen von jungen Menschen geht, nicht einmal Ihren eigenen Antrag erklären können und sich durchdachten Vorschlägen ohne sie zu prüfen widersetzen.

Das ganze katastrophale Gewusel Ihrer Schulpolitik, die vor allem von Unkenntnis, ideologischem Starrsinn und Lobbyismus gekennzeichnet ist, wird daran deutlich.

Die Hauptschule auf Biegen und Brechen erhalten, koste es die Kommunen, was es wolle, aber wenn es um die Berufschancen der schwächeren Schüler geht, Probleme ignorieren und Schönreden.

Aber so ist schwarz-gelbe Schulpolitik:

Ungerecht – inkompetent – verantwortungslos.

Zurück zum Pressearchiv