Rede Ina Korter: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes

Anrede,

was die schwarzgelbe Regierungskoalition mit dieser Schulgesetznovelle vorführt ist ein Trauerspiel und ein Musterbeispiel dafür, wie Gesetzgebung in einer Demokratie nicht stattfinden sollte.

Überstürzt und mit Hängen und Würgen drückt die Regierungsmehrheit ein Gesetz durch den Landtag mit dem grundlegend in die Arbeit der Hauptschulen, der Realschulen und der Gesamtschulen eingegriffen wird. Dabei weiß bis heute keiner so richtig, wie denn die Arbeit in diesen Schulformen in Zukunft aussehen soll.
Eine fundierte Antwort auf die aktuellen Herausforderungen in der Schulpolitik ist das nicht!

Einziger Zweck dieser Schulgesetznovelle ist, eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Schulwesens in Niedersachsen zu blockieren, die Gesamtschulen zu schikanieren und ihre Arbeit zu sabotieren.

Damit hat es die schwarzgelbe Koalition so eilig, dass sie den Protest der Eltern, Schüler und Lehrkräfte und auch der Landtagsjuristen in den Wind schlägt.
Vor einer Tendenz zur "gefahrengeneigten Tätigkeit" hatte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst gewarnt – vergeblich.
Die Juristen Wulff und Heister-Neumann wissen es offenbar wieder besser.

Fast alle Verbände der Eltern, der SchülerInnen und der Lehrkräfte, die kommunalen Schulträger und die katholische Kirche haben sich deutlich gegen diese Schulgesetznovelle ausgesprochen.

Sie haben sich dagegen ausgesprochen, weil wichtige Grundlagen gerade der Schulen in Niedersachsen, die in den letzten Jahren mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurden, zerstört werden.

Aber CDU und FDP und der Landesregierung ist das völlig egal.

Hauptsache, sie haben die konservativen Verbände eines Teils der Gymnasiallehrer und –eltern hinter sich, bezeichnenderweise der einzigen Schulform, die nicht direkt von dieser Schulgesetznovelle betroffen sind.
Und das, obwohl die Gymnasien selbst die Probleme mit dem Turbo-Abitur bis heute nicht in den Griff bekommen haben.

Aber das ist ja auch der eigentliche Sinn dieser Schulgesetznovelle: statt sich der Krise der herkömmlichen Schulformen zu stellen, der Krise der Hauptschule, aber auch des Gymnasiums, soll die attraktive Alternative zu diesen Schulformen, soll die Gesamtschule klein gehalten werden.

In der letzten Wahlperiode hatte die schwarzgelbe Landesregierung die Neugründung von Gesamtschulen ganz verboten.

Dies konnte sie angesichts der immer größeren Zahl von Kindern, die an einer Gesamtschule aus Platzmangel abgewiesen werden mussten, nicht durchhalten.
Kurz vor der Landtagswahl kündigte der Ministerpräsident deshalb schnell noch die Zulassung neuer Gesamtschulen an.

2008 haben CDU und FDP das Neugründungsverbot zwar gelockert, doch mit willkürlichen Hürden wie der geforderten 5-Zügigkeit wollten Sie die Entwicklung unter Kontrolle halten, Herr Wulff.

Das Ergebnis: Die Eltern fühlten sich betrogen und die Kommunen als Schulträger unnötig bevormundet.

Aber auch dieser Versuch, Gesamtschulen auszubremsen, ist Ihnen misslungen!
Binnen kurzer Zeit gab es überall im Lande eine immer größer werdende Zahl von Neugründungsinitiativen.
Und nicht zuletzt wegen des Desasters mit dem Turbo-Abi an den Gymnasien meldeten immer mehr Eltern ihre gymnasialempfohlenen Kinder an einer Gesamtschule an.
Das war der eigentliche Grund für die besonders perfide Idee, auf die der Ministerpräsident im Februar offensichtlich vom Philologenverband gebracht worden ist:
Wenn die Gymnasien durch das Turbo-Abi gegenüber den Gesamtschulen zunehmend unattraktiv werden, dann muss eben auch den Gesamtschulen das Turbo-Abi aufgezwungen werden.

Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie mit aller Arroganz der Macht diesen Plan hier heute durchziehen werden, ohne Rücksicht auf Verluste selbst in Ihren eigenen Reihen – Sie werden auch mit diesem Plan scheitern, wie Sie überhaupt in der Schulpolitik auf ganzer Linie versagen.
In Niedersachsen tragen Sie allein die Verantwortung für das Desaster in der Schulpolitik.
Was Sie mit Ihrer Ministerrochade angerichtet haben, trauen Sie sich jetzt nicht zu korrigieren.
Sie haben aus parteitaktischen Erwägungen eine Ministerin in das so wichtige Amt der Kultusministerin eingesetzt, die bereits als Justizministerin überfordert und erfolglos war.

Frau Heister-Neumann hat es in Rekordzeit geschafft, mehr als 10 000 Menschen gegen die Pläne der LR auf die Straße zu bringen, als sie die Lehrkräfte um die Arbeitszeitkonten betrügen wollte.

Seitdem reißen die Proteste nicht mehr ab.
Mit dem in der Staatskanzlei zusammengeschusterten Maßnahmenpaket zur Rettung der Unterrichtsversorgung und der Hauptschulen kriegen Sie die Probleme nicht in den Griff, weder die Unterrichtsversorgung noch die nötige Weichenstellung für eine neue Schulstruktur in Niedersachsen.
Aber anstatt endlich die nötige Kurskorrektur vorzunehmen und die völlig überforderte Ministerin abzulösen, wechseln Sie den Staatssekretär aus.
Jetzt soll der Reserveoffizier Dr. Althusmann mal zeigen, wie man eine Schulpolitik durchsetzt, die niemand will.
Ein Ex-Offizier als Feuerlöscher, titelte die Nordseezeitung am 10.6.

Herr Ministerpräsident, Sie stellen Ihre persönliche Eitelkeit über das Recht der Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen auf bestmögliche Bildung.
In diesen Tagen bekommen wir wieder die Zahlen auf den Tisch, wie viele Kinder auch in diesem Jahr aus Platzmangel von den Gesamtschulen abgewiesen werden müssen.
Es werden immer mehr, Herr Wulff.

Und immer mehr Briefe, Tausende von Petitionen gegen die Schulgesetznovelle, jede Woche Demonstrationen und Aktionen gegen Ihre Schulpolitik, ja, jeden Tag im Moment!
Erfolg sieht anders aus! Herr Wulff!
Mit Schulpolitik kann man keine Wahlen gewinnen, heißt es, aber man kann damit Wahlen verlieren.
Wenn Sie so weitermachen, haben Sie die nächste Landtagswahl schon jetzt verloren!
Legen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, machen Sie endlich eine Schulpolitik, die sich an Bedarf und Fachverstand orientiert!
Kommen Sie raus aus Ihren Schützengräben und machen Sie sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu einer zeitgemäßen Neuausrichtung der Schulpolitik in Niedersachsen.

Zurück zum Pressearchiv