Rede Ina Korter: Aktuelle Stunde der FDP - "Für das eigene Land werben ? Klassenfahrten in Niedersachsen"

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Anrede,
es ist schon erstaunlich, welches Thema die FDP heute für die aktuelle Stunde gewählt hat.
Ausgerechnet diejenigen, die im vergangenen Jahr die Lernmittelfreiheit abgeschafft haben, weil ihnen die finanzielle Belastung der Familien egal war, stellen sich heute hin und machen sich Sorgen darum, dass Klassenfahrten zu luxuriös und von den Eltern nicht bezahlbar sind.
Ausgerechnet diejenigen, die gleich nach Regierungsübernahme die Hausaufgabenhilfe ersatzlos gestrichen haben, die Ganztagsschulen für unbezahlbaren Luxus halten, spielen sich heute als Vorkämpfer in Sachen Familienfreundlichkeit auf.
Ausgerechnet diejenigen, die den Studierenden schon vom ersten Semester an Studiengebühren abverlangen wollen, sorgen sich plötzlich vor der Bundestagswahl gemeinsam mit dem Kultusminister um die Belastung von Familien.
Ich muss schon sagen. Ihre Logik ist unnachahmlich, unnachahmlich scheinheilig:
Erst nehmen Sie den einkommensschwachen Familien mit Kindern immer mehr weg und dann sagen Sie ihnen:
Bleibt bei euren Klassenfahrten mal in Niedersachsen, alles andere ist zu teuer für euch.
Aber Niedersachsen ist ja auch schön.
Herr Schwarz, Sie als "Hauptschulexperte", wie Sie so gern betonen, müssten doch eigentlich wissen, wie begeistert ältere Hauptschüler, aber auch Realschüler oder Gymnasiasten reagieren, wenn man ihnen für die Klassenfahrt die Lüneburger Heide oder die Wingst vorschlägt oder vielleicht das Pferdemuseum in Verden.
Manchmal habe ich irgendwie den Eindruck, Sie haben keine Ahnung, wovon Sie hier reden oder Sie wollen es nicht wissen.
Natürlich ist es schwierig, wenn Klassenfahrten zu teuer geplant werden und sich Eltern damit überfordert fühlen.
Aber dagegen gibt es eine Fülle von vorgeschalteten Vorschriften, die zu beachten sind und die solche Auswüchse verhindern.
Bevor eine Klassenfahrt von der Schulleitung überhaupt genehmigt wird, müssen Eltern und Schüler ihr Einverständnis bei vorgelegtem Kostenplan erklärt haben, die Eltern sogar jeweils schriftlich.
Wer sich nicht traut, am Elternabend "nein" zu sagen, weil es ihm zu teuer ist, kann das immer noch mit der Verweigerung seiner Unterschrift tun oder über die Elternvertretung gehen.

Herr Busemann, Herr Schwarz,
nehmen Sie doch endlich die Realität zur Kenntnis:
Was glauben Sie denn, was Ihnen die Eltern sagen, wenn Sie die Wingst oder das Emsland für 15 Jährige als Klassenfahrtsziel vorschlagen?
Häufig weigern sie sich, Geld zu bezahlen für Klassenfahrten, die sie unattraktiv finden und die längst in der Grundschulzeit stattgefunden haben.
Und wenn sich Kolleginnen und Kollegen heute noch bereit finden, längere Klassenfahrten durchzuführen, dann verdient das unsere Anerkennung und nicht erst mal wieder Gemäkel und Kritik vom Kultusminister und der FDP.
Herr Busemann, um Ihre Worte zu benutzen: Sie schmeißen sich mal wieder hinter den fahrenden Zug!
Es gibt doch bereits einen Erlass, der die Zielorte für Klassenfahrten eher eng festlegt.
Im Schulfahrtenerlass heißt es:
"Die Zielorte der Klassenfahrten müssen mit Ausnahme der Studienfahrten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland liegen. Als Zielorte von Wanderungen und Wanderfahrten sollen nur dann Orte außerhalb von Niedersachsen oder an Niedersachsen angrenzenden Gebieten gewählt werden, wenn dadurch keine wesentlich höheren Fahrtkosten entstehen. Schulfahrten in die Niederlande sind hinsichtlich Genehmigung und Abrechnung Fahrten innerhalb der Bundesrepublik gleichgestellt."
Wenn sich daran gehalten wird, ist doch alles in Ordnung. Mehr Regelungsbedarf sehe ich nicht.
Herr Schwarz, Sie setzen doch sonst angeblich so sehr auf die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger.
Warum trauen Sie es Lehrkräften und Eltern nicht zu, diesen Erlass selbst vernünftig auszulegen und anzuwenden.
Warum glauben Sie, mit dieser Aktuellen Stunde Lehrkräfte und Eltern über die richtigen Ziele von Klassenfahrten belehren zu müssen?
Es drängt sich schon stark der Eindruck auf, dass Sie nur davon ablenken wollen, dass Sie bei den Eltern mit Ihrem kostentreibenden Schulbuchmietmodell gescheitert sind.

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