Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Neugründungsverbots von Gesamtschulen

Anrede, Herr Wulff,

schon bei der ersten Nagelprobe auf die Glaubwürdigkeit Ihrer Wahlversprechen versagen Sie.

"Nichts als die Wahrheit", so haben Sie Ihr Buch betitelt. Herr Wulff. Aber wie sieht die Wahrheit aus? Im September 2007 haben Sie persönlich unter großem Druck vor der Landtagswahl die Lockerung des Gesamtschulneugründungsverbots angekündigt.

Umgehend wurden Gesetzentwürfe der Grünen und der SPD vorgelegt und am 17. Oktober hier beraten. Sie haben nicht zugestimmt.

Vertröstet haben Sie die Menschen mit dem Versprechen, gleich nach der Wahl würde ein Gesetz vorgelegt.

So Karl-Heinz Klare am 12. Dezember  2007 hier im Landtag Zitat: "Die Aussage dazu ist ziemlich einfach: das Gesetz wird im Februar oder März so schnell wie möglich eingebracht, es wird ordentlich beraten und dann gibt es neue Gesamtschulen in Niedersachsen."

Zwischenzeitlich hatte zwar Herr Busemann per Erlass verboten, den Bedarf der Eltern nach der Gründung einer Gesamtschule zu ermitteln. Aber auch er hat am 12. Dezember 2007 ausweislich des Protokolls hier erklärt: "Sie werden sich noch wundern. Wir werden das Neugründungsverbot aus dem Gesetz streichen, wir werden die Bedarfsregelung klären, und das wird 2008 ganz zügig gehen"

Das Ganze ist jetzt mehr als sechs Monate her. Aber bis heute liegt Ihr Gesetzentwurf nicht vor. Wollen Sie uns erzählen, Sie hätten es in sechs Monaten nicht geschafft, einen schlichten Gesetzesentwurf auszuarbeiten?

Das nenne ich nicht mehr nur peinlich, das nenne ich Wortbruch. In dieser Frage stehen Sie ganz persönlich in der Verantwortung, Herr Wulff.

Es war tatsächlich nur ein wahltaktisches Manöver, neue Gesamtschulen anzukündigen. Jetzt spielen Sie mit allen möglichen Tricks auf Zeit, damit es nur ja keine neue Gesamtschule mehr schafft, noch in diesem Jahr mit der Arbeit zu beginnen.

Und das obwohl Sie wissen, dass die Schulträger z.B. in Schaumburg, in Friesland und in anderen Kreisen bereit stehen, eine Gesamtschule zu gründen, dass sie ihre Beschlüsse gefasst haben, dass sie den Bedarf nachweisen können,  dass bereits Pädagogenteams an Konzepten arbeiten.

Dort wartet man nur noch auf das grüne Licht aus dem Landtag in Hannover.

Es geht hier nicht um eine Glaubensdebatte. Nein, es geht um die Bildungschancen tausender Kinder in Niedersachsen.

Weil Sie sich nicht trauen, Herr Wulff, weil Sie in der CDU heillos zerstritten sind, weil Ihr ach so liberaler Koalitionspartner auf die Bremse tritt, deshalb verzögern Sie die Aufhebung des Neugründungsverbots für Gesamtschulen.

Ihre parteiinternen Machtspielchen tragen Sie auf dem Rücken der Kinder aus.

Weil Sie Angst haben vor der Entscheidung, bleibt in vielen Kreisen eine weitere Schülergeneration vom Besuch einer Gesamtschule ausgeschlossen, können die Schulträger nicht loslegen.

Manche Niedersachsen haben Ihnen vor der Wahl geglaubt, dass es Ihnen ernst ist. Was passiert nach der Wahl? Sie tauschen Minister Busemann gegen Frau Heister-Neumann aus, angeblich weil sie die Zusammenarbeit mit den Schulträgern verbessern soll.

Ja, dann hätte sie hier gleich beginnen können.

Im Wahlkampf haben Sie zu den schulpolitischen Diskussionen vor allem die Kollegen Klare und Körtner vorgeschickt.

Was meinen Sie denn, warum der Kollege Klare so deutliche Vorschläge gemacht hat, wie man ganz schnell noch in diesem Jahr zu neuen Gesamtschulen kommt. Warum hat wohl Frau Körtner in Bad Münder versprochen, sich für die baldige Gründung einer Gesamtschule einzusetzen? Ich kann Ihnen das sagen, ich war bei vielen Veranstaltungen dabei. Weil Ihre schulpolitischen Sprecher dort zu spüren bekommen haben, dass die Eltern längeres gemeinsames Lernen an Gesamtschulen wollen! Und zwar noch 2008!

Der Punkt, um den es geht, ist doch, dass Sie die Quadratur des Kreises wollen, und das kann Ihnen nicht gelingen. Sie haben eingesehen, dass Sie sich dem Wunsch vieler Eltern nach einer Gesamtschule, nach einer Schule, die ihren Kindern die Bildungschancen nicht frühzeitig verbaut, nicht länger verweigern können.

Zugleich wollen Sie aber auch ihr rückständiges gegliedertes Schulsystem um jeden Preis erhalten, einschließlich der Hauptschulen, der auch schon ohne die Gründung von Gesamtschulen die Eltern davon laufen.

Wenn Sie es wirklich zur Vorbedingung für die Neugründung einer Gesamtschule machen wollen, dass es auch künftig daneben in der Nähe auch eine Hauptschule gibt, dann werden zumindest auf dem flachen Lande fast nirgends neue Gesamtschulen gegründet werden können.

Als größter Bremser erweist sich heute die angeblich so liberale FDP.

Herr Schwarz, was haben Sie noch bei den Gesamtschulinitiativen im Januar versprochen?

Ich stelle fest: Schulpolitik ist - nachdem der allzu forsche Bauherr Busemann die Baustelle Hals über Kopf verlassen hat - noch mehr in einen Strudel völliger Konfusion und Konzeptlosigkeit geraten.

Die nichts sagende Rede der neuen Ministerin beim Schulleitungsverband vor 1000 Schulleitern hat diesen Eindruck nur verstärkt.

Herr Wulff, Sie waren in den letzten beiden Monaten offenbar mehr mit Ihren privaten Dingen beschäftigt. Aber Sie persönlich stehen im Wort bei den Wählerinnen und Wählern in Niedersachsen.

Die müssen von Ihnen erwarten können, dass Sie unverzüglich ein Konzept vorlegen, wie noch in diesem Jahr neue Gesamtschulen dir Arbeit aufnehmen können.

Herr Ministerpräsident, in dieser Frage stehen Sie persönlich im Wort bei den Wählerinnen und Wählern in Niedersachsen.

Die Neugründung von Gesamtschulen muss unverzüglich wieder zugelassen werden. Dort, wo Eltern eine Gesamtschule für ihre Kinder wollen, muss diese auch eingerichtet werden.

Die Bedarfsermittlung muss unverzüglich erfolgen.

Nehmen Sie den Verbotserlass von Herrn Busemann zurück.

Gesamtschulgründungen sind sehr schnell gesetzlich zu regeln, man muss es nur wollen und endlich den Mut haben, auf die vielen Wenn und Abers zu verzichten.

Das sind Sie den Wählerinnen und Wählern schuldig, alles andere wäre Wortbruch.

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