Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Neugründungsverbotes von Gesamtschulen

Anrede,

Minister Busemann hat am 10. Juli hier erklärt, er fahre seit ein paar Tagen mit offenen Fenstern durchs Land, aber den Ruf nach mehr Gesamtschulen könne er nicht vernehmen.

Ich hoffe, diese Schwerhörigkeit war nicht darauf zurückzuführen, dass der Minister sich bei seinen Fahrten mit offenem Wagenfenster eine schwere Mittelohrentzündung zugezogen hat.

Wie dem auch sei, der Ministerpräsident hat offenbar bessere Ohren.

Nachdem auch der Landeselternrat das Neuerrichtungsverbot für Gesamtschulen scharf kritisiert hatte, hat Ministerpräsident Wulff Mitte September gegenüber der Presse erklärt, er sei offen für neue Gesamtschulen – in einzelnen Fällen.

Damit ist der Ministerpräsident seiner eigenen Parole gefolgt, vor der Landtagswahl alle Streitthemen "abzuräumen".

Aber, Herr Wulff, so einfach geht das mit dem Abräumen bei diesem Thema nicht.

Mit der Ankündigung, das Neugründungsverbot für Gesamtschulen zu lockern, wird die ganze Konfusion und Perspektivlosigkeit Ihrer Schulpolitik erst richtig sichtbar.

Das fängt schon an bei der Frage, wo neue Gesamtschulen zugelassen werden sollen.

Ministerpräsident Wulff hat gegenüber der Presse erklärt, neue Gesamtschulen solle es dort geben können, wo es noch gar keine gibt.

Was auch immer das im Detail bedeutet, die Aufhebung des Neugründungsverbots ist längst überfällig.

Es ist mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, dass die Eltern in manchen Landkreisen die Möglichkeit haben, ihr Kind an einer Gesamtschule anzumelden, in anderen aber nicht.

Aber zusätzliche Gesamtschulen sind gerade auch nötig in den Kommunen, in denen es schon welche gibt.

2.857 Kinder mussten an den bestehenden Standorten in diesem Jahr abgelehnt werden, weil die Plätze nicht reichen.

Und diese Zahl steigt von Jahr zu Jahr, obwohl insgesamt die Schülerzahl zurückgeht.

Gerade dort, wo bereits Gesamtschulen mit großem Erfolg arbeiten, wird deutlich, wie groß der Bedarf an zusätzlichen Plätzen ist.

Das zeigt, dass gute Gesamtschulen sich bewährt haben und immer mehr nachgefragt werden, erst recht nach der so genannten Schulstrukturreform der Landesregierung aus dem Jahr 2003.

Und seit Ministerpräsident Wulff angekündigt hat, das Gesamtschulneugründungsverbot zu lockern, vergeht kaum ein Tag, in dem in der Presse nicht von neuen Gründungsinitiativen berichtet wird.

Das gilt für die Städte und Kreise, in denen die bestehenden Gesamtschulen völlig überlaufen sind wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg.

Das gilt aber auch für Kommunen, in denen es noch keine Gesamtschulen gibt wie Celle, Lüneburg oder Bad Münder, hier vor Ort interessanterweise unterstützt auch von der CDU und der FDP.

Herr Wulff, mit ihrer Ankündigung, das Gesamtschul-Neugründungsverbot zu lockern, wollten Sie etwas Druck aus der Debatte nehmen, damit Sie nicht über Schulstrukturen reden müssen.

Ich glaube, Sie haben mit dieser Reaktion überhaupt nicht gerechnet. Im ganzen Land kommt es plötzlich zu neuen Initiativen für Gesamtschulerrichtungen.

Sie haben zu lange den gebetsmühlenartigen Wiederholungen Ihrer Schulpolitiker geglaubt, in Niedersachsen wolle niemand eine neue Schuldebatte.

Sie haben das Problem, vor dem Ihre Schulpolitik jetzt so kurz vor der Wahl steht, offenbar in seiner ganzen Dimension noch gar nicht erkannt.

Es geht ja nicht nur darum, dass immer mehr Kinder von den Gesamtschulen abgewiesen werden müssen.

Das Problem ist auch, dass immer weniger Eltern ihr Kind auf eine Hauptschule schicken wollen.

Fünf Jahre lang haben Sie jetzt versucht, die Hauptschule zu stärken, aber es will keiner mehr hingehen.

