Rede Ina Korter: Demografische Entwicklung ? Herausforderung für die Schulpolitik

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Anrede,
bereits in 10 Jahren wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die unsere Schulen besuchen, um fast 15% sinken, bis zum Jahr 2020 sogar um fast 20%.
Für die Schulpolitik bringt das zwei große Herausforderungen.
Die erste: Auch bei geringeren Schülerzahlen muss flächendeckend ein wohnortnahes Schulangebot aufrechterhalten werden.
Viele Schulträger werden vor einem Dilemma stehen: Weder dürfen die Schulen so klein werden, dass eine qualifizierte pädagogische Arbeit nicht mehr möglich ist. Noch darf durch Schulschließungen das Angebot so ausgedünnt werden, dass Schülerinnen und Schüler nur noch mit weiten Wegen eine gute Schule erreichen können.
Die zweite – noch größere - Herausforderung:
Es wird in einer zahlenmäßig schrumpfenden und alternden Bevölkerung immer schwieriger werden, den Bedarf an qualifizierten Kräften zu decken.
Anrede,
die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) hat in ihrer Denkschrift "Bildung neu denken! Das Finanzkonzept" vorgerechnet, dass bis zum Jahr 2030 – also bis zu dem Jahr, in dem die heute Neugeborenen eine akademische Ausbildung abgeschlossen haben können – die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um 1,2 Mio. sinken wird.
Soll der Status quo an Arbeitskräften mit Hochschulabschluss auf dem heutigen Stand erhalten bleiben, so müssten bis 2030 fast 70 Prozent eines Altersjahrgangs die Hochschulreife erwerben. Die Hälfte eines Jahrgangs müsste ein Studium erfolgreich abschließen. Anderenfalls wird es nicht möglich sein, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften auch nur auf dem heutigen Niveau zu befriedigen.
Aber von diesen Zielzahlen sind wir meilenweit entfernt. Gegenwärtig erlangen in Niedersachsen nur 35% der Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife, gerade halb so viele wie in der Studie des vbw gefordert.
Und weniger als 20% absolvieren ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium. Das ist ein Drittel weniger als im OECD-Durchschnitt.
Für mich ist deshalb die wichtigste Konsequenz aus dem demografischen Wandel für den Bildungsbereich, dass wir endlich begreifen, was die Finnen längst wissen: Wir können auf kein Kind, auf kein Talent verzichten!
Unsere Gesellschaft kann es sich nicht länger leisten, dass zwanzig Prozent der Kinder in Bildungssackgassen abgeschoben werden und 10% die Schule ohne Abschluss verlassen.
Um den Herausforderungen der absehbaren demografischen Entwicklung gerecht zu werden, ist ein grundsätzliches Umsteuern in der Schulpolitik nötig, und dieses Umsteuern muss rechtzeitig eingeleitet werden, weil es Zeit benötigt.
Die CDU-Landesregierung ist mit ihrem starren gegliederten Schulsystem denkbar schlecht aufgestellt, um diese Herausforderungen zu bewältigen.
Bei zurückgehenden Schülerzahlen wird es zunehmend unmöglich, vier Schulformen parallel anzubieten.
Schon jetzt sind auf dem Lande – das zeigt auch die Antwort der Landesregierung – vor allem Gymnasien und auch Förderschulen für viele Schüler nur schwer zu erreichen.
Wir wissen aber, dass insbesondere im ländlichen Raum die Entfernung auch über die Teilhabe an Bildungsangeboten entscheidet.
Anrede,
die Antwort, die uns die Landesregierung schriftlich vorgelegt hat, weist noch keinerlei Konzepte zur Bewältigung der demografischen Entwicklung auf.
Stattdessen beklagen Sie sich, dass wir überhaupt fragen und verweisen auf die Enquete-Kommission. Der müssen Sie doch auch die notwendigen Daten liefern. Insofern haben wir hier Vorarbeit geleistet.
Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, verstecken sich dahinter, dass die Kommunen ihre Schulentwicklungspläne erst zum 1.1.07 weiterentwickeln müssen.
Dazu passt es doch wohl überhaupt nicht, dass Sie mit Ihrem Modellkommunen-Gesetz die Schulentwicklungspläne ganz abschaffen wollen, obwohl sie angesichts der demografischen Entwicklung wichtiger sind, denn je.
Die Landesregierung maßt sich in ihrer schriftlichen Antwort an, unsere Fragen zu kritisieren.
Herr Busemann, ich darf Ihnen versichern, wir fragen, was wir für richtig und notwendig halten. Meinetwegen können Sie uns zensieren, so lange Sie wollen. Das hält uns bestimmt nicht davon ab, das Notwendige für Niedersachsens Zukunft zu tun.
Angeblich, behaupten Sie, seien unsere Fragen nicht kompatibel zu anerkannten schulentwicklungsplanerischen Methoden. Herr Kultusminister, fragen Sie doch mal in Schleswig-Holstein oder in Brandenburg, welche Kriterien und Empfehlungen dort entwickelt werden. Sie denken und fahren ja nicht so gern über Niedersachsen hinaus.
Anrede,
Offenbar war es höchste Zeit, dass wir die Landesregierung mit unserer Anfrage ein wenig in ihrem Schlaf der Gerechten stören.
Ich bin neugierig, ob der Minister in seiner mündlichen Antwort ein paar substantiellere Konzepte vorzulegen hat als in seiner schriftlichen Antwort.

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