Rede: Ina Korter: Bildungswege in allen Schulen offenhalten – Gesamtschulgründungen fördern und nicht behindern

..."Es ist an der Zeit, endlich von der Ausleseschule wegzukommen hin zu einer Schule, in der jedes Kind individuell gefördert wird, zu einer Schule, in der jedes Kind Leistung bringt, weil es Anerkennung erfährt."...

Anrede,

acht Jahre sind vergangen, seit die erste PISA-Studie vorgelegt wurde und in all den Jahren hat sich die CDU in Niedersachsen festgeklammert am gegliederten Schulsystem. Das sind lauter verlorene Jahre für eine Schulreform, die Niedersachsens Schulen hätte nach vorn bringen können!

Aber die Regierung Wulff hat mit völlig überholten Konzepten auf PISA reagiert, Konzepte, mit denen sie sich bundesweit isoliert, Konzepte, über die man nur noch den Kopf schütteln kann!

Sie haben die Selektion vorverlegt ans Ende der vierten Klasse und sie haben den Druck an den Gymnasien massiv verschärft.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP,  Sie haben sich mit unnachahmlicher schulpolitischer Inkompetenz um einige Schulformen ganz besonders gekümmert:

Um die Hauptschulen – so sehr, dass heute keiner mehr hin will, um die Gymnasien mit dem Turbo-Abitur - so, dass manche Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe dort  inzwischen mehr arbeiten müssen als ihre berufstätigen Eltern und um die Gesamtschulen, die Sie fünf Jahre lang verboten haben mit dem Ergebnis, dass es noch nie so viel Nachfrage gab.

Herr Wulff, Frau Heister-Neumann, Sie sind mit Ihrer Schulpolitik wirklich grandios gescheitert!

Bei der Lesekompetenz hat es in Niedersachsen von PISA 2000 bis PISA 2006 keine Verbesserung gegeben. An den Gymnasien sind die Leistungen in Niedersachsen sogar gesunken. An den Hauptschulen erreichen nach wie vor 50 Prozent bestenfalls die unterste Stufe der Lesekompetenz und sind damit für das Berufs- und Erwachsenenleben vollkommen unzureichend gerüstet.

Anrede,

jetzt dämmert der CDU die Erkenntnis, dass die Hauptschule wohl nicht mehr zu halten ist.

Am 24. Februar will die Landesregierung ein Konzept beschließen, wie sie ihre Blockade lösen und die Schulstruktur weiterentwickeln will.

Man darf gespannt sein, was da wohl kommt.

Zu befürchten ist, dass die Regierung Wulff genauso mutlos bleibt wie bisher und mit unzureichenden Korrekturen bei einer Struktur bleibt, die schon heute überholt ist.

Dann wären wieder Jahre für eine echte Schulreform verloren.

Anrede,

wir sind mehr denn je überzeugt: Das richtige Konzept ist eine gemeinsame Schule nach finnischem Vorbild, die jedes Kind mit seinen Begabungen optimal individuell fördert und nicht aussortiert.

Einen solchen Schritt werden Herr Wulff und Herr Rösler sich heute nicht trauen.

Aber zumindest sollte die CDU in Niedersachsen endlich ihren Schwesterparteien in den nördlichen Bundesländern folgen:
In Hamburg wird es ab 2010 neben dem Gymnasium nur noch die Stadtteilschule geben, in der Schülerinnen und Schüler aller Begabungen auch bis zum Abitur gelangen können.
In Bremen haben die CDU und sogar die FDP einen "Konsens zur Schulentwicklung" unterzeichnet. Auch dieser Konsens sieht neben dem Gymnasium nur eine Oberschule vor, die ebenfalls das Abitur im Angebot hat.

In Schleswig-Holstein hat die CDU in der schwarz-roten Koalition vereinbart, dass es neben dem Gymnasium eine Gemeinschaftsschule und eine Regionalschule gibt. Aus Schleswig-Holstein sollten Sie lernen, dass diese Regionalschule, die aus Haupt- und Realschule besteht, weit weniger angenommen wird als die Gemeinschaftsschule.
Eine Schule, die nicht von Anfang an auch den Weg zum Abitur anbietet, hat keine Zukunft mehr.
Sie wird von den Eltern nicht gewollt, weil sie ihr Kind in eine Bildungssackgasse führt.
Vor allem aber ist eine solche Schule nicht in der Lage, alle Talente auszuschöpfen und zu fördern.

Auch die deutschen PISA-Forscher - auch Herr Baumert – erklären längst, dass eine Schulform wie die Hauptschule, in der die benachteiligten SchülerInnen gesammelt werden, kein anregendes Lernklima schaffen kann.

Oder können Sie mir erklären, weshalb ein schwacher Schüler unter lauter genauso schwachen Schülern weiter kommen soll, als wenn er mit leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern lernt?
Befürworter des gegliederten Schulsystems sagen uns immer wieder: Es hat keinen Sinn, die Hauptschulen abzuschaffen, denn damit werden nicht die Hauptschüler abgeschafft.

