Rede Helge Limburg: Trennung von Regierungsamt und Landtagsmandet - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung und des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

"Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes. Seine Aufgaben sind es insbesondere, (”¦) die vollziehende Gewalt nach Maßgabe dieser Verfassung zu überwachen." So steht es in Art. 7 unserer Niedersächsischen Landesverfassung. Und das ist nichts anderes als der so sehr gelobte Grundsatz der Gewaltenteilung, also der Trennung von Legislative und Exekutive. Der Landtag soll also die Landesregierung kontrollieren. Der Landtag in Gänze, meine Damen und Herren, nicht nur die Abgeordneten der parlamentarischen Opposition. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben also genau wie ich und die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, der SPD und der Linken, die Aufgabe, die Landesregierung und damit die Landesministerinnen und Landesminister zu kontrollieren. Wie machen Sie das eigentlich? Ich meine jetzt nicht Sie, Herr Thümler oder Herr Toepffer. Nein, ich frage mich, wie eigentlich der Abgeordnete Busemann diese Landesregierung kontrolliert. Oder der Abgeordnete Sander. Der Abgeordnetenkollege Möllring? Wie viele Kleine Anfragen haben Sie eigentlich in dieser, der 16. Wahlperiode gestellt? Wie viele Nachfragen bei Mündlichen Anfragen? An wie vielen Ausschusssitzungen haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Landtagsabgeordnete teilgenommen? Meine Damen und Herren, Sie wissen, das sind rhetorische Fragen. Faktisch üben Sie alle zwar ein Ministeramt, aber kein Abgeordnetenmandat aus. Das aber, meine Damen und Herren, wird dem niedersächsischen Landtag als einzig direkt vom Volk gewählten Verfassungsorgan nicht gerecht. Die Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens haben einen Anspruch darauf, dass der gesamte Landtag die Landesregierung kontrolliert, und nicht bloß ein Teil. Sie können nicht beides gleichzeitig tun, meine Damen und Herren: So lange Sie in personam Abgeordnete und Regierungsmitglied sind, können Sie sich nicht selbst kontrollieren. Dennoch ist das, trotz dieses immensen Interessenkonflikts, gegenwärtig zulässig. Deshalb schlagen wir Grünen eine Änderung der Niedersächsischen Verfassung und des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes vor. Analog zu den Regelungen in Bremen und Hamburg wollen wir es Regierungsmitgliedern verbieten, gleichzeitig Abgeordnete und Ministerin zu sein. In dem Zeitraum, in dem eine Abgeordnete zur Ministerin wird, ruht ihr Abgeordnetenmandat und die nächste Person von der Landeswahlliste rückt nach. Scheidet ein Kabinettsmitglied aus der Regierung aus, lebt ihr Mandat wieder auf und die nachgerückte Person verliert ihr Mandat wieder. Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, dass wir uns fraktionsintern gerade über das ruhende Mandat und die Stellung der nachrückenden Personen intensiv Gedanken gemacht haben. Ist es vertretbar, und vor allem verfassungsrechtlich zulässig, einer Abgeordneten ein Mandat wieder zu entziehen, nur weil eine Ministerin aus der Regierung ausscheidet? Nach gründlicher Abwägung von Für und Wider sind wir der Auffassung: Es ist vertretbar, eine solche Regelung, die sich in Hamburg und Bremen bewährt hat, auch in die Niedersächsische Verfassung aufzunehmen. Die nachrückenden Abgeordneten wissen um das Risiko und können gut abwägen. Dem Grundsatz der Gewaltenteilung würde endlich auch in den einzelnen handelnden Personen Rechnung getragen. Und Landesministerinnen und Landesminister könnten sich frei von Interessenkonflikten auf ihre Aufgabe als Regierungsmitglieder konzentrieren.

Denn neben den rechtlichen Argumenten, die für eine Trennung von Abgeordnetenmandat und Ministeramt sprechen – der Staatsrechtler Prof. Dr. Ingo von Münch nannte den gegenwärtigen Zustand "die andauernde Verhöhnung der Gewaltenteilung" – gibt es auch wichtige politische Argumente: Wie machen Sie das eigentlich zeitlich, meine Damen und Herren? Abgeordnete zu sein ist ein Full-Time-Job. Landesministerin zu sein auch. Wie machen Sie das, beides gleichzeitig? Und wie vermitteln Sie das der Öffentlichkeit? Es gibt da ja durchaus unterschiedliche Strategien: Herr Busemann hat in der Neuen Osnabrücker Zeitung einen Einblick in seine politischen Ansichten gegeben, der durchaus lesenswert und größtenteils zustimmungswürdig war, den er aber vermutlich nicht als Minister sondern als Landtagsabgeordneter getätigt hat, jedenfalls stimmten seine Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit nicht mit dem Handeln der Landesregierung überein, meine Damen und Herren. Herr Möllring begibt sich gelegentlich hier in die Reihen der Abgeordneten, um Zwischenfragen stellen zu können. Danach geht's zurück auf die Regierungsbank. Herr Möllring, mit diesem Rollenwechsel binnen Minuten vor großer Kulisse, spotten Sie im Grunde immer wieder öffentlich über die Gewaltenteilung. Ganz besonders interessant ist ja der Herr Innenminister Schünemann. Der ist nicht nur Innenminister und Landtagsabgeordneter. Nein, Herr Schünemann, Sie sitzen ja auch noch im Kreistag und im Stadtrat Holzminden. Soweit, so gut. Ein Mann - vier Aufgaben. Als Stadtrat sollen Sie die Interessen Holzmindens vertreten. Als Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis auch. Das passt noch. Als Landesminister müssen Sie die Politik der Landesregierung mittragen. Wie passt das zusammen? Wie war das zum Beispiel, als es die Abstimmung über die Schließung der JVA Holzminden gab, Herr Schünemann? Da haben Sie sich als Kommunalpolitiker der Stimme enthalten, obwohl außer Ihnen die gesamte CDU dem entsprechenden Antrag zugestimmt hat. Fühlten Sie sich da an die Kabinettsdisziplin gebunden? Sahen Sie da keinen Widerspruch? Eine saubere Trennung ist hier geboten, meine Damen und Herren.

Und schließlich, Sie Herr Abgeordneter McAllister. Sie waren bis Ende Juni 2010 Mitglied dieses Landtages wie wir alle. Natürlich hatten Sie als Fraktionsvorsitzender eine besondere Rolle. Sie waren als Vorsitzender der stärksten Fraktion nicht nur Erfüllungsgehilfe der Regierung, sondern eigenständiger Parlamentsakteur. Und jetzt? Was macht der Landtagsabgeordnete McAllister jetzt? Was machen Sie, Herr McAllister, wenn es einen Streit zwischen der CDU-Fraktion gibt, der Sie angehören, und der Landesregierung, der Sie vorstehen? Gilt Kabinetts- oder Fraktionsdisziplin? Kontrolliert der Abgeordnete den Ministerpräsidenten McAllister? Kontrollieren Sie Ihre Kabinettskolleginnen und Kollegen? Nein, Herr McAllister, Sie haben einen Rollenwechsel vollzogen, aber es war höchstens ein halber. Sie haben Ihr Mandat als Mitglied dieses hohen Hauses mitgenommen ins Kabinett. Sie können aber nicht beide Aufgaben gleichzeitig ausführen.

Im Sinne einer echten Gewaltenteilung, im Sinne einer Aufwertung jedes einzelnen Abgeordnetenmandats, einer Aufwertung des Landtags als echte Volksvertretung, bitte ich um Unterstützung für unseren Gesetzesentwurf. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.

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