Rede Ina Korter: Bundesweit mehr Flexibilität beim Turbo-Abitur, aber Niedersachsen bleibt stur

Landtagssitzung am 18.07.2012

Ina Korter, MdL

Anrede,

vor neun Jahren konnte es der schwarz-gelben Koalition mit dem Turbo-Abitur gar nicht schnell genug gehen. Sie wollte  zu den ersten gehören, die es einführen. Im Eiltempo wurde der Start durchgezogen, ohne viel Nachdenken, ohne große Vorbereitung. Dabei hat es an warnenden Stimmen auch von uns hier  im Landtag nicht gefehlt.

Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, auch Kinderärzte und –psychologen haben auf die hohe Belastung für die Kinder hingewiesen. Aber taub gegen alle Argumente zog Schwarz-Gelb das Turbo-Abi durch. Taub blieb die Landesregierung auch, als nach einigen Jahren immer mehr bedrückende Berichte von Schülerinnen und Schülern kamen. Und taub blieb die Landesregierung noch immer, als vor einem Jahr bekannt wurde, dass fast 20 Prozent des ersten G 8-Jahrgangs, der 2011 das Abitur ablegen sollte, unterwegs verloren gegangen war.

Anrede,

inzwischen zeigt sich, dass sich die niedersächsische Landesregierung mit ihrem vom Ehrgeiz getriebenen Großversuch an Schülerinnen und Schülern  vergaloppiert hat. In den G 8- Gymnasien hat sich das Lernen weitgehend zu Fast- Food- Lernen entwickelt: Schnell auswendig lernen -schnell ausspucken - schnell vergessen! Soll das  nachhaltige Bildung sein?

Statt die Probleme anzugehen, haben die CDU- Kultusminister in Niedersachsen sie ignoriert und sich inzwischen bundesweit immer mehr  isoliert. Von Nord bis Süd, über alle Parteigrenzen hinweg, wird   diskutiert, das Turbo-Abi zumindest mit flexiblen Regelungen wieder aufzulockern und stärker die Bedürfnisse der SchülerInnen  zu berücksichtigen.

Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben den Gymnasien bereits die Möglichkeit gegeben, das Abi auch wieder nach 13 Jahren anzubieten. Und dort, wo Eltern die Wahl haben, entscheiden sie sich mit großer Mehrheit für mehr Zeit bis zum Abitur.

In Baden-Württemberg besuchen in den Modellschulen insgesamt 2.179 Schülerinnen  wieder den G 9-Zug und nur 502, weniger als ein Viertel, entscheiden  sich für  den G 8 – Zug. Anfang des Monats zeigte eine Umfrage, dass die Mehrheit der Bundesbürger, nämlich 53 Prozent sich wieder ein Abitur nach 13 Jahren wünscht - und sich dabei die CDU-Anhänger zu 53 Prozent und die FDP-Anhänger sogar zu 72 Prozent für das G 9 ausgesprochen haben.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Ihre Parteikolleginnen und –kollegen in anderen Bundesländern sind jedenfalls früher aufgewacht als Sie. In Hessen hat Ministerpräsident Bouffier durchgesetzt, dass ab 2013 die Gymnasien selbst entscheiden können, ob sie das Abitur nach 12 oder nach 13 Jahren anbieten wollen. Die Philologen hat er dabei hinter sich. Und selbst der bayrische Ministerpräsident Seehofer gerät mehr und mehr  ins Schwanken.

Noch scheut die CSU sich, offen vom G 8 wieder abzugehen. Aber auch dort sollen die Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I jetzt freiwillig ein zusätzliches Intensivierungsjahr  bekommen. Nur die Landesregierung in Niedersachsen steht noch immer stur wie – ja wie eigentlich -  stur wie ein Esel oder stur wie ein Ochse, auf jeden Fall stur zum Turbo-Abitur. Sie hat sogar noch eins drauf gesetzt  und als einziges Bundesland das Turbo-Abitur sogar  den Gesamtschulen aufgezwungen.

Keine andere Landesregierung wagt es,  ihre Gesamtschulen, die sogar mit dem deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurden,  derart schamlos zu schikanieren! Während andere Kultusminister flexible Wege zum Abitur entwickeln, verschärft  Niedersachsen sie noch und schafft es nicht, die Schülerinnen und Schüler zu entlasten.

5 Jahre hat es gedauert, bis Sie endlich ankündigen,  unsere Forderung nach Absenkung der  Klassengröße in der 10. Klasse, der Eingangsstufe der G 8 -Oberstufe, umzusetzen. Das ist aber auch schon alles.

Ich habe den Eindruck,  CDU und FDP sind nicht mehr fähig zu Reformen,  unfähig, aus Fehlern zu lernen und Beschlüsse zu überdenken, die sich als falsch erwiesen haben!

Als wir vor ungefähr einem Jahr unseren Gesetzentwurf hier im Landtag diskutiert haben, einen  Gesetzentwurf, mit dem wir den Gymnasien und den Gesamtschulen die Entscheidung über G 8 oder G9 9 und mehr Flexibilität  freistellen wollten, hat keine einzige Fraktion hier im Hause ein gutes Haar daran gelassen.

Heute müssen Sie eingestehen, dass der Entwurf der Grünen ein richtiges Konzept war. Wir hätten gemeinsam darauf aufbauen können, zum Wohle der Schülerinnen und Schüler, wenn Sie denn gewollt hätten.

Jetzt werden die Wählerinnen und Wähler am 20. Januar  2013 darüber entscheiden, wie es mit dem Turbo-Abi weitergeht und ob Schwarz-Gelb dabei überhaupt noch mitreden darf. 

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