Meine Damen und Herren, die Hauptschüler gibt es nicht.

Zum Hauptschüler wird man nicht geboren, sondern zum Hauptschüler wird man  durch soziale Benachteiligung, durch Bildungsarmut im Elternhaus und dann vor allem durch schulische Ausgrenzung.

Oder wollen Sie behaupten, das müssten Sie dann ja konsequenterweise auf Grundlage der PISA-Ergebnisse, dass die Deutschen von Geburt an dümmer sind als die Finnen, die Kanadier, die Iren, die Polen oder die Menschen in all den anderen Ländern, die im PISA - Lesetest deutlich besser abschneiden als Deutschland?

Anrede,

was in all diesen Ländern eindeutig klüger ist als in Deutschland, das ist die dortige Schulpolitik.

Es ist an der Zeit, endlich  von der Ausleseschule  wegzukommen hin zu einer Schule, in der jedes Kind individuell gefördert wird, zu einer Schule, in der jedes Kind Leistung bringt, weil es Anerkennung erfährt.

Die Hauptschule ist zur Restschule geworden. Das ist nicht mehr umkehrbar. Auch eine wie auch immer fusionierte Haupt- und Realschule würde neben Gymnasium und Gesamtschule in absehbarer Zeit zur Restschule werden. Das zeigt die Entwicklung in Schleswig-Holstein, und das zeigen auch die vielen Elternbefragungen in Niedersachsen: 44Prozent der befragten Eltern in Hannover wollen für ihr Kind eine Gesamtschule, 53Prozent im Landkreis Schaumburg und sogar über 60Prozent in der Stadt Hildesheim. Wenn man davon ausgeht, dass der Rest sein Kind überwiegend auf ein Gymnasium schicken will, dann bleibt für Haupt- und Realschule nicht mehr viel übrig.

Deshalb brauchen wir jetzt einen mutigen Schritt und nicht wieder ein hasenfüßiges Wulff-Modell.

Ersetzen Sie Haupt- und Realschulen durch Integrierte Gesamtschulen, denn das ist die Schulform, die Zukunft hat in Deutschland!

Anrede,

es ist ja richtig: Es reicht nicht, nur die Türschilder an den Schulen auszuwechseln. Die Reform der Schulstruktur muss verbunden werden mit einer grundlegenden Veränderung der Lernkultur in den Schulen. Wir haben dafür mit der "Neuen Schule" ein überzeugendes Konzept vorgelegt.

Um alle Kinder mit ihren jeweiligen Begabungen optimal fördern zu können, müssen die Schulen und die Lehrkräfte neue Konzepte für ihre pädagogische Arbeit entwickeln. Das gilt natürlich auch für die Gymnasien! Mit einer intensiven begleitenden Fortbildungsoffensive müssen wir sie dabei unterstützen.

Anrede,

Die Hürden, die die Landesregierung jetzt noch der Neugründung von Gesamtschulen in den Weg legt, müssen schleunigst bei Seite geräumt werden.

Selbstverständlich müssen Gesamtschulen auch mit weniger als fünf Zügen genehmigt werden, es gibt keinen pädagogischen Grund dagegen.
Wenn gute Konzepte vorgelegt werden, müssen auch kleinere Gesamtschulen genehmigt werden. Sie müssen nicht unbedingt eine eigene Oberstufe haben, aber eine Oberstufe muss in erreichbarer Nähe zur Verfügung stehen.

Das ist die Flexibilität, die Schulträger angesichts des demografischen Wandels dringend brauchen, damit sie alle Bildungsgänge wohnortnah anbieten können, vor allem im ländlichen Raum. Deshalb ist die Nachfrage nach Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein so unglaublich groß, auch in CDU-regierten Kommunen!

So, meine Damen und Herren, macht es auch das dünn besiedelte Finnland. Dort sind mehr als 40Prozent der Schulen kleiner als 50 Schülerinnen und Schüler  und sie umfassen die Klassen 1 bis 9!

Und selbstverständlich müssen auch die neuen Gesamtschulen als echte, gebundene Ganztagsschulen ausgestattet werden.

Auch die Hürden, die die KMK der Entwicklung zeitgemäßer pädagogischer Konzepte in den Weg legt, müssen aus dem Weg! Der Zwang zur äußeren Differenzierung in den Gesamtschulen muss endlich aufgehoben werden.

Anrede,

Sie reden ja so gern vom Pferdeland Niedersachsen. Das sei Ihnen ja gegönnt.
Das kann aber doch nicht heißen, dass Sie den Schülerinnen und Schülern auf dem Weg zu bester Bildung überall Hürden in den Weg stellen.

Das kann nicht heißen, dass Sie die Kommunen weiter bevormunden und daran hindern, Gesamtschulen einzurichten, wo und wie sie es wollen.

Geben Sie endlich den Start frei zu guten, auch kleinen Gesamtschulen ohne Wenn und Aber!

Ebnen Sie Niedersachsens Schülerinnen und Schülern den Weg an die Spitze!
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