Rede: Helge Limburg: Zweite Beratung Haushalt 2009 – Justiz

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

gelegentlich gibt es in der Politik die Tradition, dass die Regierung ihre Haushaltspläne über alle Maßen lobt, die Opposition aber auf jeden Einzelplan massiv draufhaut. Ich denke, die Wirklichkeit ist differenzierter und ich will versuchen, das auch in dieser Rede deutlich zu machen.

Zunächst mal allgemein zum Haushaltsplan: Wenn wir ehrlich sind, haben wir als Justizpolitikerinnen und Justizpolitiker einen relativ geringen Handlungsspielraum bei den Haushaltsbeschlüssen. Gehälter für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und für Justizbedienstete müssen nun mal bezahlt werden und müssen ihren Niederschlag im Haushalt finden. Aber es gibt auch Gestaltungsmöglichkeiten, und da komme ich jetzt mal zu den positiven Seiten des Haushaltsplans: Sie, also die Fraktionen von FDP und CDU, haben die Gelder für die Anlaufstellen für Straffälligenhilfe deutlich herauf gesetzt. Das begrüße ich ausdrücklich. Damit wird die gute Arbeit der niedersächsischen Anlaufstellen gewürdigt und anerkannt, dass es sinnvoll ist, in Projekte zu investieren, die Straftaten vermeiden, statt immer nur in neue Sicherheitsprojekte.

In Ordnung ist, im Großen und Ganzen auch der Stellenplan in der Justiz. 23 neue Richterstellen, sind da drin. Das klingt wenig, angesichts der dramatischen Zahlen vor allem an den Sozialgerichten. Aber, meine wirklich lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wer wie sie 300 neue Richterstellen auf einen Schlag fordert, der muss dazu auch ein paar Fragen beantworten: Wo sollen die Bewerberinnen und Bewerber in dieser großen Zahl herkommen? Wie wollen sie strukturell eine so große Zahl neuer, junger, unerfahrener Richterinnen und Richter auf einen Schlag ins Gerichtsystem einbauen? Und schließlich: Was machen sie eigentlich mit den Richterinnen und Richtern, wenn in ein paar Jahren die Rückstände bei den Verfahren abgebaut sind, die Richterinnen und Richter aber verbeamtet sind? Nein, eine maßvolle Erhöhung der Richterstellen ist angemessen, wobei, wobei liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen bestehen bleibt: Die Eingangszahlen an den Sozialgerichten sind weiterhin erschreckend hoch, die Verfahrendauer ist immer wieder Gegenstand von Petitionen und auch von Gerichtsverfahren geworden. Wir müssen in den kommenden Jahren sehr genau hinschauen, wir sich die Situation entwickelt, und wir müssen da als Parlament gegebenenfalls auch nachlegen und die Richterzahl auch in den kommenden Jahren erhöhen. Aber, wie gesagt, für den Moment muss, auch angesichts knapper Kassen, die Zahl von 23 wohl reichen.

Nun aber zu den Schwächen und Unzulänglichkeiten des Haushalts: Da ist einmal die Unterstützung der freien Träger zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs: Die Zahl haben Sie seit fünf Jahren gleich belassen. Was bedeutet das aber für die Betroffenen? Faktisch wirkt sich das, angesichts steigender Personalkosten, angesichts steigender Materialkosten und steigender Mieten wie eine kontinuierliche Kürzung aus. Und, das obwohl verbal die Arbeit der freien Träger immer wieder ausdrücklich gelobt wird. Bei uns im Rechtsausschuss gibt es immer große Einigkeit, wenn es um die Bedeutung des Täter-Opfer-Ausgleichs im Strafverfahren geht, aber dann, wenn es konkret wird, wenn es ums Geld geht, dann, meine Damen und Herren, zögern und zaudern Sie, dann lassen Sie die freien Träger beim Täter-Opfer-Ausgleich schleichend den Bach runter gehen, dann verweigern Sie ihnen die notwendige Unterstützung. Wenn es so ist, wie Sie immer wieder sagen, dass Sie den Täter-Opfer-Ausgleich unterstützen wollen, dann machen Sie das auch finanziell deutlich, dann erhöhen Sie die Fördergelder und schaffen bessere Rahmenbedingungen für die freien Träger.