Es ist jetzt schon klar, dass die Hauptschule auf Dauer nicht zu halten ist, weil diese Schulform den Jugendlichen auf dem heutigen Arbeitsmarkt keine Perspektive mehr bieten kann.

Auch CDU-Regierungen rücken deshalb immer deutlicher von der Hauptschule ab.

In Hamburg und Schleswig-Holstein wird es die Hauptschule schon bald nicht mehr geben.

Nur die CDU in Niedersachsen hält auch in ihrem Wahlprogramm für 2008 trotzig an ihr fest.

In der Braunschweiger Zeitung vom 10. Oktober konnten wir lesen, dass es nach der Wahl auch Sekundarschulen geben soll, in denen schulzweigübergreifend gemeinsamer Unterricht erteilt werden soll.

Oder war das nur ein Alleingang ihres heimlichen Kultusministers Klare?

In vielen ländlichen Gemeinden werden Sie neue Wege gehen müssen, weil Sie schon bald nicht mehr in der Lage sein werden, flächendeckend gesonderte Haupt- und Realschulen anzubieten. Die Schülerzahlen gehen zurück.

Aber diese Wahrheit wollen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern vor der Landtagswahl offenbar nicht zumuten.

Anrede,

das Chaos in der Schulpolitik der amtierenden Landesregierung erinnert mich ein wenig an die Endzeit der Gabriel-Regierung.

Noch im Sommer behauptet Kultusminister Busemann noch steif und fest, unter einer CDU-Landesregierung werde es keine neue Gesamtschule geben.

Im September erklärt dann sein Ministerpräsident, neue Gesamtschulen könne es doch geben.

Angeblich hat er das mit seinem Kultusminister so abgesprochen.

Der hält aber weiter an seinem Vorschlag fest, erstmal sollten doch die bestehenden Gesamtschulen zu 8-zügigen Mammutschulen erweitert werden.

Dabei weiß auch der Kultusminister ganz genau, dass das nicht nur pädagogischer Unsinn ist, sondern in den meisten Fällen dafür auch die räumlichen Möglichkeiten überhaupt nicht vorhanden sind.

Fraktionschef McAllister schießt noch schnell mit einem unausgegorenen Ablenkungs-Vorschlag dazwischen, Kinder künftig schon mit 5 Jahren einzuschulen. Ein Vorschlag, den er  wieder relativieren muss, ungefähr so ausgereift, wie der Vorschlag von Ursula von der Leyen, Kinder als Testkäufer für Alkohol und Zigaretten einzusetzen.

Und Ihr Geschäftsführer Althusmann versucht jetzt, die ungeplante Dynamik der Diskussion wieder einzufangen mit der Sprachregelung, eine Gesetzesänderung werde erst in Ruhe nach der Wahl diskutiert und Gesamtschulen könnten nur da genehmigt werden, wo sie andere Systeme in ihrem Bestand nicht gefährden. Dann wieder Busemann heute in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen:

Voraussetzung für die Genehmigung neuer Gesamtschulen z.B. in Göttingen ist, dass zuvor die 8-Zügigkeit voll ausgeschöpft wird.

Anrede,

ja glauben Sie denn, dass Sie damit die Eltern beruhigen können, die im nächsten Jahr ihr Kind auf eine Gesamtschule schicken wollen!

Wer soll Ihnen das denn noch abnehmen?

Die Eltern haben längst den Verdacht, dass es Ihnen Herr Wulff mit Ihrer Ankündigung nur um ein wahltaktisches Manöver geht, um etwas Dampf vom Kessel zu nehmen.

Die Eltern wollen nicht noch drei oder vier Jahre warten, dann ist für ihre Kinder die Chance vorbei auf eine Gesamtschule zu gehen.

Herr Wulff, was gilt denn nun? Was Sie sagen oder was Herr Busemann sagt? Herr Klare oder Herr Althusmann?

Schaffe Sie jetzt Klarheit! Geben Sie auch den Kommunen Planungssicherheit!

Neue Gesamtschulen sollen nicht unter diesen und jenen Voraussetzungen irgendwann vielleicht genehmigt werden, sondern immer, wenn der Bedarf besteht und zwar sofort.

Es ist doch so leicht:

Es muss nur ein einziger Satz aus § 12 Absatz 1 des niedersächsischen Schulgesetzes gestrichen werden.

"Neue Gesamtschulen dürfen nicht errichtet werden."

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