Im Ausschuss ist dazu immer wieder gesagt worden, dass Täter-Opfer-Ausgleich eine hohe Bedeutung habe, dass dieser aber nicht nur von den freien Trägern, sondern genauso gut von der Gerichtshilfe durchgeführt werden könne. Nun, ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Gerichtshilfe. Aber Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten, dass es etwas anderes ist, ob ein Täter-Opfer-Ausgleich von einem nur darauf spezialisierten Verein durchgeführt wird, oder ob ein Gerichtshelfer neben vielen anderen Aufgaben auch Täter-Opfer-Ausgleich erledigt. Nein, die freien Träger sind darauf spezialisiert und verdienen deshalb auch eine stärkere Unterstützung.

Und nun zu einem Lieblingsprojekt dieser Landesregierung: Der privaten Justizvollzugsanstalt in Bremerförde. Meine Damen und Herren, diese Landesregierung scheut nicht davor zurück, selbst Kernbereiche staatlicher Hoheitsaufgaben, den Justizvollzug, in die Hände Privater zu legen. Dafür, für die Ausschreibung, haben Sie auch Geld im Haushalt bereitgestellt. Dieses Geld wäre an vielen Stellen gut aufgehoben, auf keinen Fall aber ist es richtig, damit eine private JVA zu bauen.

Bedauerlich daran finde ich vor allem, dass Sie aus den Fehlern, die an anderen Stellen in der Vergangenheit gemacht worden sind, nichts, aber auch gar nichts lernen wollen. Ihre CDU-Kollegen aus Hessen haben es in Hünefeld bereits mit einer privaten JVA versucht. Das Ergebnis? Die private Anstalt war teurer, teurer als die staatlich betriebenen! Nehmen Sie das doch mal zur Kenntnis. Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit Ihren Pseudo-Differenzierungen. Ich weiß so gut wie Sie, dass es Unterschiede zwischen Hünefeld und Bremerförde gibt. Das ist doch klar. Aber: Das Kernproblem ist, dass auch für Hünefeld im Vorfeld Gutachten vorlagen, die bestätigt haben, dass die privatisierte Anstalt billiger sei, als die staatlich betriebene. Und dann ist das Gegenteil bei rausgekommen. Wo nehmen Sie eigentlich die Gewissheit her, dass diesmal, bei Ihrem Gutachten, alles ganz anders wird und es tatsächlich zu einem Einspareffekt kommt? Woher?

Und dann die Frage des hoheitlichen Handelns: Sie verlagern schleichend immer mehr hoheitliche Aufgaben auf Private. Die Probleme der Abgrenzung von privaten und hoheitlichen Aufgaben, die Sie durch die Teilprivatisierung schaffen, die werden letztendlich bei den Bediensteten und bei den Häftlingen hängen bleiben. Die sind es dann, die im JVA-Alltag ausbaden müssen, was Sie hier beschließen.

Und überhaupt möchte ich hier mal aufs schärfste die massive Kritik, die Sie von CDU und FDP an den Bediensteten in den niedersächsischen JVAs üben, zurückweisen. Denn was ist es anderes als scharfe Kritik und mangelnder Respekt vor der Leistungsfähigkeit der Bediensteten, wenn sie faktisch sagen: Küche und Facility kriegt ihr nicht hin, das können Private besser als ihr Beamte, das gliedern wir aus eurem Zuständigkeitsbereich aus. Das ist massive Kritik an der Arbeit der Bediensteten, und das weise ich hiermit ausdrücklich zurück.

Und, da wir über den Justizhaushalt reden: Haben Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, eigentlich am letzten Freitag dem Staatsgerichtshof in Bückeburg genau zugehört? Der hat Ihnen ganz deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass so, wie Sie die Privatisierung des Maßregelvollzugs betrieben haben, dass das so gegen das Demokratieprinzip verstößt. Und jetzt ziehen Sie doch endlich mal Konsequenzen aus solchen Urteilen, es war das 7. Mal dass Gerichte Ihre Gesetze kassiert haben, ziehen Sie Konsequenzen und stoppen Sie das Projekt Bremerförde, das Geld können wir woanders besser gebrauchen.

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